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45. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), 19. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC), 52. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie (ÖGPÄRC)

11.09. - 13.09.2014, München

6 Jahre Erfahrungen in der Anwendung des implantierbaren Peroneusstimulators ActiGait® zur Gangrehabilitation von chronischen Schlaganfallpatienten mit zentraler Fußheberparese

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Jennifer Ernst - Göttingen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen. Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen. Österreichische Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie. 45. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), 19. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC), 52. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie (ÖGPRÄC). München, 11.-13.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. Doc402

doi: 10.3205/14dgpraec032, urn:nbn:de:0183-14dgpraec0325

Veröffentlicht: 3. September 2014

© 2014 Ernst.
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Gliederung

Text

Einleitung: Das ActiGait® System ist ein teilimplantierbarer 4-Kanal Peroneusstimulator. Die Cuffelektrode besteht aus 4 Tripletts von Elektroden. Jedes Triplett repräsentiert einen Stimulationskanal. Eine entsprechende Software aktiviert einen einzelnen Kanal oder eine Kanalkombination. Ziel ist die Stimulation jener innerhalb der Cufflektrode liegenden peronealen Faszikel, die zu einer balancierten Dorsiflexion in der Schwungbeinphase des Gangzyklus führen. Der extern getragene Fersenschalter ist drucksensitiv und kontrolliert kabellos den Zeitpunkt der Stimulation. Der Impuls ist bipolar, hat eine Amplitude von 1.2 mA mit einer Impulsbreite von 0-255μs und einer Frequenz von 5–50 Hz. 20%–30% der Patienten in neurologischen Rehabilitationskliniken leiden langfristig unter den Folgen eines zentralen Fallfußes. Die konventionelle Therapie des Fallfußes besteht in der Verordnung einer Orthese. Seit 1961 beschrieben Liberson et al. (1961) als alternative Therapieoption des Fallfußes auf funktioneller Elektrostimulation (FES) basierende transkutan angewandte Systeme. Burridge et al. zeigten als erste den positiven Einfluss des ActiGaits® Systems auf Gangausdauer und – geschwindigkeit, ein in 2011 erschienener Case Report auf zunehmende Symmetrie und Variabilität der Bewegung in Knie- und Hüftgelenk. Eine Pilotstudie untersuchte mithilfe einer optoelektronischen Ganganalyse den Einfluss des Systems auf die Kinematik des oberen Sprunggelenks und verglich die FES basierte Therapie mit einer orthetischen Versorgung. Im folgenden werden die Erfahrungen und deren Einfluss in der Anwendung des ActiGait® Systems auf Screening, Planung, Implantationsprocedere, und Komplikationsmanagement berichtet.

Methoden: Im Rahmen der Neuroprothetik Sprechstunde der Klinik für Klinische Neurophysiologie an der Universitätsmedizin Göttingen wurden im Zeitraum von 2007 bis Februar 2014 Patienten mit einem zentralen Fallfuß auf Eignung zur Implantation eines Peroneusstimulators untersucht. Gemessen wurde das passive Bewegungsausmaß des OSG, Vorliegen eines initialen Fersenkontakt in der Standphase, Grad der Spastizität (modifizierte Ashworth Skala), Korrekturfähigkeit des Fallfußes durch transkutane peroneale Stimulation, Sicherung eines Restgehvermögens von mindestens 300 m mit oder ohne präoperative übliche Hilfsmittelversorgung. Präoperative MRT-Aufnahmen (3 Tesla) identifizieren das Bifurkationslevel des N. Ischiadicus in seine tibialen und peronealen Anteile. Für die Implantation wird der N. peroneus in 90° Seitlagerung in mikrochirurgischer Technik medial zur Bicepssehne oberhalb der Kniefalte dargestellt. Eine zweite Inzision proximal am lateralen Oberschenkel dient der subkutan Implantation des Stimulatorkörpers. Mithilfe eins Tunneling-Tools mit spitzem Konus wird die Strecke zur Kniekehle tunneliert. Nach intaroperativer Teststimulation erfolgt ein mehrschichtige Wundverschluss. Postoperativ wird die Knieflexion durch eine Kniegelenksorthese auf 30° limitiert. Weiterhin trägt der Patient zur Seromprophylaxe Antithrombosestrümpfe bis zur Systemaktivierung 21 Tage postoperativ.

Ergebnisse: Im Zeitraum von 2007 bis Februar 2014 wurden 47 Patienten mit zentraler Fußheberparese mit dem implantierbaren Peroneusstimulator ActiGait® versorgt. Die Gesamtanzahl an Implantationen beträgt 54. Die Anzahl der Reimplantationen beträgt 7. Weitere Komplikationen, die zu einer operativen Intervention führten waren technische Defekte des Implantats (n=6), postoperative Hämatome (n=2), Hämatom mit Neurapraxie (n=1), Neurotmesis (n=1), Wundinfektion (n=2), Fehlplatzierung (n=1), Implantatpenetration der Haut (n=1) sowie insuffiziente Stimulation durch inkorrekte Cuffgröße (n=1).

Diskussion: Innerhalb des Screeningverfahrens sind die Feststellung eines initialen Fersenkontakts in der Standbeinphase sowie die Korrekturfähigkeit des Fallfußes durch einen transkutan angewandten FES basierten Peroneusstimulator mit anschließender ambulanter Testphase wichtige Selektionsparameter und Prädiktoren für eine erfolgreiche Implantation.Die Kombination von präoperativen MRT-Aufnahmen und die intraoperative direkte Nervenstimulation haben sich zur Identifikation des N. peroneus und zur korrekten Positionierung der Cuffelektrode bewährt. In einem Fall kam es zur Fehlpositionierung der Cuffelektrode augfrund einer Fehlbeurteilung der stimulierten Bewegungsrichtung während der intraoperativen direkten Nervenstimulation. Dies führte zur Änderung der Abdeckung. Nach Einführung einer antimikrobieller Inzisionsfolien kam es zu keiner weiteren Wundinfektion. Die o.g. Komplikationen entsprechen dem Spektrum der Komplikationen im Rahmen von Implantationen peripherer Nervenstimulatoren. Die implantatbezogene und auf technische Defekte zurückzuführende Komplikationsrate beträgt 11,1%, die Komplikationsrate aufgrund der chirurgischen Prozedur 12,96%. Komplikationsraten bei Implantationen von Vagusstimulatoren (n=118) liegen zwischen 19% (technische Komplikationen) und 5,7% (chirurgische Prozedur) somit bei eingeschränkter Vergleichbarkeit der Implantate im ähnlichen Rahmen. Seit einer Überarbeitung des Implantats durch den Hersteller (Coiling des Kabels, Lötstellen der Elektroden und Metallringe zur Stabilisation der Fixationsstellen) wurde kein weiterer implantatbezogener/technischer Defekt bis auf einen Keramikbruch nach Sturz verzeichnet. Die vergleichsweise höhere Komplikationsrate im Rahmen der chirurgischen Prozedur führten zu o.g. Änderungen der Prozedur und zur Einführung eines tiefen Wundverschlusses um die Cuffelektrode zusätzlich im subkutanen Fettgewebe zu fixieren. Postoperative Hämatome entstanden jeweils bei zu frühem Wiederbeginn oder zu hochdosierten Antikoagulation der Patienten und sind somit eher nicht direkt auf die chirurgischen Prozedur zurückzuführen. Die Wundinfektionen sind sämtlich spätpostoperativ aufgetreten (>3 Wochen). Der positive Einfluss des ActiGait® Systems auf Ganggeschwindigkeit und -ausdauer sowie die Kinematik der Gelenke der unteren Extremität rechtfertigen das operative Risiko. Das ActiGait System ist eine aktive Therapiealternative zur Korrektur einer zentralen Fußheberschwäche.