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47. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), 33. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh), 29. Jahrestagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR)

04.09. - 07.09.2019, Dresden

Seltene Erkrankung mit Sakroiliitis

Meeting Abstract

  • Tatjana Welzel - Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Tübingen, Pädiatrische Rheumatologie, Autoinflammation Reference Center Tübingen (arcT), Tübingen; Pädiatrische Pharmakologie, Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB), Universität Basel, Basel, Schweiz
  • Kerstin Reicherter - Praxis für Humangenetik Tübingen, Exom-Diagnostik, Array CGH, Skelett-, Haut-, Bindegewebs- & Lebererkrankungen, Tübingen
  • Susanne Schlipf - Kinderarztpraxis Dr. Lakner, Pädiatrie, Schwäbisch Gmünd
  • Sandra Hansmann - Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Tübingen, Pädiatrische Rheumatologie, Autoinflammation Reference Center Tübingen (arcT), Tübingen
  • Anton Hospach - Klinikum Stuttgart, Olgahospital, Zentrum für Pädiatrische Rheumatologie, Stuttgart
  • Ilias Tsiflikas - Klinik für Radiologie, Universitätsklinikum Tübingen, Pädiatrische Radiologie, Tübingen
  • Xiao Liu - Immunologie, Universität Tübingen, Tübingen
  • Susanne Benseler - Alberta Children’s Hospital, Universität Calgery, Pädiatrische Rheumatologie, Alberta, Canada
  • Alexander N. Weber - Immunologie, Universität Tübingen, Tübingen
  • Jasmin B. Kümmerle-Deschner - Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Tübingen, Pädiatrische Rheumatologie, Autoinflammation Reference Center Tübingen (arcT), Tübingen

Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie. Deutsche Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie. Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie. 47. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), 33. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh), 29. Jahrestagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR). Dresden, 04.-07.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocFA.17

doi: 10.3205/19dgrh017, urn:nbn:de:0183-19dgrh0174

Veröffentlicht: 8. Oktober 2019

© 2019 Welzel et al.
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Gliederung

Text

Vorgeschichte: Im 1. Lebensjahr entwickelt ein bisher gesunder Junge monatliche Fieberschübe mit Pleuritis, Perikarditis und Coxitis. Zwischen den Fieberepisoden ist der Patient asymptomatisch. Ab dem 2. Lebensjahr kommt es zur Symptomprogredienz. Die Familienanamnese ist unauffällig.

Leitsymptome: Neben den monatlichen Fieberepisoden mit Abgeschlagenheit, Lymphknotenschwellung, Perikarditis, Pleuritis, Pankreatitis und Arthritis, die teils lebensbedrohlich verlaufen und intensivmedizinischer Betreuung bedürfen, liegt im Krankheitsschub eine ausgeprägte Entzündung vor (CRP 11.2 mg/dl, S100A8/9 151.800 ng/ml, Serum-Amyloid-A 677 mg/l, BSR 60 mm/h, Leukozytose, Thrombozytose). Bei Erstvorstellung besteht trotz Fieberfreiheit ein hinkendes Gangbild und Antriebslosigkeit.

Diagnostik: Die ausgiebige Diagnostik (Immundefekte, Audiologie, Opthalmologie, Leber- und Nierenfunktionsteste, FACS, Immunpathologie, mikrobiologische Erregerdiagnostik, Knochenmark) war unauffällig. Die Genetik auf TRAPS, HIDS/MVK, CAPS war negativ. Allerdings ließ sich in der Promotorregion 330G>A im MEFV-Gen ein heterozygoter Polymorphismus detektieren. Im MRT Nachweis einer rechtsseitigen Sakroiliitis. Im Whole-Exome-Sequencing Identifikation einer homozygoten Stopp-Mutation (c.62C>G; p.Ser21*) im IL1RN-Gen (NM_173842.2) mit minimaler Sekretion von IL-1RA in unstimulierten Leukozyten. Die Kranheitsrelevanz der Mutation wurde durch Stimulation mit IL-1ß und LPS bestätigt, so dass die Diagnose einer atypischen Defizienz des Interleukin-1-Rezeptor-Antagonisten (DIRA) gestellt wurde. In der Triom-Exom-Sequenzierung zeigten sich Vater, Mutter und Bruder als heterozygote Träger. Des Weiteren Nachweis von drei Mutationen unklarer Signifikanz (PCGF5, CPA1, SPTA1).

Therapie: Initial Einsatz von Steroiden und Colchicin mit Symptombesserung ohne Schubprävention. Eine Remission konnte unter der Therapie mit dem IL1-Inhibitor Anakinra (2 mg/kg/Tag) erreicht werden. Auf Grund Intoleranz gegenüber den täglichen Subkutan-Injektionen erfolgte ein Wechsel auf Canacinumab (4 mg/kg/4 Wochen) unter dem subjektiv eine steigende Krankheitsaktivität berichtet wurde. Nach vier Monaten kam es zu einem Krankheitsschub, mit schnellem Sistieren nach Wiederbeginn mit Anakinra.

Weiterer Verlauf und Diskussion: Über 14 Monate zeigte sich unter Anakinra eine klinische und laborchemische Remission. Im letzten Verlaufs-MRT Detektion eines diskreten Ödems im Os pubis links sowie der ischiopubischen Synchondrose. Trotz Beschwerdefreiheit und fehlender Entzündung erfolgte eine Ankinra-Anpassung auf 3 mg/kg/Tag.

Die c.62C>G; p.Ser21* Variante im IL1RN-Gen scheint homozygot eine Spätmanifestation eines atypischen DIRA mit schwerer Serositis ohne Hautbeteiligung zubedingen, während heterozygote Träger asymptomatisch scheinen. Das Whole-Exome-Sequencing kann zusammen mit Funktionstesten, die Diagnosestellung und Therapie insbesondere bei atypischer Manifestation und Verdacht auf Autoinflammation optimieren.