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45. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), 19. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC), 52. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie (ÖGPÄRC)

11.09. - 13.09.2014, München

Möglichkeiten und Grenzen der Verbrennungschirurgie bei Verdacht auf toxisch epidermale Nekrolyse oder Graft versus Host Disease mit Befall von >90% der Körperoberfläche

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Tobias R. Mett - Hannover, Deutschland
  • Adina Biering - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Hannover, Deutschland
  • Jörn W. Kuhbier - Hannover, Deutschland
  • Peter M. Vogt - Hannover, Deutschland
  • Christine Radtke - Hannover, Deutschland

Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen. Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen. Österreichische Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie. 45. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), 19. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC), 52. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie (ÖGPRÄC). München, 11.-13.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. Doc265

doi: 10.3205/14dgpraec179, urn:nbn:de:0183-14dgpraec1799

Veröffentlicht: 3. September 2014

© 2014 Mett et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Im klinischen Alltag sind die Erstmanifestationen einer epidermalen toxischen Nekrolyse (TEN) und kutanen Graft versus Host Krankheit (GvHD) häufig schwer von einander zu unterscheiden. Differentialdiagnostisch muss zu Beginn das Stevens-Johnson Syndrom (SJS) in Betracht gezogen werden, bei dem durch die Epidermolyse großflächige Wunden entstehen können, die operativ zu behandeln sind. Das SJS zeigt in der Regel jedoch einen milderen Verlauf. Es sind wenige Fälle dokumentiert, bei denen eine massive TEN nach Knochenmarktransplantation auftrat. Stets führt die Differentialdiagnose der GvHD zu einer zusätzlichen Herausforderung in der Behandlung von immunsupprimierten Patienten. Diese lebensgefährliche Komplikation der Knochenmarktransplantation erfordert die enge Zusammenarbeit zwischen der Hämatoonkolgie, Infektiologie und platsichen Chirurgen mit der Verbrennungsintensivmedizin. Die möglichst frühe operative Behandlung und Diagnosesicherung erscheint wesentlich für eine erfolgreiche Therapie, wobei diese Komplikation mit einer 100% -igen Mortalität beschrieben wird.

Der Fall E.S. (männlich, 12a): Der vorzustellende Patient wurde aufgrund eines frühen kombinierten Knochenmarkrezidives einer ALL mit Befall des rechten Hodens mittels Knochenmarkspende eines HLA-identischen Geschwisterkindes in kompletter Remission transplantiert. Der Posttranplantationsverlauf verlief zunächst unkompliziert, als GvHD-Prophylaxe wurde Ciclosporin A (3mg/kg/Tag, ab Tag -1) mit Zielspiegel 50-80 ng/ml verabreicht. 20 Tage nach Transplantation setzte die Regeneration der Leukozyten ein, welches im normalen Zeitrahmen war. Zu diesem Zeitpunkt zeigten sich Zeichen einer akuten Haut-GvHD zunächst Grad I-II nach Glucksberg mit Rötung der Oberschenkel, Arme und Handflächen, so dass die bestehende Immunsuppression erhöht (CsA-Zielspiegel 100-150 ng/ml) und mit Prednisolon (2 mg/kg/d) begonnen wurde. An Tag +25 Progression der Haut-GvHD bis Grad 4, so dass eine weitere Eskalation der Immunsuppression durch Mycophenolatmofetil nach Prednisolon-Stoßtherapie erfolgte. Zudem wurde E.S. breit antimykotisch und antibiotisch abgeschirmt. Bei ausbleibender Besserung zweimalige Transplantation von mesenchymalen Stammzellen und an Tag +28 bei extensiver Blasenbildung mit Beteiligung von >90% der Körperoberfläche (KOF) intensivmedizinische Betreuung, Beurteilung und Mitbehandlung durch die plastischen Chirurgen der Verbrennungsintensivstation (Abbildung 1 [Abb. 1]).

Es erfolgte die Aufnahme in die Hydrotherapie zum ausgiebigen Débridement und Wundbehandlung mittels Biobrane (© Smith and Nephew). Bereits während der ersten Operation wurden Probeexzisionen der Haut entnommen und zur pathohistologischen Beurteilung eingeschickt. Im Verlauf wurden multiple Verbandswechsel mit rezidivierend desinfizierenden Waschungen sowie Fettgazeverbänden durchgeführt. Stets zeigte sich eine voranschreitende Heilungstendenz und Epithelialisierung der Haut. Eine Reaktivierung einer Herpes zoster Infektion wurde im Bereich der linken Schulter verzeichnet. Entsprechend wurde der Patient mit Aciclovir behandelt. Aus plastisch chirurgischer Sicht entwickelte sich die Haut mit wenigen herpesbedingten Einschränkungen sehr gut. Histologisch wurde im Verlauf eine GvHD ausgeschlossen und eine TEN bestätigt. Während keine weitere Abstoßungsreaktion festgestellt wurde, konnte eine schwere Herpes simplex Pneumonie nicht therapeutisch abgefangen werden, sodass der Patient 2½ Monate nach Stammzelltransplantation an dieser Komplikation verstarb.

Diskussion: GvHD und TEN sind gefürchtete und lebensbedrohliche Komplikation nach Stammzelltransplantation und initial häufig schwer von einander zu unterscheiden. Die frühe Behandlung durch ein verbrennungschirurgisches Team und entsprechender Intensivmedizin sind unabdingbar. In dem geschilderten Fall konnte durch Verbrennungsintensivmedizin und -Chirurgie trotz des extensiven Befalls eine stabile und vital-verträgliche Situation geschaffen werden. Die frühe histologische Diagnosesicherung ist für die erfolgreiche Therapie zielführend, jedoch nicht immer eindeutig. Während die GvHD durch Eskalieren der Immunsuppression eingedämmt werden kann, so ist das toxische Agens der TEN im Rahmen der breiten antibiotischen, antiviralen, antimykotischen und immunsuppressiven Therapie häufig schwer zu identifizieren. In den bereits veröffentlichten Fallserien wurden sowohl Antibiotika, Antimykotika als auch Antiepileptika und Imatinib verdächtigt, Initiatoren einer TEN zu sein. Auch im berichteten Fall kann der Auslöser nicht mit Sicherheit bestimmt werden.

Zusammenfassend ist diese schwere Komplikation durch fachgerechte Intensivmedizin und Betreuung durch ein plastisch- chirurgisches Verbrennungsteam kontrollierbar und bleibt trotzdem mit einer hohen Mortalität assoziiert. Als Basis einer kausalen Therapie der TEN ist das bessere Verständnis des pathogenetischen Hintergrundes erforderlich.