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40. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

12.09. - 15.09.2024, Berlin

Asymmetrische und unilaterale kindliche Hörstörungen: Audiologische Faktoren und typische Hörkurven

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Laura Hahn - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland
  • Mario Fleischer - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland
  • Friederike Wohlfarth - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland
  • Claudia Männel - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland
  • Jonas Althaus - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland
  • Dirk Mürbe - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland
  • Anke Hirschfelder - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland

40. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Berlin, 12.-15.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocV33

doi: 10.3205/24dgpp43, urn:nbn:de:0183-24dgpp435

Veröffentlicht: 20. August 2024

© 2024 Hahn et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Bei asymmetrischen und unilateralen kindlichen Hörstörungen (AHS, UHS) können gravierende interaurale Unterschiede im Schweregrad der Hörstörung (HS) bestehen. Diese können sich negativ auf die Sprachwahrnehmung und die räumliche Orientierung auswirken. Bis heute sind Kinder mit AHS und UHS klinisch nicht hinreichend charakterisiert. Diese Arbeit soll auf Grundlage einer retrospektiven Analyse des Deutschen Zentralregisters für kindliche Hörstörungen einen Überblick über audiologische Faktoren in einer großen Population von Kindern mit AHS und UHS liefern. Eine explorative Hörkurvenklassifikation soll außerdem die häufigsten Hörkurventypen sowie individuelle Verläufe abbilden.

Material und Methoden: Kinder mit einer AHS (n=659) und Kinder mit einer UHS (n=2660) wurden mit folgenden Kriterien im Register identifiziert: AHS = mindestens 20 dB Hörverlust auf beiden Ohren, mindestens 30 dB interaurale Differenz bei mindestens 2 Frequenzen (0.5–4 kHz); UHS = mindestens 20 dB Hörverlust auf nur einem Ohr, mindestens 10 dB interaurale Differenz (PTA4). Audiologische Faktoren des Registers wurden innerhalb der Gruppen deskriptiv analysiert. Die explorative Hörkurvenklassifikation umfasste hierarchisches Clustering und Zuordnung zu Standardhörkurven.

Ergebnisse: Bezüglich der audiologischen Faktoren bestand zwischen den AHS- und UHS-Gruppen weitestgehend Homogenität. Jedoch lagen bei Kindern mit weiteren Beeinträchtigungen (n=351 für AHS, n=1197 für UHS) weit mehr konduktive (8% für AHS, 31% für UHS) und kombinierte HS vor (16% für AHS, 9% für UHS). Die vorläufige Hörkurvenklassifikation ergab in beiden Gruppen vor allem Varianten von Hochtonschrägabfall und pantonalen Hörkurventypen. Das Vorliegen weiterer Beeinträchtigungen oder die interaurale Differenz (in dB, nur AHS) schienen nicht entscheidend für den Hörkurventyp. Bei 74% der Kinder mit AHS wurden interaural unterschiedliche Hörkurventypen zugeordnet.

Diskussion: Die vorläufigen Ergebnisse zur Charakterisierung von Kindern mit AHS und UHS verweisen auf die Notwendigkeit einer subgruppen-spezifischen Betrachtung (etwa mit weiteren/ohne weitere Beeinträchtigungen). Interaural unterschiedliche Hörkurven bei Kindern mit AHS waren häufig und können etwa bei der Einschätzung der binauralen Hörleistung Berücksichtigung finden. Weiterführend sollen mögliche Zusammenhänge zwischen Ätiologie, audiologischen Faktoren und Hörkurventypen untersucht werden.


Text

Hintergrund

Bei asymmetrischen und unilateralen kindlichen Hörstörungen (AHS, UHS) können gravierende interaurale Unterschiede im Schweregrad der Hörstörung (HS) bestehen. Diese Unterschiede können sich negativ auf die Sprachwahrnehmung und die räumliche Orientierung auswirken [1], [2], [3], [4]. Bis heute sind Kinder mit AHS und UHS klinisch nicht hinreichend charakterisiert. Diese Arbeit soll auf Grundlage einer retrospektiven Analyse des Deutschen Zentralregisters für kindliche Hörstörungen einen Überblick über audiologische Faktoren in einer großen Population von Kindern mit AHS und UHS liefern. Eine explorative Hörkurvenklassifikation soll außerdem die häufigsten Hörkurventypen sowie individuelle Verläufe abbilden.

Material und Methoden

Kinder mit einer AHS (n=659) und Kinder mit einer UHS (n=2660) wurden mit folgenden Kriterien im Register identifiziert:

  • AHS: mindestens 20 dB Hörverlust (HL) auf beiden Ohren, mindestens 30 dB interaurale Differenz bei mindestens zwei Frequenzen (0.5 bis 4 kHz)
  • UHS: mindestens 20 dB HL auf einem Ohr und das zweite Ohr normalhörend (<20 dB), mindestens 10 dB interaurale Differenz im mittleren Luftleitungshörverlust (0.5 bis 4 kHz).

Audiologische Faktoren des Registers wurden innerhalb der Gruppen deskriptiv analysiert. Die explorative Hörkurvenklassifikation (n=999 Ohren) umfasste hierarchisches Clustering und Zuordnung zu Standardhörkurven [5].

Ergebnisse

Bezüglich der audiologischen Faktoren bestand zwischen den AHS- und UHS-Gruppen weitestgehend Homogenität. Jedoch lagen bei Kindern mit weiteren Beeinträchtigungen (n=351 für AHS, n=1197 für UHS) weit mehr konduktive (8% für AHS, 31% für UHS) und kombinierte HS vor (16% für AHS, 9% für UHS) als bei Kindern ohne weitere Beeinträchtigungen. Die vorläufige Hörkurvenklassifikation ergab in beiden Gruppen vor allem Varianten von Hochtonschrägabfall und pantonalen Hörkurventypen. Das Vorliegen weiterer Beeinträchtigungen oder die interaurale Differenz (in dB HL, nur AHS) schienen nicht entscheidend für den Hörkurventyp zu sein. Bei 74% der Kinder mit AHS wurden interaural unterschiedliche Hörkurventypen zugeordnet.

Diskussion/Fazit

Die vorläufigen Ergebnisse zur Charakterisierung von Kindern mit AHS und UHS verweisen auf die Notwendigkeit einer subgruppen-spezifischen Betrachtung (etwa mit weiteren / ohne weitere Beeinträchtigungen). Interaural unterschiedliche Hörkurven bei Kindern mit AHS waren häufig und können etwa bei der Einschätzung der binauralen Hörleistung Berücksichtigung finden [6]. Weiterführend sollen mögliche Zusammenhänge zwischen Ätiologie, audiologischen Faktoren und Hörkurventypen untersucht werden.


Literatur

1.
Gordon K, Henkin Y, Kral A. Asymmetric Hearing During Development: The Aural Preference Syndrome and Treatment Options. Pediatrics. 2015 Jul;136(1):141-53. DOI: 10.1542/peds.2014-3520 Externer Link
2.
Vila PM, Lieu JE. Asymmetric and unilateral hearing loss in children. Cell Tissue Res. 2015 Jul;361(1):271-8. DOI: 10.1007/s00441-015-2208-6 Externer Link
3.
Kumpik DP, King AJ. A review of the effects of unilateral hearing loss on spatial hearing. Hear Res. 2019 Feb;372:17-28. DOI: 10.1016/j.heares.2018.08.003 Externer Link
4.
Anne S, Lieu JEC, Cohen MS. Speech and Language Consequences of Unilateral Hearing Loss: A Systematic Review. Otolaryngol Head Neck Surg. 2017 Oct;157(4):572-9. DOI: 10.1177/0194599817726326 Externer Link
5.
Pittman AL, Stelmachowicz PG. Hearing loss in children and adults: audiometric configuration, asymmetry, and progression. Ear Hear. 2003 Jun;24(3):198-205. DOI: 10.1097/01.AUD.0000069226.22983.80 Externer Link
6.
Gordon KA, Cushing SL, Easwar V, Polonenko MJ, Papsin BC. Binaural integration: a challenge to overcome for children with hearing loss. Curr Opin Otolaryngol Head Neck Surg. 2017 Dec;25(6):514-9. DOI: 10.1097/MOO.0000000000000413 Externer Link