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Deutscher Rheumatologiekongress 2020, 48. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), 34. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh)

09.09. - 12.09.2020, virtuell

Das Ende einer Odyssee

Meeting Abstract

  • Ole Hudowenz - Campus Kerckhoff der Justus-Liebig-Universität Gießen, Abteilung für Rheumatologie, klinische Immunologie, Osteologie und physikalische Medizin, Bad Nauheim
  • Philipp Klemm - Campus Kerckhoff der Justus-Liebig-Universität Gießen, Abteilung für Rheumatologie, klinische Immunologie, Osteologie und physikalische Medizin, Bad Nauheim
  • Ulf Müller-Ladner - Campus Kerckhoff der Justus-Liebig-Universität Gießen, Abteilung für Rheumatologie, klinische Immunologie, Osteologie und physikalische Medizin, Bad Nauheim
  • Ingo Tarner - Campus Kerckhoff der Justus-Liebig-Universität Gießen, Abteilung für Rheumatologie, klinische Immunologie, Osteologie und physikalische Medizin, Bad Nauheim
  • Uwe Lange - Campus Kerckhoff der Justus-Liebig-Universität Gießen, Abteilung für Rheumatologie, klinische Immunologie, Osteologie und physikalische Medizin, Bad Nauheim
  • Stephan Ehl - Medical Center - University of Freiburg, Center for Chronic Immunodeficiency at Center for Translational Cell Research, Freiburg
  • Klaus Warnatz - Medical Center - University of Freiburg, Center for Chronic Immunodeficiency at Center for Translational Cell Research, Freiburg

Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie. Deutsche Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie. Deutscher Rheumatologiekongress 2020, 48. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), 34. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh). sine loco [digital], 09.-12.09.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. DocFA.23

doi: 10.3205/20dgrh088, urn:nbn:de:0183-20dgrh0887

Veröffentlicht: 9. September 2020

© 2020 Hudowenz et al.
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Gliederung

Text

Vorgeschichte: Der 49-jährige Patient stellte sich erstmalig 1997 in unserer rheumatologischen Abteilung vor. In der Kindheit bestanden rezidivierend Uveitiden beider Augen mit konsekutiver Erblindung des rechten Auges. Bei rheumatologischer Erstvorstellung zeigte sich das Bild einer Polymyositis mit Lymphadenopathie, Fieber, Hepatosplenomegalie und Hyperferritinämie sowie Hyper-CKämie dar. Es erfolgten wechselnde, überwiegend frustrane, immunmodulierende Therapieansätze. Im Verlauf entwickelten sich generalisiert tiefreichende Hautulzera sowie ein lokalisiertes kutanes Marginalzelllymphom. Des weiteren kam es zu einer schweren axonalen Neuropathie und einer granulomatösen Lungenerkrankung. Bei einem Vorstellungstermin zur weiteren Abklärung im Jahr 2018 zeigte sich ein massiv reduzierter Allgemeinzustand.

Leitsymptom bei Krankheitsmanifestation: Initial Myalgien, im Verlauf Hautulzerationen, schwere axonale Neuropathie, granulomatöse Lungenerkrankung, Sarkopenie

Diagnostik: Diagnostisch erfolgte erneut eine Abklärung bezüglich einer entzündlichen Systemerkrankung. Laborchemisch fiel eine geringe Leukopenie auf. Immunologisch konnten weder ANA noch Myositis-assoziierte Antikörper nachgewiesen werden. Hinweise auf eine Sarkoidose ergaben sich serologisch nicht. Mittels MRT-Untersuchungen konnten anhaltende symmetrische Myositiden (amyotroph bzw. ohne Erhöhung des CK-Spiegel) der Oberschenkel nachgewiesen werden. In einer PET-CT stellten sich daneben polytop stark stoffwechselaktive subkutane Noduli bei klinischem Korrelat von Ulzerationen dar. Im bisherigen Verlauf waren bereits multiple Biopsien von Haut, Muskulatur und Lymphknoten erfolgt, die weder sichere Aspekte einer immunvermittelten Myopathie noch einer Sarkoidose erbracht hatten. In einer referenzpathologischen Neubegutachtung der Hautbiopsien stellte sich jedoch retrospektiv eine lymphomatoide Granulomatose dar, weshalb in sämtlichen Biopsaten eine Testung auf EBV-RNA erfolgte. Diese war mehrfach positiv. Im Serum blieb die EBV-PCR-Testung jedoch negativ.

In Zusammenschau der rezidivierenden Uveitiden, der chronisch-aktiven EBV-Infektion sowie der kutanen Läsionen wurde der V.a. eine XIAP-Defizienz gestellt und Kontakt mit dem Centrum für chronische Immundefizienz in Freiburg aufgenommen. Dort konnten eine verminderte Anzahl sowie eine fehlende Degranulation der natürlichen Killerzellen nachvollzogen werden. Es erfolgte eine genetische Testung, die eine homozygote Mutation im RAB27A-Gen erbrachte. Diese Mutation ist vereinbar mit der Diagnose eines Griscelli-Syndroms Typ 2 (GST2). Die Haaranalyse zeigte die bestätigenden, pathognomonischen Veränderungen eines GST2. Typischerweise kommt es im Rahmen eines GST2 zu einem Albinismus in der Kindheit. Auf Nachfrage bestätigte der Patient, bis in die Jugend weiße Haare und eine sehr blasse Haut gehabt zu haben, was auf entsprechenden Fotos nachvollzogen werden konnte. Sämtliche Vorbefunde ließen sich daher als Syndrom-assoziierte immunologische Phänomene erklären. Retrospektiv betrachtet lag bei rheumatologischer Erstvorstellung 1997 am ehesten eine abortive Form einer Hämophagozytose vor.

Therapie - Weiterer Verlauf: Die EBV-positiven und -induzierten Ulzera sowie die lymphozytäre Myositis sprachen teilweise auf eine Therapie mit Rituximab an. Bei Immunglobulinmangel konnte mittels intravenöser und subkutaner Immunglobulin-Substitution bis dato eine infektiöse Komplikation verhindert werden. Als einzig kausale Therapie kommt derzeit eine autologe Stammzelltransplantation in Frage. Für diese wird der Patient derzeit aufgrund der insgesamt therapierefraktären Myositis und progredienten Sarkopenie vorbereitet.

Das Griscelli-Syndrom ist eine seltene Immundefekt-Erkrankung, welche autosomal-rezessiv vererbt wird [1]. Es existieren 3 Typen, wobei Typ 1 und 3 keine immunologischen Störungen aufweisen. Bei Typ 2 treten autoimmune Störungen auf und können zu hämophagozytotischen Zuständen führen [2]. Die Lebenserwartung ist aufgrund opportunistischer Infektionen und Hämophagozytose vermindert [3]. Die Erstdiagnose im hohen Erwachsenenalter mit der genannten klinischen Konstellation ist nahezu einzigartig. Die Mutation in ihrer homozygoten Form und der speziellen Variante ist, nach unserem Wissen, eine Erstbeschreibung bei dieser Erkrankung.

Disclosures: Alle Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Literatur

1.
Griscelli C, et al. A syndrome associating partial albinism and immunodeficiency. Am J Med. 1978 Oct;65(4):691-702.
2.
Menasche G, Pastural E, Feldman J, et al. Mutations in RAB27A cause Griscelli syndrome associated with haemophagocytic syndrome. Nat Genet. 2000;25:173-6.
3.
Henkes M, Finke J, Warnatz K, Ammann S, Stadt UZ, Janka G, Brugger W. Late-onset hemophagocytic lymphohistiocytosis (HLH) in an adult female with Griscelli syndrome type 2 (GS2). Ann Hematol. 2015 Jun;94(6):1057-60.