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47. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), 21. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC)

08.09. - 10.09.2016, Kassel

Der Einsatz von Konstrukten aus Spinnenseide-Scaffolds und Adipose-derived Stem Cells und mechanischer Stimulation im Tissue Engineering von Ligament- und Sehnengewebe

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Frederik Schlottmann - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Plastische, Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Hannover, Deutschland
  • Kerstin Reimers - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Plastische, Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Hannover, Deutschland
  • Christian Plaaß - Medizinische Hochschule Hannover, Orthopädische Klinik, Department für Fuß- und Sprunggelenkschirurgie, Hannover, Deutschland
  • Bastian Welke - Medizinische Hochschule Hannover, Orthopädische Klinik, Labor für Biomechanik und Biomaterialien, Hannover, Deutschland
  • Vincent Coger - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Plastische, Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Hannover, Deutschland
  • Sarah Strauß - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Plastische, Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Hannover, Deutschland
  • Peter M. Vogt - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Plastische, Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Hannover, Deutschland
  • Jörn W. Kuhbier - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Plastische, Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Hannover, Deutschland

Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen. Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen. 47. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), 21. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC). Kassel, 08.-10.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc169

doi: 10.3205/16dgpraec169, urn:nbn:de:0183-16dgpraec1693

Veröffentlicht: 27. September 2016

© 2016 Schlottmann et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Durch Trauma und degenerative Veränderungen im Bereich des Bindegewebes, insbesondere von Sehnen und Ligamenten, können funktionelle Beeinträchtigungen des muskuloskelettalen Systems bis hin zu weiteren degenerativen Veränderungen entstehen. Eine Funktionswiederherstellung kann häufig nur durch bewegungseinschränkende rekonstruktive Eingriffe bzw. die Verwendung von Ersatzgeweben erreicht werden, deren Einsatz mit einem Hebedefekt sowie einer limitierten Verfügbarkeit verbunden ist. Daher stellt das Tissue Engineering von Ligament- und Sehnengewebe einen vielversprechenden, translationalen Forschungsansatz dar.

Im Rahmen dieser Studie wurde ein Konstrukt aus Scaffolds aus Spinnenseide, Adipose-derived Stem Cells (ASC) und einem Kollagen I-Gel entwickelt und die Differenzierung von ASC zu Tenozyten mittels mechanischer Stimulation durch einen eigens dafür entwickelten Bioreaktor untersucht. Die zentrale Fragestellung war hierbei, inwiefern durch die Spinnenseide eine bessere Differenzierung und eine höhere mechanische Stabilität erreicht werden konnte.

Material und Methoden: Spinnenseide-Scaffolds wurden aus Dragline-Seide von Spinnen der Gattung Nephila edulis hergestellt und zusammen mit einem aus Rattenschwanzsehnen gewonnenen Kollagen I-Gel zu einem dreidimensionalen Konstrukt gegossen. Dem Gussansatz wurden zusätzlich ASC hinzugefügt, die aus humanem Fettgewebe, nach in unserer Klinik durchgeführten Abdominoplastiken mit Einverständnis des Patienten und Genehmigung der Ethikkommission, isoliert wurden. Um das Kontraktionsverhalten der Konstrukte sowie die optimal zu verwendende Zellzahl zu bestimmen, wurden in einem Vorversuch die Eigenschaften von Konstrukten mit 5x105 bzw. 5x106 ASCs ohne mechanische Stimulation über einen Zeitraum von 30 Tagen evaluiert. Nach einer Inkubationszeit von 9 Tagen zur Adhäsion und Proliferation von Zellen auf den Scaffolds wurde in einer Gruppe eine mechanische Stimulation der Konstrukte über einen Zeitraum von 21 Tagen durch einen für diesen Zweck angefertigten Bioreaktor durchgeführt, während parallel in einer Kontrollgruppe keine mechanische Stimulation durchgeführt wurde. Nach 30 Tagen erfolgte eine Evaluierung der Zellvitabilität mittels LIFE/DEAD-Essay sowie histologischen und immunhistochemischen Färbungen. Die Differenzierung von ASC in Tenozyten wurden mittels quantitativer Realtime-PCR für Sehnen spezifische Gene verifiziert. Zudem wurde eine biomechanische Untersuchung durchgeführt, um die mechanische Belastbarkeit der Konstrukte zu determinieren.

Ergebnisse: In den Vorversuchen zeigte sich ein ausgeprägtes Kontraktionsverhalten der Konstrukte, wobei diese Kontraktion in den Ansätzen mit der geringeren Anzahl von ASC am geringsten war. Daher wurden lediglich 5x105 ASCs für alle folgenden Versuche verwendet. Insgesamt zeigten die Konstrukte ohne Spinnenseide eine deutlich geringere mechanische Belastbarkeit.

Nach einer mechanischen Stimulation durch den Bioreaktor über einen Zeitraum von 21 Tagen, konnte mittels LIFE/DEAD-Färbung eine hohe Zellvitabilität von über 95% gezeigt werden. Des Weiteren konnte eine Ausrichtung der Zellen entlang der Spinnenseidefäden sowie der Kollagenfibrillen entlang der Richtung des mechanischen Stimulus beobachtet werden. Durch weitere histologische Aufarbeitungen konnte die Anordnung der Zellen in Form von kleinen Zellclustern dargestellt werden und bestätigte die Orientierung entlang der Achse der mechanischen Stimulation. Zusätzlich konnte die Ausbildung von länglichen Zellfortsätzen beobachtet werden, entsprechend einer Tenozyten-ähnlichen Morphologie. Konstrukte ohne Spinnenseide zeigten im Gegensatz hierzu eine ungleichmäßig verteilte Zellanordnung. Die untersuchte Genexpression konnte Sehnen-spezifische Marker nachweisen.

Schlussfolgerungen: Die ausgeprägte Kontraktion unserer Konstrukte lässt sich am ehesten durch das Vorliegen von Zellclustern, das Ausbilden von länglichen Zellfortsätzen der Zellen untereinander, sowie die Autokontraktion der Kollagen-Gele erklären. Insgesamt zeigten die Spinnenseidekonstrukte eine höhere mechanische Belastbarkeit gegenüber den Kontrollen sowie eine geordnetere Orientierung sowohl der Zellen als auch der Kollagenfibrillen. Die große mechanische Belastbarkeit sowie die hervorragende, sogar dem Nahtmaterial Vicryl® überlegene Bioverträglichkeit von Spinnenseide in Kombination mit der hohen Proliferationsrate der multipotenten ASC, stellt einen vielversprechenden Ansatz für die Entwicklung eines funktionellen Implantates an.