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Deutscher Rheumatologiekongress 2020, 48. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), 34. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh)

09.09. - 12.09.2020, virtuell

Unklare Polyarthralgien, was nun?

Meeting Abstract

  • Olga Barbara Krammer - Asklepios Klinikum Bad Abbach, Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie, Bad Abbach; Universitätsklinikum Regensburg, Regensburg
  • Boris Ehrenstein - Asklepios Klinikum Bad Abbach, Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie, Bad Abbach
  • Wolfgang Hartung - Asklepios Klinikum Bad Abbach, Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie, Bad Abbach
  • Martin Fleck - Asklepios Klinikum Bad Abbach, Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie, Bad Abbach; Universitätsklinikum Regensburg, Regensburg

Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie. Deutsche Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie. Deutscher Rheumatologiekongress 2020, 48. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), 34. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh). sine loco [digital], 09.-12.09.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. DocFA.13

doi: 10.3205/20dgrh079, urn:nbn:de:0183-20dgrh0796

Veröffentlicht: 9. September 2020

© 2020 Krammer et al.
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Gliederung

Text

Vorgeschichte: Eine 53-jährige Patientin stellte sich im Februar 2019 erstmals rheumatologisch in unserer Klinik vor. Die Patientin beschrieb bei Aufnahme Polyarthralgien der Hände, Füße und Kniegelenke beidseits, die ca. 2018 erstmalig aufgetreten seien. Zudem wurde eine Dysurie, bei bereits hausärztlich diagnostiziertem und behandeltem Harnwegsinfekt, angegeben. Als Vorerkrankungen wurde eine Arterielle Hypertonie, ein Karpaltunnelsyndrom beidseits, sowie eine Endometriose mit Zustand nach Hysterektomie genannt. In der Noxenanamnese konnte ein aktiver Nikotinabusus mit kumulativ 28 pack-years erfragt werden. Die Eigen- und Familienanamnese war blande bezüglich entzündlich-rheumatischer Erkrankungen, keine Psoriasis, keine chronisch entzündlichen Darmerkrankungen.

Leitsymptom bei Krankheitsmanifestation: Bei Erstmanifestation beschrieb die Patientin diffuse Polyarthralgien, insbesondere der Hände, Füße und Kniegelenke beidseits. Sie hatte das Gefühl zunehmend „geschwollener Hände und Füße“, sowie eine ausgeprägte Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Rötungen oder Überwärmungen der Gelenke seien nicht aufgetreten, zudem kein Fieber, Nachtschweiß oder Gewichtsverlust.

Diagnostik: In der körperlichen Untersuchung zeigte sich eine 53-jährige Patientin in leicht reduziertem Allgemeinzustand und übergewichtigem Ernährungszustand (Größe: 178 cm, Gewicht: 106 kg). Klinisch zeigten sich keine druckdolenten oder geschwollenen Gelenke, bzw. psoriasiforme Läsionen (Abbildung 1 [Abb. 1]). Laborchemisch waren erhöhte Entzündungsparameter (CRP 33 mg/l, BSG nach einer Stunde 87 mm/h) ersichtlich. Im Urinstatus zeigten sich Zeichen eines Harnwegsinfekts mit Bakteriurie/Leukozyturie und Erythrozyturie. Die Immunologie (RF/anti-CCP, ANA) gestaltete sich, ebenso wie die Infektionsserologie (Hepatitis B/C, Symphilis, HIV) unauffällig. Arthrosonographisch konnte lediglich eine mäßige Kapseldistension am Kniegelenk rechts ohne Hyperperfusion nachgewiesen werden. In der Abdomensonographie war eine Splenomegalie ersichtlich. Im konventionellen Röntgen wurden keine arthritischen Direktzeichen, bzw. keine relevanten degenerativen Veränderungen beschrieben (Abbildung 2 [Abb. 2]). In Zusammenschau der Befunde konnte in der durchgeführten Diagnostik keine entzündlich-rheumatische Erkrankung aufgezeigt werden. Die Patientin beschrieb, dass sie sich zuletzt nicht mehr „so hübsch“ fühlte und in den letzten Jahren markantere Gesichtszüge angenommen hätte. Zur weiteren Differentialdiagnose erfolgte die gezielte Nachfrage nach einer Zunahme der Schuhgröße. Dies wurde bejaht; eine Zunahme um zwei Nummern sei erfolgt. Zudem wurden Probleme beim Zahnarzt durch eine Makroglossie beschrieben. Anamnestisch war ein Karpaltunnelsyndrom beidseits bekannt. Wir baten die Patientin uns ältere Passfotos, bzw. Führerscheinfotos zu zeigen und verglichen diese mit dem aktuellen Erscheinungsbild (Abbildung 3 [Abb. 3]). Wir entschieden uns daraufhin zu einer weiterführenden Diagnostik mittels Blutentnahme auf den Insulin-like-Growth-Faktor (IGF-1), der mit 362 ng/ml erhöht war (Normwert geschlechts-/altersadaptiert: 55,0-248 ng/ml). Im nächsten Schritt führten wir einen oralen Glukosetoleranztest mit Messung des hGH (Wachstumshormon) nach 30, 60, 90 und 120 Minuten durch. Es zeigte sich eine ausbleibende hGH-Supprimierung nach Glukosebelastung (Tabelle 1 [Tab. 1]). Die Messung des Prolaktins war normwertig. Somit konnte bei erhöhtem IGF-1, sowie fehlender Supprimierung des Wachstumgshormons und passender Klinik die Diagnose einer Akromegalie gestellt werden. Die Polyarthralgien waren daher Ausdruck dieser sehr seltenen endokrinologischen Erkrankung. Die erhöhten Entzündungsparameter werteten wir im Rahmen des Harnwegsinfekts. Bei Verdacht auf ein Hypophysenadenom erfolgte eine Überweisung zu den Kollegen der Endokrinologie. In der dort durchgeführten Magnetresonanztomographie der Sellaregion konnte ein Mikroadenom der Hypophyse visualisiert werden.

Therapie: Bei nachgewiesenem Mikroadenom der Hypophyse erfolgte im März 2019 eine neurochirurgische Vorstellung mit mikrochirurgischer, vollständiger Resektion des Hypophysenadenoms über einen transnasalen/transphenoidalen Zugang.

Weiterer Verlauf: Im weiteren Verlauf war die Patientin ambulant endokrinologisch angebunden. Es zeigten sich normwertige IGF-1-Werte, somit kein Anhalt auf ein Rezidiv und eine vollständige Resektion des Hypophysenadenoms. Die Arthralgien waren leicht, jedoch nicht vollständig rückläufig.

Disclosures: keine Interessenkonflikte