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Deutscher Rheumatologiekongress 2020, 48. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), 34. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh)

09.09. - 12.09.2020, virtuell

Untersuchung des psychosozialen Einflusses der Corona-Pandemie auf rheumatologische Patienten in einer prospektiven, longitudinalen Befragung

Meeting Abstract

  • Rebecca Hasseli - Campus Kerckhoff, Justus-Liebig-University Giessen, Abteilung für Rheumatologie und Klinische Immunologie
  • Tim Schmeiser - St. Josef Krankehaus, Internistische Rheumatologie
  • Christiane Hermann - Justus-Liebig-Universität Giessen, Klinische Psychologie und Psychotherapie
  • Judith Kappesser - Justus-Liebig-Universität Giessen, Klinische Psychologie und Psychotherapie
  • Silas Pfeiffer - Justus-Liebig-Universität Giessen, Klinische Psychologie und Psychotherapie
  • Ulf Müller-Ladner - Campus Kerckhoff, Justus-Liebig-University Giessen, Abteilung für Rheumatologie und Klinische Immunologie
  • Jutta Richter - Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Poliklinik, Funktionsbereich & Hiller Forschungszentrum für Rheumatologie, Medizinische Fakultät
  • Anne Regierer - Deutsches Rheuma-Forschungszentrum, Berlin
  • Reinhard Voll - Universitätsklinikum Freiburg, Universität Freiburg, Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie
  • Hanns-Martin Lorenz - Universitätsklinikum Heidelberg, Medizinische Klinik V
  • Anja Strangfeld - Deutsches Rheuma-Forschungszentrum, Berlin
  • Andreas Krause - Immanuel Krankenhaus Berlin, Standort Berlin-Buch, Abteilung Rheumatologie und Klinische Immunologie
  • Alexander Pfeil - Universitätsklinikum Jena, Klinik für Innere Medizin III
  • Hendrik Schulze-Koops - Ludwig-Maximilians-Universität München, Sektion Rheumatologie und Klinische Immunologie, Medizinische Klinik IV
  • Christof Specker - Kliniken Essen-Mitte, Essen, Klinik für Rheumatologie & Klinische Immunologie
  • Bimba F. Hoyer - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Sektion Rheumatologie und Klinische Immunologie, Exzellenzzentrum Entzündungsmedizin Medizinische Klinik 1

Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie. Deutsche Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie. Deutscher Rheumatologiekongress 2020, 48. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), 34. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh). sine loco [digital], 09.-12.09.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. DocCO.11

doi: 10.3205/20dgrh010, urn:nbn:de:0183-20dgrh0101

Veröffentlicht: 9. September 2020

© 2020 Hasseli et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung: Die Gesamtsituation „Corona-Pandemie“ stellt weltweit die Bevölkerung vor große Herausforderungen. Die Erfahrung der Kontaktbeschränkungen, möglicherweise behördlich angeordnete Quarantänen aber auch die Angst vor einer möglichen Ansteckung führen zu einer psychischen Belastung. Teilweise beengte Wohnverhältnisse und ökonomische Unsicherheit auf Grund gefährdeter Arbeitsverhältnisse stellen zusätzliche soziale Belastungen dar. Bei Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen wird diese psychosoziale Belastung noch verstärkt durch das Bewusstsein, Teil der sogenannten Risikogruppe zu sein. Arzttermine fallen aus oder werden aus Sorge vor Ansteckung nicht wahrgenommen, Therapieintervalle werden gestreckt, Laborkontrollen werden ausgelassen, Physiotherapieanwendungen ausgesetzt. Durch Lieferengpässe sind Medikamente teilweise nur schwer erhältlich. All dies dürfte zu einer besonderen Belastung für Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen führen, die noch über die gesunden Menschen hinausgeht. Ziel dieser Studie ist es, mit einer auf 12 Monate angelegten Online-Befragung, die psychosoziale Belastung von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Grunderkrankungen im Kontext einer Pandemie zu erfassen.

Methoden: Mit Hilfe einer web-basierten Umfrage, die über Aushänge in Praxen und Kliniken und Aufrufe in den sozialen Medien zusammen mit der deutschen Rheuma-Liga publik gemacht wurde, soll über 12 Monate die Belastung und die Erkrankungssituation von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen erfasst werden. Hierzu wurde, gemeinsam mit der klinischen Psychologie der Universität Giessen, ein Fragebogen entwickelt. Unabhängig vom Vorliegen einer SARS-CoV-2-Infektion werden die Patienten über 12 Monate monatlich zur sozialen Situation und Veränderungen, zu Schutzmaßnahmen sowie zu Stressbelastung, Depressivität, Krankheitsaktivität, Medikation und anderen psychosozialen Faktoren befragt.

Ergebnisse: Während des Zeitraums vom 22.04.2020 bis 13.07.2020 haben sich 637 Patienten für die Befragung registriert. Das Alter liegt bei 53 Jahren (Median, 15-89 Jahre) mit einer Verteilung analog der Bevölkerungsdichte der Bundesländer. Die Hälfte (50%) der Befragten gaben an, eine Rheumatoide Arthritis zu haben, 28% Patienten hatten eine Spondylarthropathie. Der Rest verteilt sich auf andere rheumatologische Erkrankungen. Zum ersten Zeitpunkt gaben elf Patienten (1,7%) an, positiv auf SARS-CoV2 getestet worden zu sein (PCR oder Antikörpertest). Trotz der Pandemie gaben 88% der Patienten an, ihre Medikation aktuell unverändert fortzuführen. Elf Prozent der Patienten hatten die Medikation selbstständig (5%) oder in ärztlicher Absprache (6%) aufgrund der Pandemie beendet. Im privaten Umfeld berichten 62% der Patienten einen rücksichtsvollen Umgang in Bezug auf die rheumatische Erkrankung und die Pandemie zu erfahren. Im beruflichen Umfeld gaben dies 50% der Personen an.

Bereits vor der Pandemie waren 74% der Patienten überhaupt (z.B. gegen Influenza, Pneumokokken, Tuberkulose, Masern, Herpes Zoster) geimpft. Lediglich 5% der Patienten würden sich grundsätzlich nicht impfen lassen. Zum Beginn der Pandemie (erster Befragungs-Zeitpunkt) zeigten 7% Hinweise auf Depressivität und 34% für eine vermehrte Ängstlichkeit. Die Krankheitsaktivität ihrer rheumatischen Erkrankung wurde von den Patienten selbst im Median mit 4 (0-10), Schmerzen im Median mit 3 (0-10) und Schlafstörungen mit 5 (0-10) angegeben.

Schlussfolgerung: Trotz einer hohen sozialen Belastung sowie dem zusätzlichen Belastungsfaktor „Risikogruppe“ wiesen die erfassten Patienten mit rheumatischen Erkrankungen im ersten Befragungsmonat keine größere Depressivität auf als die Normalbevölkerung außerhalb einer Pandemie [1] und einen vergleichbaren Grad an Ängstlichkeit im Vergleich zur Gesamtpopulation im Rahmen der Pandemie [2]. Fast 90% der Patienten gaben an, ihre Medikation trotz der „Risikosituation“ weiter zu nehmen. Hier sollte die Längsschnittbefragung in den nächsten Monaten Aufschluss über die wirkliche Therapieadhärenz geben.

Zusammenfassend soll diese longitudinale Befragung einen Einblick in die psychosoziale Belastung von Rheumapatienten im Rahmen der derzeitigen Corona-Pandemie geben und helfen, mögliche Probleme in der rheumatologischen Versorgung zu identifizieren. Dies soll dazu dienen, gemeinsam mit den Patienten die Herausforderung der Pandemie besser zu bewältigen und politisch dabei auch die besondere Situation chronisch Kranker zu beleuchten.

Disclosures: None declared


Literatur

1.
Busch MA, Maske UE, Ryl L, Schlack R, Hapke U. Prävalenz von depressiver Symptomatik und diagnostizierter Depression bei Erwachsenen in Deutschland: Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2013;56:733-9. DOI: 10.1007/s00103-013-1688-3 Externer Link
2.
Salari P, Di Giorgio L, Ilinca S, Chuma J. The catastrophic and impoverishing effects of out-of-pocket healthcare payments in Kenya, 2018. BMJ Glob Health. 2019;4:e001809. DOI: 10.1136/bmjgh-2019-001809 Externer Link