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Komplikationen einer unkritisch verabreichten Steroidtherapie – Ein Fallbericht
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Veröffentlicht: | 1. September 2015 |
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Wir berichten über eine 64-jährige Patientin mit immobilisierenden Schmerzen im Bereich der mittleren Wirbelsäule. Es war hausärztlich vor 8 Jahren eine seronegative rheumatoide Arthritis diagnostiziert und über die letzten 4 Jahre mit Prednisolon zwischen 5 und 20mg tgl. behandelt worden, welches zuletzt wegen Schmerzzuständen (Finger, Zehen, Rücken) auf 80mg tgl. eskaliert worden sei. Eine rheumatologische Vorstellung sei nie erfolgt. 6 Monate zuvor bereits stationärer Aufenthalt wegen einer Wirbelkörperfraktur. Aufgrund der Polyarthralgien erfolgte auswärtig eine Rheumaserologie mit dem Resultat erhöhter CCP-Antikörper.
In der körperlichen Untersuchung zeigte sich eine bettlägerige Patientin mit cushingoidem Habitus (stammbetonte Adipositas, Büffelnacken, Facies lunata sowie Steroidhaut), Fatigue und ubiquitären Schmerzen. Kein Soor. Es bestanden keine Synovitiden. Laborserologisch bestanden ein deutlicher Mangel an Immunglobulin G; die Vitamin-D-Vorstufen lagen im niedrig-normalem Bereich, allerdings unter von uns zuvor begonnener Substitution. Wir fanden keine Hinweise auf eine entzündlich-rheumatische Erkrankung. Auch nach Reduktion des Corticosteroids kam es zu keinerlei klinisch oder bildgebend nachvollziehbaren entzündlichen Gelenkmanifestationen; auch bestanden radiologisch keine Erosionen. Rheumafaktoren oder CCP-Antikörper wiesen wir nicht nach. Die humoralen Entzündungsparameter waren spontan regedient und bildeten für uns ein Mischbild ab aus Steroidentzugsreaktion, Adipositas und polymikrobieller Besiedlung von Nasenrachenraum (MRSA!), Unterschenkelulcera und Decubiti.
Zentrales Problem waren die Folgen der langjährigen, hochdosierten Glukokortikoideinnahme mit Ausprägung von multiplen Wirbelkörpersinterungsfrakturen, welche auf einer manifesten, bislang nie behandelten steroidinduzierten Osteoporose basierten. Letztere ließ sich radiologisch (T-Score -2,9) und in der Knochenszintigraphie (mit Nachweis eines sog. „Rachitischen Rosenkranzes“) nachvollziehen und auf die langjährige Steroidtherapie und einen Vitamin D Mangel zurückführen. Therapeutisch erhielt die Patientin eine Vitamin-D-Supplementation und ein langwirksames i.v. Bisphosponat. Die weitere Mobilisation war in Ansätzen erfolgreich. Zudem bot die Patientin auch Zeichen eines chronischen Schmerzsyndroms, welches wahrscheinlich Grundlage für die Fehldiagnose einer RA war und so die wiederholten Steroidgaben zur Folge hatte.
Zusammengefasst stellt dieser Fall eindrucksvoll die mannigfaltigen Probleme und klinischen Manifestationen einer unkritisch verabreichten mittel- bis phasenweise hochdosierten Steroidtherapie ohne Indikation dar. Speziell der Nachweis eines „Rachitischen Rosenkranzes“, basierend auf Mikrofrakturen bei Vitamin-D-Mangel, ist heutzutage eine Rarität.