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47. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), 33. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh), 29. Jahrestagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR)

04.09. - 07.09.2019, Dresden

Rheuma-aktiv 66+ – ein stationäres Schulungsprogramm für die Gerontorheumatologie

Meeting Abstract

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  • Joachim-Michael Engel - MVZ Epikur GmbH, Rheumapoliklinik, Bad Liebenwerda
  • Wolfgang Lehmann-Leo - Median Fontana-Klinik, Rheumatologie, Bad Liebenwerda

Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie. Deutsche Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie. Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie. 47. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), 33. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh), 29. Jahrestagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR). Dresden, 04.-07.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocEV.19

doi: 10.3205/19dgrh101, urn:nbn:de:0183-19dgrh1013

Veröffentlicht: 8. Oktober 2019

© 2019 Engel et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Die Erstmanifestation des entzündlichen Rheumatismus (LORA, PMR, Arteriitis) verschiebt sich immer mehr in höheres Lebensalter. Damit steigt die Zahl der vom rheumatischen Geschehen überraschend und heftig Betroffenen jenseit des 65.Lj. deutlich an. Neben bereits vorbestehenden Gesundheitsstörungen und Krankheiten trifft die rheumatische Entzündung auf einen alternden oder alten Menschen, der dann zusätzliche Arzneien benötigt und in Mobilität und Selbstversorgung deutlich beeinträchtigt wird. Im Alltag der rheumatologischen Praxis sind die notwendigen Beratungen und Informationen kaum oder nicht zu leisten. Ambulante Modelle der Patientenschulung überfordern die Betroffenen. Auch notwendige Ergotherapie mit Hilfsmittelberatung und Physiotherapie mit Anleitung zu Eigenübungen sind - besonders im ländlichen Raum - nur schwer erreichbar. Eine stationäre Rehabilitation wird von den Krankenkassen mit Hinweis auf zuvor nicht ausreichend durchgeführte ambulante Therapien überwiegend abgelehnt. Daher hat die Deutsche Rheuma-Liga LV Brandenburg gemeinsam mit den Autoren ein stationäres Schulungs- und Behandlungsprogramm "Rheuma aktiv 66+" konzipiert und in einem Modellprojekt mit 10 Rheumakranken höheren Lebensalters im Januar 2019 an der Median Fontana-Klinik Bad Liebenwerda geprüft.

Methoden: Das 14tägige stationäre Programm "Rheuma aktiv 66+" ist entwickelt für jenseits des 65. Lebensjahrs neu erkrankte (< 2 Jahre) Personen mit RA, LORA, PMR, Arteriitis. Es enthält neben dem rheumatologischen Status ein umfassendes gerontologisches Assessment und eine individuelle Durchsicht des Medikationsplans mit Erläuterung der Einnahmemodalitäten sowie einen Abschlußbericht für Rheumatologen und Hausarzt. In geschlossener Gruppe erhalten die 10-12 Teilnehmer Physiotherapie mit Anleitung zu Eigenübungen, Anwendungen von Wärme oder Kälte, Ergotherapie mit Gelenkschutz- und Hilfsmittelberatung, Informationen zu Krankeitsbild und -verlauf, Besonderheiten der antirheumatischen Therapie, notwendigen Impfschutz, Ernährungsberatung mit praktischen Demonstrationen der richtigen Ernährung im Alter, soziale Beratung zu Pflegegrad, Schwerbehinderung, Rehabilitation, Vorstellung der vielfältigen Angebote der Selbsthife der Deutschen Rheuma-Liga, Informationen zum Funktionstraining, Zusätzlich finden Gesprächsrunden zum Umgang mit Krankheit, Alter und Behinderung statt, zum Abschluß auch mit den betreuenden Angehörigen.

Mit finanzieller Unterstützung durch abbvie GmbH Wiesbaden konnte die Deutsche Rheuma-Liga LV Brandenburg vom 13.-27.1.2019 erstmals dieses Programm erproben.

Ergebnisse: Im Programm aufgenommen wurden auf rheumatologische Empfehlung und mit Organisation durch die Deutsche Rheuma-Liga 11 Personen (4 < 70 Jahre, 5 >70 Jahre). Die richtige Bezeichnung ihrer Krankheit kannten nur 4/11 Teilnehmern, bei denen zu 81,8% (9/11) > als 6 Monate zwischen ersten Symptomen und Vorstellung beim Rheumatologen vergangen waren. Nach Schulnoten (1-6) bewerteten die Teilnehmer die Information des Hausarztes mit 4,3, die des Rheumatologen mit 1,8, die allgemeinen Kenntnisse zur rheumatischen Krankheit mit 2,8, die Zufriedenheit mit der medikamentösen Therapie mit 2,4, die Bewältigung des Alltags mit 3,0. Nur 3 Teilnehmer hatten vorher ambulante Physiotherapie, 2 Ergotherapie. Hilfsmittel für den Alltag hatte nur 1 Patient.

Zum Abschluß beurteilten die Teilnehmer die Auswahl der Themen und Inhalte des Programms mit 1,25, Alltagstipps und Hinweise zu Eigenübungen mit 1,5 und den persönlichen Informationsgewinn mit 1,4. Alle Teilnehmer fanden die Dauer von 14 Tagen gerade richtig, alle würden dieses Programm weiterempfehlen. 8 Patienten fühlten sich sehr viel sicherer im Umgang mit ihrer Krankheit. Die praktischen Erfahrungen mit den verschiedenen Therapien bewerteten die Teilnehmer mit 1,1. In einem Wissensquiz verbesserte sich die Kenntnis von durchschnittlich 7,2 auf 8,3/9 Punkten.

Schlussfolgerung: Der große Erfolg und die hohe Akzeptanz dieses stationären Schulungsprogramms für geriatrische Rheumapatienten ermutigen die Deutsche Rheuma Liga LV Brandenburg, sich bei den Kostenträgern und der Politik für eine Übernahme von Rheuma aktiv 66+ in die Regelversorgung einzusetzen, zumal dieses altersgerechte Schulungsprogramm für neu erkrankte Rheumatiker sich als effizient erwiesen hat und mit ca. 100 €/Tag deutlich preisgünstiger ist als eine stationäre rheumatologischen Komplexbehandlung oder Rehabilitation.

Da ein edukatives und kein primär therapeutisches Ziel verfolgt wird, hielten alle Teilnehmer den Zeitrahmen von 14 Tagen für angemessen, um soviel Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen zu sammeln, daß sie bestätigen, künftig mit ihrer rheumatischen Krankheit in ambulanter Behandlung ausreichend versorgt zu sein.

Nicht eingeschätzt werden können nach diesem Modellprojekt der langfristige Nutzen für den weiteren Krankheitsverlauf der Teilnehmer und die Verhinderung von Pflegebedürftigkeit. Jedoch beurteilten die Teilnehmer den persönlichen Informationsgewinn in Schulnoten (1-6) mit 1,4 sehr hoch.

Bei nachfolgenden rheumatologischen Konsultationen zeigten sich die Teilnehmer nicht nur begeistert von diesem edukativen Programm sondern waren auch deutlich besser informierte Gesprächspartner der Rheumatologen. Das verringerte nachweislich den Zeitbedarf in der rheumatologischen Sprechstunde.