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Asymmetrische und unilaterale kindliche Hörstörungen: Audiologische Faktoren und typische Hörkurven
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Veröffentlicht: | 20. August 2024 |
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Gliederung
Zusammenfassung
Hintergrund: Bei asymmetrischen und unilateralen kindlichen Hörstörungen (AHS, UHS) können gravierende interaurale Unterschiede im Schweregrad der Hörstörung (HS) bestehen. Diese können sich negativ auf die Sprachwahrnehmung und die räumliche Orientierung auswirken. Bis heute sind Kinder mit AHS und UHS klinisch nicht hinreichend charakterisiert. Diese Arbeit soll auf Grundlage einer retrospektiven Analyse des Deutschen Zentralregisters für kindliche Hörstörungen einen Überblick über audiologische Faktoren in einer großen Population von Kindern mit AHS und UHS liefern. Eine explorative Hörkurvenklassifikation soll außerdem die häufigsten Hörkurventypen sowie individuelle Verläufe abbilden.
Material und Methoden: Kinder mit einer AHS (n=659) und Kinder mit einer UHS (n=2660) wurden mit folgenden Kriterien im Register identifiziert: AHS = mindestens 20 dB Hörverlust auf beiden Ohren, mindestens 30 dB interaurale Differenz bei mindestens 2 Frequenzen (0.5–4 kHz); UHS = mindestens 20 dB Hörverlust auf nur einem Ohr, mindestens 10 dB interaurale Differenz (PTA4). Audiologische Faktoren des Registers wurden innerhalb der Gruppen deskriptiv analysiert. Die explorative Hörkurvenklassifikation umfasste hierarchisches Clustering und Zuordnung zu Standardhörkurven.
Ergebnisse: Bezüglich der audiologischen Faktoren bestand zwischen den AHS- und UHS-Gruppen weitestgehend Homogenität. Jedoch lagen bei Kindern mit weiteren Beeinträchtigungen (n=351 für AHS, n=1197 für UHS) weit mehr konduktive (8% für AHS, 31% für UHS) und kombinierte HS vor (16% für AHS, 9% für UHS). Die vorläufige Hörkurvenklassifikation ergab in beiden Gruppen vor allem Varianten von Hochtonschrägabfall und pantonalen Hörkurventypen. Das Vorliegen weiterer Beeinträchtigungen oder die interaurale Differenz (in dB, nur AHS) schienen nicht entscheidend für den Hörkurventyp. Bei 74% der Kinder mit AHS wurden interaural unterschiedliche Hörkurventypen zugeordnet.
Diskussion: Die vorläufigen Ergebnisse zur Charakterisierung von Kindern mit AHS und UHS verweisen auf die Notwendigkeit einer subgruppen-spezifischen Betrachtung (etwa mit weiteren/ohne weitere Beeinträchtigungen). Interaural unterschiedliche Hörkurven bei Kindern mit AHS waren häufig und können etwa bei der Einschätzung der binauralen Hörleistung Berücksichtigung finden. Weiterführend sollen mögliche Zusammenhänge zwischen Ätiologie, audiologischen Faktoren und Hörkurventypen untersucht werden.
Text
Hintergrund
Bei asymmetrischen und unilateralen kindlichen Hörstörungen (AHS, UHS) können gravierende interaurale Unterschiede im Schweregrad der Hörstörung (HS) bestehen. Diese Unterschiede können sich negativ auf die Sprachwahrnehmung und die räumliche Orientierung auswirken [1], [2], [3], [4]. Bis heute sind Kinder mit AHS und UHS klinisch nicht hinreichend charakterisiert. Diese Arbeit soll auf Grundlage einer retrospektiven Analyse des Deutschen Zentralregisters für kindliche Hörstörungen einen Überblick über audiologische Faktoren in einer großen Population von Kindern mit AHS und UHS liefern. Eine explorative Hörkurvenklassifikation soll außerdem die häufigsten Hörkurventypen sowie individuelle Verläufe abbilden.
Material und Methoden
Kinder mit einer AHS (n=659) und Kinder mit einer UHS (n=2660) wurden mit folgenden Kriterien im Register identifiziert:
- AHS: mindestens 20 dB Hörverlust (HL) auf beiden Ohren, mindestens 30 dB interaurale Differenz bei mindestens zwei Frequenzen (0.5 bis 4 kHz)
- UHS: mindestens 20 dB HL auf einem Ohr und das zweite Ohr normalhörend (<20 dB), mindestens 10 dB interaurale Differenz im mittleren Luftleitungshörverlust (0.5 bis 4 kHz).
Audiologische Faktoren des Registers wurden innerhalb der Gruppen deskriptiv analysiert. Die explorative Hörkurvenklassifikation (n=999 Ohren) umfasste hierarchisches Clustering und Zuordnung zu Standardhörkurven [5].
Ergebnisse
Bezüglich der audiologischen Faktoren bestand zwischen den AHS- und UHS-Gruppen weitestgehend Homogenität. Jedoch lagen bei Kindern mit weiteren Beeinträchtigungen (n=351 für AHS, n=1197 für UHS) weit mehr konduktive (8% für AHS, 31% für UHS) und kombinierte HS vor (16% für AHS, 9% für UHS) als bei Kindern ohne weitere Beeinträchtigungen. Die vorläufige Hörkurvenklassifikation ergab in beiden Gruppen vor allem Varianten von Hochtonschrägabfall und pantonalen Hörkurventypen. Das Vorliegen weiterer Beeinträchtigungen oder die interaurale Differenz (in dB HL, nur AHS) schienen nicht entscheidend für den Hörkurventyp zu sein. Bei 74% der Kinder mit AHS wurden interaural unterschiedliche Hörkurventypen zugeordnet.
Diskussion/Fazit
Die vorläufigen Ergebnisse zur Charakterisierung von Kindern mit AHS und UHS verweisen auf die Notwendigkeit einer subgruppen-spezifischen Betrachtung (etwa mit weiteren / ohne weitere Beeinträchtigungen). Interaural unterschiedliche Hörkurven bei Kindern mit AHS waren häufig und können etwa bei der Einschätzung der binauralen Hörleistung Berücksichtigung finden [6]. Weiterführend sollen mögliche Zusammenhänge zwischen Ätiologie, audiologischen Faktoren und Hörkurventypen untersucht werden.
Literatur
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