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Einfluss von Grundfrequenz und Intensität auf Cepstral Peak Prominence (CPP) in Vokalen aus Texten bei Erwachsenen mit Stimmstörungen
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Veröffentlicht: | 20. August 2024 |
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Gliederung
Zusammenfassung
Hintergrund: Die instrumentellen akustischen Parameter Cepstral Peak-Prominence (CPP) und Smoothed CPP (CPPS) wurden als zuverlässige Parameter zur Erkennung von hörbarer Heiserkeit beschrieben und allgemein zur Stimmdiagnostik empfohlen. Neuere Studien zeigen, dass Veränderungen der Stimmintensität (SPL) und der Grundfrequenz (ƒo) die Ergebnisse cepstraler Messungen bei gesunden Sprechern beeinflussen können. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Auswirkungen prosodiebezogener SPL- und ƒo-Variationen auf CPP und CPPS bei Erwachsenen mit Stimmerkrankungen beim Lesen eines Textes kritisch zu überprüfen.
Material und Methoden: In einer retrospektiven Querschnittsstudie wurden Stimmaufnahmen von 27 brasilianischen PatientInnen (19 Frauen, 8 Männer) im Erwachsenenalter (Durchschnittsalter 45 Jahre, SD ± 13) mit Stimmstörungen unterschiedlichster Ätiologie untersucht. Fünf /a/ Vokale wurden manuell aus auf portugiesisch gelesenen CAPE-V Sätzen in verschiedenen Positionen (1. und 2. Silbe) extrahiert. Die akustischen Parameter SPL (dBA), ƒo (Hz), CPP (dB) und CPPS (dB) wurden mit PRAAT berechnet. Lineare Gemischte Modelle (LGM) mit ANCOVA und Bonferroni-Post-hoc-Tests wurden angewendet, um den Einfluss der Sprechlautstärke (SPL) und Grundfrequenz (ƒo) und der Position des Vokales im Wort zu untersuchen.
Ergebnisse: Die Sprechlautstärke (SPL) hatte als Einzelfaktor, und in Kombination mit der Grundfrequenz (ƒo), einen hochsignifikanten Effekt auf CPP und CPPS (p≤0,001). Hingegen hatte ƒo allein keinen signifikanten Einfluss auf beide Parameter (p≥0,77). Die Werte für ƒo, SPL, CPP und CPPS des ersten Vokals waren signifikant niedriger als die des letzten Vokals (p≤0,03).
Diskussion: Bei Erwachsenen mit Stimmstörungen waren bessere CPP und CPPS Werte bei höherer Stimmintensität (SPL), auch in Kombination mit höherer Grundfrequenz, in Vokalen aus einem Lesetext nachweisbar. Außerdem beeinflusste die Vokalposition die vorliegenden Ergebnisse. Deswegen müssen CPP und CPPS im klinischen Alltag unter Berücksichtigung von Sprechlautstärke und Tonhöhe interpretiert werden. Weitere klinische Studien zur Normierung dieser Effekte und zur Klärung des Einflusses weiterer linguistischer Einflussfaktoren sind dringend notwendig, um CPP und CPPS angemessen in der klinischen Diagnostik sinnvoll anzuwenden.
Text
Hintergrund
Die instrumentellen akustischen Parameter Cepstral Peak-Prominence (CPP) und Smoothed CPP (CPPS) wurden als zuverlässige spektrale Parameter beschrieben, welche sogar bei perzeptiv stark heiseren Stimmen anwendbar sind. Deswegen wurden diese Parameter von der ASHA zur Stimmdiagnostik empfohlen [1]. Neuere Studien an Stimmgesunden zeigen, dass natürliche Veränderungen der Stimmintensität (SPL) und der Grundfrequenz (ƒo) beim Sprechen und Lesen die Ergebnisse cepstraler Messungen beeinflussen können. Daten zu pathologischen Stimmen fehlen jedoch bisher. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Auswirkungen prosodiebezogener SPL- und ƒo-Variationen auf CPP und CPPS bei Erwachsenen mit Stimmerkrankungen beim Lesen eines Textes zu überprüfen.
Material und Methoden
In einer Querschnittsstudie wurden Stimmaufnahmen von 27 Erwachsenen mit einem Durchschnittsalter von 45 Jahren (SD ± 13), hiervon 19 Frauen und 8 Männer, mit Stimmstörungen retrospektiv untersucht. Alle Patient*innen wurden zwischen Februar 2015 und Juni 2018 an einer Abteilung für Stimm- und Sprachstörungen eines brasilianischen Universitätskrankenhauses untersucht. Die Untersuchung der Stimmfunktion umfasste die Anamnese, eine Laryngo(strobo)skopie, Fragebögen zur Selbsteinschätzung (Voice Handicap Index (VHI) und Voice-Related Quality of Life (V-RQOL)) und eine auditiv-perzeptive Analyse der Stimmqualität mittels der brasilianisch portugiesischen Version des Consensus Auditory-Perceptual Evaluation of Voice (Cape-V) Protokolls. Die Diagnosen umfassten bei 19 Patient*innen (74%) strukturelle (u.a. Polypen, Papillome, Ödeme), bei 6 Patient*innen (19%) periphere oder zentrale neurogene (u.a. Stimmlippenstillstand, Spasmodische Dysphonie), und bei 2 (7%) funktionelle Stimmstörungen.
Eingeschlossen wurden Patient*innen mit Wohnort Bundesstaat Bahia, welche Muttersprachler*innen des brasilianischen Portugiesisch mit einem regional ähnlichen Dialekt waren. In die Studie wurden nur vollständige Stimmaufnahmen korrekt ausgesprochener CAPE-V-Sätzen bei guter Verständlichkeit aufgenommen. Aus einzelnen Wörtern wurde 5 Mal der Vokal /a/ aus der betonten ersten oder zweiten Silbe manuell extrahiert. Alle extrahierten Stimmsignale mussten ein Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) von >30 dB(A), mehr als fünf vollständige akustische Perioden, sowie eine korrekte Frequenz- und Intensitätserkennung im Programm Praat aufweisen. Die akustischen Parameter Lautstärke SPL (dBA), Tonhöhe ƒo (Hz), CPP (dB) und CPPS (dB) wurden mittels PRAAT berechnet [2]. Lineare Gemischte Modelle (LGM) mit ANCOVA und Bonferroni-Post-hoc-Tests wurden angewendet, um den Einfluss der Sprechlautstärke (SPL) und Grundfrequenz (ƒo) und der Position des Vokales im Text (1–5) zu untersuchen.
Ergebnisse
Die Sprechlautstärke (SPL) hatte als Einzelfaktor, und auch in Kombination mit der Grundfrequenz (ƒo), einen hochsignifikanten Effekt auf CPP und CPPS (p≤0,001). Hingegen hatte ƒo als Einzelfaktor keinen statistisch signifikanten Einfluss auf beide Parameter (p≥0,77). CPP und CPPS stiegen im Mittel vom ersten bis zum fünften Vokal signifikant von 31.4 auf 35.0 dB, beziehungsweise von 21.1 auf 24.2 dB an. Auch die Grundfrequenz und Sprechlautstärke stiegen im Gruppenmittel von 150 Hz bei 86.5 dB(A) bis 180Hz bei 90.7 dB(A) vom ersten zum letzten Vokal signifikant an (p≤0,03).
Diskussion
Bei Erwachsenen mit Stimmstörungen waren bessere CPP und CPPS Werte bei höherer Stimmintensität (SPL), auch in Kombination mit einer höheren Grundfrequenz, in Vokalen aus gelesenen Sätzen nachweisbar. Diese Ergebnisse deuten auf eine bessere Organisation des Obertonspektrums bei lauterer und höherer Stimmgebung in der gesprochenen Sprache hin. Zudem beeinflusste die Vokalposition, welche indirekt mit Betonungsmustern zusammenhängt, Ergebnisse für CPP und CPPS. Somit sind natürliche Prosodiemuster beim Lesen von standardisierten Sätzen wichtige Einflussfaktoren auf cepstrale Messergebnisse.
Fazit/Schlussfolgerung
Die spektralen Parameter CPP und CPPS müssen unter Berücksichtigung von Sprechlautstärke und Tonhöhe interpretiert werden. Jedoch sind weitere klinische Studien zur Normierung und zur Klärung des Einflusses weiterer linguistischer Einflussfaktoren dringend notwendig, um CPP und CPPS aussagekräftig in der klinischen Diagnostik anzuwenden.
Literatur
- 1.
- Patel RR, Awan SN, Barkmeier-Kraemer J, Courey M, Deliyski D, Eadie T, Paul D, Švec JG, Hillman R. Recommended Protocols for Instrumental Assessment of Voice: American Speech-Language-Hearing Association Expert Panel to Develop a Protocol for Instrumental Assessment of Vocal Function. Am J Speech Lang Pathol. 2018 Aug 6;27(3):887-905. DOI: 10.1044/2018_AJSLP-17-0009
- 2.
- Sampaio MC, Bohlender JE, Brockmann-Bauser M. Fundamental Frequency and Intensity Effects on Cepstral Measures in Vowels from Connected Speech of Speakers with Voice Disorders. J Voice. 2021 May;35(3):422-31. DOI: 10.1016/j.jvoice.2019.11.014