gms | German Medical Science

44. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen e. V. (DGPRÄC), 18. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen e. V. (VDÄPC)

12.09. - 14.09.2013, Münster

Die modifizierte Babysitter-Prozedur: eine Lösung für die distale Verletzung des Nervus medianus?

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Benedicta E. Beck-Broichsitter - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Kiel, Deutschland
  • Victor Leckzik - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Kiel, Deutschland
  • Stefano Geuna - Universität, Turin, Deutschland
  • Stephan T. Becker - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Kiel, Deutschland
  • Jörg Wiltfang - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Kiel, Deutschland
  • Nektarios Sinis - St. Marien Krankenhaus, Plastische-, Hand- und Rekonstruktive Mikrochirurgie, Berlin, Deutschland

Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen. Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen. 44. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), 17. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC). Münster, 12.-14.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocFV 35

doi: 10.3205/13dgpraec042, urn:nbn:de:0183-13dgpraec0420

Veröffentlicht: 10. September 2013

© 2013 Beck-Broichsitter et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Einleitung: Die Wiederherstellung von gemischt-peripheren Nerven nach traumatischen Verletzungen stellt die Rekonstruktive Mikrochirugie noch immer vor zwei große Herausforderungen: Zum einen stellt das autologe Nerventransplantat nach wie vor den Goldstandard bei der Wiederherstellung des verletzten Nerven dar, wobei aufgrund des begrenzten Spendermaterials eine umfangreichere und vollständige Rekonstruktion nicht immer möglich. Zum anderen stehen derartige Nervenschädigungen sehr häufig im Zusammenhang mit weiteren z. T. lebensbedrohlichen Verletzungen, die im Rahmen der Polytraumaversorgung vorranging versorgt werden. Hierdurch entstehen unter Umständen längere zeitliche Intervalle, die bis zu einer Rekonstruktion vergehen können. Ist der Zielmuskel des verletzten Nerven jedoch für längere Zeit unversorgt, kann es zu irreversiblen, degenerativen Veränderungen des Muskels kommen. Die irreversible Degeneration der Muskulatur konnte bei der Fazialisparese durch die Babysitter-Prozedur nach Terzis et al. sowie in der proximalen Verletzung des Plexus brachialis durch die `kurzen Nerventransfers`, wie der Oberlin-Prozedur aufgehalten werden.

Fragestellung: In einem Rattenmodell sollte eine modifizierte Babysitterprozedur am distal durchtrennten Nervus medianus durchgeführt werden, bie der ein sensibler Hautnerv für einen begrenzten Zeitraum auf den distalen stumpf des N. medianus koaptiert wurde. Es sollte untersucht werden, ob die sensible Protektion die Atrophie und Degeneration des Muskels aufzuhalten vermag und somit die Denervierungszeit nach Nervverletzungen umgangen werden kann.

Material und Methoden: Bei 20 weiblichen Wistar Ratten wurde der rechte Nervus medianus über eine Distanz von 1cm knapp proximal der Ellenbeuge durchtrennt. Bei der Kontrollgruppe erfolgte nach Denervierung der Wundverschluss indem ein 20 mm langes Segment des Nerven zusätzlich entfernt wurde, um ein Defeltstrecke zur produzieren, die eine spontane Regeneration ausschließt. In der Babysitter-Gruppe wurde zusätzlich eine mikrochirurgische Koaptation zwischen dem distalen Nervstumpf des N. medianus und dem N. cutaneus brachii durchgeführt, nachdem hier ebenfalls ein 20 mm langes Stück am N. medianus nach proximal hin entfernt wurde. Sechs Wochen später wurde in der Kontrollgruppe eine mikrochirurgische Rekonstruktion des rechten N. medinaus vorgenommen, indem ein ca. 22 mm langes Transplantat am linken N. medianus entnommen wurde. Dieses Transplantat wurde dann mit je einer 11-0er Naht als autologes Nerventransplantat in die Defektstrecke des re. N. medianus eingenäht. In der Babysitter-Gruppe wurde nach Lösung der senso-motorischen Koaptation ebenso vorgegangen. Über 15 Wochen wurde darauf folgend wöchentlich das Gewicht und die Greifkraft gemessen. Nach Ende des Untersuchungszeitraumes wurden die Tiere getötet und der M. flexor digitorum sublimis exzidiert und gewogen. Der rechte N. medianus wurde entnommen und histologisch untersucht.

Ergebnisse: Sowohl die Greifkraft am Ende der Studie (p= 0,0345), als auch die Gewichte der exzidierten Muskeln (p= 0,0002) waren zugunsten der Babysitter-Gruppe statistisch signifikant höher als in der Kontrollgruppe. Die histomorphometrische Untersuchung des N. medianus ergab in der Babysitter-Gruppe einen statistisch signifikant größeren Durchmesser sowohl der Axone (p= 0,0194) als auch der Nervenfasern (p= 0,0184) und der Nervenfaseroberfläche (p= 0,0409) im Vergleich zur Kontrollgruppe.

Schlussfolgerungen: Aus diesen Ergebnissen lässt sich schließen, dass die sensible Protektion eines motorischen Nerven möglich zu sein scheint. Obwohl die motorischen und sensiblen Nervenfasern unterschiedliche morphologische und funktionelle Charakteristika aufweisen, scheint der Stoffwechsel der sensiblen Nervenfaser elektrophysiologisch auszureichen, die Degeneration des denervierten Muskels aufzuhalten. Es sind noch weitere Studien notwendig, um zu evaluieren, wie lange diese Technik degenerative Vorgänge am Zielmuskel aufhalten kann und ob die sensiblen Axone spezifisch in die motorische Endplatte einwachsen können.