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Versorgungsforschungsprojekt zur verbesserten Vorselektion von Rückenschmerzpatienten: Monozentrische Fragebogen-basierte Studie zur Abgrenzung von degenerativem versus entzündlichem Rückenschmerz sowie Erfassung von Depression an 300 Patienten
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Veröffentlicht: | 4. September 2017 |
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Einleitung: Die Spondylitis ankylosans (SpA) ist mit einer Prävalenz von 0,5% eine der häufigsten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen in Deutschland. Typisch ist eine prädominant axiale Manifestation mit Spondylitis und/oder Sakroiliitis, die sich als entzündlicher Rückenschmerz präsentiert. Verzögerte oder unzureichende Therapie kann zu irreversiblen Veränderungen an der Wirbelsäule und langfristiger Funktionseinschränkung führen. Obwohl der charakteristische entzündliche Rückenschmerz durch gezieltes Fragen mit relativ hoher Sensitivität und Spezifität evaluierbar ist, wird die Erkrankung leider auch heute noch häufig erst Jahre nach Erstmanifestation diagnostiziert. Zudem entwickeln Schmerzpatienten gehäuft eine Depression. Ziel dieses Versorgungsforschungsprojekts ist zum einen die beschleunigte Diagnosestellung durch verbesserte Patientenvorselektion bei den erstversorgenden Fachdisziplinen von Rückenschmerzpatienten und zum anderen die Erfassung von psychischen Beschwerden.
Methoden: Fragebogen-basierte Datenerfassung von Rückenschmerz-Patienten aus der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie der Universitätsklinik Freiburg. Ziel war die Befragung von 300 Patienten zur Abgrenzung von degenerativem versus entzündlichem Rückenschmerz (MAIL-Scale, Entzündlicher Rückenschmerz, BASDAI, BASFI und FFbH) und Überprüfung der schließlich gesicherten Diagnose nach Aktenlage 3 Monate nach Erstbefragung. Psychische Beschwerden bzw. Begleiterkrankungen wurden mittels etablierter Fragebögen zur Lebensqualität und Depression erfragt (WHOQOL-BREF, Phq9, GHQ-12). Begleitend erfolgt die Befragung von Patienten mit gesicherter SpA in der Rheumatologischen Ambulanz.
Ergebnisse: Von den bisher erfassten Rückenschmerzpatienten (aktuell n=92) hatten laut Fragebögen 93% einen am ehesten degenerativen Rückenschmerz, bei 7% ergab sich der Verdacht auf einen rein entzündlichen Rückenschmerz. Der BASDAI lag durchschnittlich bei 5 Punkten. 32% der befragten Patienten hatten eine klinisch relevante Funktionseinschränkung (<60% FFbH). 24% zeigten eine mittelgradige bis schwere depressive Symptomatik (Phq9). Die diagnostische Latenz zwischen Erstmanifestation und Erstdiagnose betrug in der Freiburger SpA-Kohorte (n=202) durchschnittlich 5,2 Jahre (min. 0, max. 38 Jahre). 25% der Patienten hatten eine positive Familienanamnese, 77% waren HLA-B27 positiv. 63% hatten bei Diagnosestellung erhöhte Entzündungswerte, 37% einen CRP-Wert von >20 mg/l. 82% hatten eine Sakroiliitis (69% beidseitig, 13% einseitig), 62% hatten eine periphere Gelenkbeteiligung. 46% hatten Zeichen einer Enthesitis bzw. Tendinitis, 27% eine Augenbeteiligung.
Schlussfolgerung: Chronische Rückenschmerzen sind mit einer signifikanten Morbidität und gehäuftem Auftreten von Depression assoziiert. Die gezielte Erfassung von Indikatoren für entzündlichen und degenerativen Rückenschmerz mittels standardisierter Fragebögen bereits bei der primär kontaktierten Fachdisziplin beschleunigt die Diagnosesicherung.