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Marasmus mit tragischem Verlauf
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Veröffentlicht: | 9. September 2020 |
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Vorgeschichte: Ein 73-jähriger Patient stellte sich aufgrund eines Gewichtsverlustes von etwa 20 kg in 3 Monaten und damit einhergehendem körperlichen Verfall vor. Eine progrediente Dysphagie erschwerte eine orale Nahrungsaufnahme. Weiterhin fiel fremdanamnestisch seit etwa 8 Monaten eine progrediente Demenz und ein ausgeprägter Muskelschwund mit schließlich zur Bettlägerigkeit führenden Paresen auf. Wir übernahmen den Patienten aus einem Lehrkrankenhaus unserer Universitätsklinik nach bereits ergebnislos abgeschlossener umfangreicher Diagnostik unter dem Verdacht auf ein rheumatologisches Krankheitsbild.
Leitsymptom bei Krankheitsmanifestation: Bei Aufnahme bot der marastische Patient Fieber, Tachykardie, Dyspnoe und Tachypnoe. Auskultatorisch fand sich über den Lungenmittelfeldern ein Entfaltungsknistern mit basalen Rasselgeräuschen. An den Fingerstreckseiten zeigten sich livide Verfärbungen mit squamösen Hautveränderungen v.a. im Bereich der arthritisch geschwollenen MCP-Gelenke und der Akren. Im Gesicht fielen Teleangiektasien auf.
Diagnostik: Laborchemisch fand sich ein normwertiges C-reaktives Protein, eine normwertige Creatinkinase und Alanin-Aminotransferase. Ein Computertomogramm des Thorax zeigte eine ausgeprägte Lungenfibrose beidseits ohne pneumonische Infiltrate. Eine Videofluoroskopie ergab eine schwere ösophageale Dysphagie nicht eindeutiger Genese. Elektromyographisch wurde kein Myositis-typisches Muster gesehen, hingegen aber Zeichen einer Myopathie. Ein kraniales MRT sowie ein MRT der Oberschenkel waren trotz Sedierung aufgrund multipler Bewegungsartefakte nicht beurteilbar. Es ergab sich kein Anhalt für eine Infektkonstellation oder Lungenarterienembolie. In der Autoimmundiagnostik fand sich letztlich der wegweisende Befund positiver anti-MDA5 Antikörper (melanoma differentiation-associated gene 5).
Therapie: Der anti-MDA5 Antikörper ist eng assoziiert mit der klinisch amyopathischen Dermatomyositis (CADM). Diese ist gekennzeichnet durch verschiedene Hauterscheinungen (Gottron-Papeln, Ulzerationen, Gesichtserythem), eine symmetrische Polyarthritis und eine schnell progrediente interstitielle Lungenerkrankung (RP-ILD). Letztere ist Ursache für die ungünstige Prognose. Nach Diagnosestellung begannen wir eine Prednisolonstoßtherapie mit 100 mg/d.
Weiterer Verlauf: Am zweiten Tag nach Therapiebeginn verstarb der Patient an seinem weit fortgeschrittenen körperlichen Verfall mit respiratorischer Insuffizienz. Eine geplante Cyclophosphamid-Therapie konnte nicht mehr begonnen werden. Als weitere therapeutische Möglichkeiten werden Cyclosporin A, Tacrolimus, Mycophenolat-Mofetil und Immunglobuline in der Literatur benannt [1]. Aufgrund fehlender Daten kann bisher keiner Therapieoption klar der Vorzug gegeben werden.
Der klinisch amyopathische Verlauf und der häufig nicht routinemäßig erfasste Antikörper führen zur Diagnoseverzögerung dieses seltenen Krankheitsbildes, ein dadurch verzögerter Therapiebeginn verschlechtert die ohnehin ungünstige Prognose.
Disclosures: In Bezug auf den dargelegten Fall bestehen beim Autor und allen Co-Autoren keine Interessenkonflikte.