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Molekulargenetische Diagnostik in der Kinder-Rheumatologie – eine retrospektive Analyse
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Veröffentlicht: | 4. September 2017 |
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Einleitung: Zahlreiche monogenetische autoinflammatorische und autoimmune rheumatische Erkrankungen sind mittlerweile bekannt. Besonders früh beginnende, schwerwiegende, komplexe und/oder familiäre Erkrankungen beruhen möglicherweise auf molekulargenetischen Veränderungen in Einzelgenen. Die Identifizierung spezifischer genetischer Ursachen („actionable targets“) erlaubt möglicherweise eine zielgerichtete Therapie. Neben der zielgerichteten molekulargenetischen Diagnostik (von Kandidatengenen), ist mittlerweile auch die Panel-Diagnostik (von mehreren oder vielen Kandidatengenen) und die nicht-zielgerichtete exom-weite Diagnostik (Whole-Exome-Sequencing) prinzipiell verfügbar.
Methoden: Whole-Exome-Sequencing (WES) und Bioinformatik wurde durchgeführt bei Patienten/Familien mit undifferenzierter autoinflammatorischer Erkrankung (uAID), mutationsnegativem Muckle-Wells-Syndrom/Kälteurtikaria, komplexer Autoimmunität, Vaskulopathie, Hypercalprotectinämie oder Immundefizienz, bei denen die Sequenzierung von Kandidatengenen keine Ergebnisse geliefert hatte. Des Weiteren analysierten wir retrospektiv die im Universitätsklinikum Münster in den Jahren 2015 und 2016 durchgeführte molekulargenetische Diagnostik im Rahmen der üblichen klinischen Praxis.
Ergebnisse: WES wurde bei neun Familien mit uAID durchgeführt, dabei wurden letztlich bei drei Familien eindeutige genetische Diagnosen gestellt (STING-associated vasculopathy of infancy [SAVI], Deficiency of ADA2 [DADA2] und MVK-Defizienz). Bei einer Familie bestand V.a. ein heterozygotes familiäres Mittelmeerfieber [FMF], bei drei Familien keine genetische Diagnose und letztlich bei zwei Familien der V.a. ein Münchhausen-by-proxy-Syndrom. Bei fünf Patienten mit mutationsnegativem Muckle-Wells-Syndrom/Kälteurtikaria wurden genetische Varianten ermittelt im TNFRSF1A-Gen (n=1), im MEFV-Gen (n=1), im PLCG2-Gen (n=1), im MVK-Gen (n=1) und kombiniert im MEFV- und MVK-Gen (n=1). Bei fünf Patienten mit Hypercalprotectinämie wurde bei einem Patienten eine PSTPIP1-Mutation identifiziert. Im Rahmen der üblichen klinischen Praxis wurden 100 genetische Analysen durchgeführt, davon 11-mal ein WES, 33-mal eine Panel-Diagnostik und 56-mal eine Einzelgen-Diagnostik (n=71 bei AID, n=17 bei primärem Immundefekt, n=12 bei Autoimmunität/Vaskulopathie). In 53 Fällen ergab sich ein negativer Befund, in 16 Fällen der Nachweis einer eindeutig krankheitsverursachenden Mutation, in 16 Fällen eine möglicherweise krankheitsverursachende Mutation und in 10 Fällen ein Polymorphismus (in fünf Fällen Befunde noch ausstehend).
Schlussfolgerung: Bei Patienten mit schwerwiegender, komplexer und/oder familiärer Autoinflammation oder Autoimmunität lässt sich mittels WES oft eine genetische Diagnose stellen, die auch therapierelevant ist. Im Rahmen der üblichen klinischen Praxis wurden bei ca. der Hälfte der Patienten, bei denen eine molekulargenetische Diagnostik durchgeführt wurde, genetische Varianten gefunden. Es ist aber häufig schwierig, zwischen eindeutig pathogenen Varianten und nicht-bedeutsamen Varianten zu unterscheiden.