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45. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), 19. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC), 52. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie (ÖGPÄRC)

11.09. - 13.09.2014, München

Die Wundauflage der Zukunft aus dem Chemiekasten der Natur – Spinnenseide in der Wundheilung

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Jörn W. Kuhbier - Hannover, Deutschland
  • Christina Liebsch - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Hannover, Deutschland
  • Anja Hillmer - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Hannover, Deutschland
  • Karl-Heinz Waldmann - Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, Klinik für kleine Klauentiere, Hannover, Deutschland
  • Kerstin Reimers - Medizinische Hochschule Hannover, PHW, Hannover, Deutschland
  • Christine Radtke - Hannover, Deutschland
  • Peter M. Vogt - Hannover, Deutschland

Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen. Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen. Österreichische Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie. 45. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), 19. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC), 52. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie (ÖGPRÄC). München, 11.-13.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. Doc161

doi: 10.3205/14dgpraec058, urn:nbn:de:0183-14dgpraec0589

Veröffentlicht: 3. September 2014

© 2014 Kuhbier et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Die Spinnenseide der goldenen Radnetzspinne (Nephila spp.) zeichnet sich neben hervorragenden mechanischen Eigenschaften durch eine außergewöhnliche Biokompatibilität aus. Bereits in der Antike empfahlen Hippokrates von Kos und Galenos von Pergamon Spinnenseide als Wundauflage, eine Anwendung, die im Lauf der Geschichte in Vergessenheit geriet. In dieser Studie wurde diese Idee aufgegriffen und die Anwendung von Spinnenseide in der Wundheilung mittels moderner Methoden untersucht. Zudem wurde getestet, inwiefern Spinnenseide die Aussprossung von Gefäßen ermöglicht.

Material und Methoden: In einer Pilotstudie wurde zunächst eine chronische Wunde am Fuß einer indischen Laufente (Anas platyrhynchos) mit Spinnenseide behandelt. Diese entstand durch eine Pododermatitis aus einer Verletzung. Dabei wurde der Faden in zufälliger Knäuelung einmalig in die Wunde eingebracht und der Heilungsverlauf über zwei Monate fotografisch dokumentiert.

Anschließend wurde eine Verträglichkeitsstudie an 6 Schwarzkopfschafen (Ovis aries) durchgeführt, an deren Rücken 1, 9 und 16 cm² große vollschichtige Hautwunden erzeugt wurden. Jeweils einseitig wurden die Wunden entweder mit Spinnenseide versorgt oder der Sanatio per secundam intentionem überlassen. Nach jeweils 2, 4 und 6 Wochen wurden Hautbiopsien und nach 8 Wochen die gesamte Wundfläche entnommen. Diese Proben wurden jeweils histologisch und immunhistochemisch untersucht.

Zudem wurde die Möglichkeit der Neovaskularisation in Spinnenseide-Bündeln im Chorioallantoismembran-(CAM)-Modell im befruchteten Hühnerei getestet.

Ergebnisse: Die nicht heilende Wunde am Entenfuß zeigte chronische Entzündungszeichen mit nekrotischem Gewebeverlust. Die Spinnenseide verblieb bis zur Abheilung in der Wunde. Nach 3 Tagen zeigte sich bereits eine Regredienz der Entzündungszeichen und eine beginnende Verschorfung, nach 5 Tagen eine komplette Wundtrockenheit. Nach 8 Tagen zeigte sich eine vollständige Wundheilung, nach 8 Wochen letztlich eine Restitio ad integrum.

Die Wunden am Schafsrücken zeigten makroskopisch keine signifikanten Unterschiede in der Wundheilung, so dass von keinen negativen Effekten der Spinnenseide ausgegangen werden kann. In den histologischen Untersuchungen zeigte sich die geheilte Haut in der Spinnenseidegruppe sogar stärker epithelialisiert und in den spezifischen immunhistochemischen Färbungen auch stärker vaskularisiert.

Diese Ergebnisse konnten sich im CAM-Modell bestätigen. Hier zeigten die neu ausgesprossten Gefäße ein an den Seidenfäden orientiertes, gerichtetes Gefäßwachstum.

Diskussion: In der gezeigten Studie konnte zunächst in einem Pilotversuch eine chronische, vormals nicht heilende Wunde mittels Spinnenseide zur Abheilung gebracht werden. Dies kann womöglich durch eine Förderung der Neovaskularisation, wie sie in den histologischen Untersuchungen der Wunden am Schafsrücken und im CAM-Modell gefunden wurde, erklärt werden. Dabei dienen die Fäden der Spinnenseide Zellen als Adhäsions- und Leitstrukturen und können somit ein gerichtetes Wachstum fördern. Während in den normalen Wunden am Schafsrücken kein signifikanter Unterschied in Bezug auf die Geschwindigkeit des Wundverschlusses gefunden werden konnte, scheint die vermehrte Angiogenese in Problemwunden wie in der Pododermatitis der Ente letztlich den Unterschied auszumachen, ob die Wunde heilen kann oder nicht.

Die Ergebnisse dieser Studie decken sich bezüglich der geringen Immunreaktion und hohen Bioverträglichkeit mit bereits publizierten Studien, in denen Spinnenseide entweder als Einzelfäden oder geordnet als Netze subkutan am Rücken von Ratten implantiert wurden [1], [2]. Hier konnte bis auf eine geringe, für die Degradation notwendige Fremdkörperreaktion die niedrigste Immunreaktion gegenüber den Vergleichmaterialen gefunden werden. In einer Studie, die den Einsatz rekombinanter Spinnenseide in Brandwunden im Rattenmodell untersuchte, zeigten sich die rekombinanten Spinnenseideproteine dem Biomaterial Kollagen deutlich überlegen [3]. Da die Brandwunde auch als Problemwunde gesehen werden kann, scheint der Einsatz von Spinnenseide, wie auch in der vorliegenden Studie gezeigt, insbesondere hier besonders vorteilhaft zu sein.


Literatur

1.
Vollrath F, Barth P, Basedow A, Engström W, List H. Local tolerance to spider silks and protein polymers in vivo. In Vivo. 2002 Jul-Aug;16(4):229-34.
2.
Schäfer-Nolte F, Hennecke K, Reimers K, Schnabel R, Allmeling C, Vogt PM, Kuhbier JW, Mirastschijski U. Biomechanics and biocompatibility of woven spider silk meshes during remodeling in a rodent fascia replacement model. Ann Surg. 2014 Apr;259(4):781-92. DOI: 10.1097/SLA.0b013e3182917677 Externer Link
3.
Baoyong L, Jian Z, Denglong C, Min L. Evaluation of a new type of wound dressing made from recombinant spider silk protein using rat models. Burns. 2010 Sep;36(6):891-6. DOI: 10.1016/j.burns.2009.12.001 Externer Link