gms | German Medical Science

45. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), 19. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC), 52. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie (ÖGPÄRC)

11.09. - 13.09.2014, München

Der klinische Einsatz der Multi-Komponenten-Nervenleitschiene „NeuroMaix“: Vorstellung des translationalen humanen N. suralis Biopsie Implantationsmodells und Präsentation erster klinischer Ergebnisse

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Ahmet Bozkurt - Aachen, Deutschland
  • Sabien van Neerven - Uniklinik RWTH Aachen, Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie, Aachen, Deutschland
  • Kristl G. Claeys - Uniklinik RWTH Aachen, Neurologische Klinik, Institut für Neuropathologie, JARA – Translational Brain Medicine, Aachen, Deutschland
  • Dan mon O’Dey - Luisenhospital Aachen, Zentrum für Rekonstruktive Chirurgie der weiblichen Geschlechtsmerkmale, Aachen, Deutschland
  • Angela Sudhoff - Uniklinik RWTH Aachen, Clinical Trial Center Aachen (CTC-A), Aachen, Deutschland
  • Simone Schrading - Uniklinik RWTH Aachen, Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Aachen, Deutschland
  • Arne Böcker - Uniklinik RWTH Aachen, Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie, Aachen, Deutschland
  • Gary A. Brook - Uniklinik RWTH Aachen, Institut für Neuropathologie, JARA – Translational Brain Medicine, Aachen, Deutschland
  • Bernd Sellhaus - Uniklinik RWTH Aachen, Institut für Neuropathologie, JARA – Translational Brain Medicine, Aachen, Deutschland
  • Jörg B. Schulz - Uniklinik RWTH Aachen, Neurologische Klinik, JARA – Translational Brain Medicine, Clinical Trial Center Aachen (CTC-A), Aachen, Deutschland
  • Joachim Weis - Uniklinik RWTH Aachen, Institut für Neuropathologie, JARA – Translational Brain Medicine, Aachen, Deutschland
  • Norbert Pallua - Aachen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen. Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen. Österreichische Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie. 45. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), 19. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC), 52. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie (ÖGPRÄC). München, 11.-13.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. Doc283

doi: 10.3205/14dgpraec112, urn:nbn:de:0183-14dgpraec1129

Veröffentlicht: 3. September 2014

© 2014 Bozkurt et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Einleitung: In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl bioartifizieller Nervenersatzverfahren entwickelt. Trotz enormer Anstrengungen in der translationalen Forschung ist die klinische Anwendung und Akzeptanz von sog. „Nervenröhrchen“ oder alloplastischer Nerven limitiert. Im Gegensatz zu standardisierten tierexperimentellen Versuchsaufbauten beruht dies nicht zuletzt auf der limitierten Vergleichbarkeit in der klinischen Anwendung (Verletzung unterschiedlicher Nerven, unterschiedliche Defektgrößen etc). Daher besteht ein Bedarf für ein humanes Modell zur klinischen Erprobung neu entwickelter sowie zum klinischen Vergleich bereits entwickelter Nervenersatzverfahren. In diesem Zusammenhang präsentieren wir nach über 10 Jahren interdisziplinärer Forschungsarbeit erste Ergebnisse einer „First in human“-Studie zum klinischen Einsatz der Multi-Komponenten-Nervenleitschiene „NeuroMaix“. Das Ziel dieser klinischen Studie sind erste Aussagen zu Sicherheit und Wirksamkeit von Neuromaix bei der Behandlung sensibler Nervendefekte. Des Weiteren stellen wir das modifizierte N. suralis-Nervenbiopsie als standardisiertes und reproduzierbares klinisches Implantationsmodell zur translationalen Erprobung von Nervenleitschienen vor.

Methoden: Die Multikomponenten Nervenleitschiene NeuroMaix besteht aus einem äußeren Epineuriumersatz sowie einer inneren Leitstruktur mit longitudinaler Porenstruktur auf Kollagenbasis und wurde in Kooperation mit der Matricel GmbH (Herzogenrath) im Rahmen eines BMBF-Förderprojektes entwickelt. In der vorliegenden Studie wurde NeuroMaix in den Maßen 4 cm x3mm (LängexDurchmesser) eingesetzt. Nach Genehmigung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und Genehmigung durch die zuständige Ethikkommission wurde NeuroMaix bei n=20 Patienten nach einer Nervenbiopsie implantiert. In Kooperation mit dem Neuromuskulären Zentrum Aachen und nach der Indikationsstellung zur Nervenbiopsie bei unklarer Polyneuropathie (Ausschlußkriterium:70 J, alkohol-bedingte/diabetische/paraneoplastische PNP etc) wurde bei diesen Patienten eine Nervenbiospie (2 cm Länge) am proximalen Unterschenkel in Lokalanästhesie unter ambulanten Bedingungen durchgeführt. Anschließend erfolgte die sofortige mikrochirurgische Rekonstruktion des entstandenen Nervendefektes mit der NeuroMaix-Nervenleitschiene in der Entubulisationstechnik. Nachuntersuchungen erfolgten im intraindividuellen Vergleich (operierte vs. nicht-operierte Seite) präoperativ sowie nach 1,3,6,9 und 12 Monaten unter Verwendung multimodaler Untersuchungstechniken: Nozizeption (VAS-Skala), Ausmaß des Sensibilitätsverlustes an der Fußaußenkante (Auflösungsvermögen: statische/dynamische 2-Punkte-Diskrimination, Druck: Semmes-Weinstein Test, Thermozeption: warm-kalt, Vibration: Stimmgabeltest) sowie Ultraschalluntersuchungen.

Ergebnisse: Das N. suralis Nervenbiopsiemodell am proximalen Unterschenkel stellte sich aufgrund der regelmäßigen Anatomie des N. cutaneus surae medialis und der guten Weichteilabdeckung (subfaszial) als klinisch sicheres Modell zur Implantation und Erprobung von Nervenleitschienen dar. Weiterhin kann aufgrund der Anatomie des N. cutaneus surae medialis ein Nervendefekt (je nach Bedarf) von mehr als 10 cm frei gewählt werden.

Erste klinische Ergebnisse nach Implantation der Neuromaix Nervenleitschiene zeigten bis zu 6 Monate nach Implantation bei allen Patienten (100%) eine regelrechte Wundheilung ohne Wundheilungsstörungen (Hämatome, Nekrosen etc), Fremdkörperreaktionen, Allergien etc. Die neuropathologische Aufarbeitung ergab bei allen Patienten (100%) regenerierende axonale Cluster in den Biopsaten als Beleg für das Regenerationsvermögen der biopsierten Suralisnerven. Sonographische Nachuntersuchungen zeigten den Kontinuitätserhalt der Nervenleitschiene ohne Anhalt für eine Dislokation.

Schlussfolgerungen: Das hier vorgestellte Konzept zeichnet sich durch eine Reihe von Eigenschaften aus:

1.
Vorläufige Studienergebnisse belegen eine hohe Sicherheit im klinischen Einsatz der Neuromaix-Nervenleitschiene. Hinsichtlich der Safety-Phase (1–3 Monate) konnte eine regelrechte Wundheilung ohne Wundheilungsstörungen festgestellt werden. Über das Ausmaß der sensiblen Regeneration des N. suralis ist aufgrund der langen Distanz (>35 cm) zwischen Nervendefekt (proximaler Unterschenkel) und Innervationsgebiet (Fußaußenkante) erst nach Abschluss der Performance-Phase (>12–18 Monate) zu urteilen.
2.
Das vorgestellte humane N. suralis Biopsie Nervenmodell ist ein sicheres, standardisierbares und valides klinisches Modell zur translationalen Erprobung peripherer Nervenleitschienen oder alternativer Nervenersatzverfahren. Die neuropathologischen Histologiebefunde belegen, daß eine Nervenregeneration bei Patienten mit einer Polyneuropathie gegeben ist. Das vorliegende Modell hat für alle Beteiligte Vorteile: Auf der einen Seite können auf ärztlicher Seite unter Berücksichtigung von Ein-und Ausschlusskriterien Nervenersatzverfahren klinisch erprobt werden. Auf der anderen Seite können Patienten mit einer Nervenbiopsie eine Rekonstruktion und eine mögliche Wiederherstellung der Funktion des N. suralis angeboten werden.