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39. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

28.09. - 01.10.2023, Köln

Unterschiede elektroglottographischer Kontaktquotienten zwischen ausgehaltener Phonation und gesprochener Sprache

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Matthias Echternach - Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Klinikum der Universität München (LMU), München, Deutschland
  • author Manfred Nusseck - Institut für Musikermedizin, Uniklinik Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • author Malin Strasding - Abteilung für festsitzende Prothetik und Biomaterialien, Université de Genève, Genf, Schweiz
  • author Bernhard Richter - Institut für Musikermedizin, Uniklinik Freiburg, Freiburg, Deutschland

39. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Köln, 28.09.-01.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocV34

doi: 10.3205/23dgpp58, urn:nbn:de:0183-23dgpp585

Veröffentlicht: 20. September 2023

© 2023 Echternach et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: In der klinischen Praxis wird für die multidimensionale Stimmanalyse zumeist ausgehaltene Phonation herangezogen. Im Gegensatz hierzu erfolgt die perzeptive Stimmbeurteilung zumeist durch die Beurteilung gesprochener Sprache. Es liegen derzeitig nur wenige Daten hinsichtlich beider Phonationsarten vor.

Ergebnisse: Bei 1.216 Probanden (426 mit und 790 ohne Dysphonie) wurden die ausgehaltene Phonation (Vokal /a/ bei angenehmer Tonhöhe und Lautstärke) und Sprechstimme anhand eines normierten Textes mittels des Laryngograph Systems, welches gleichzeitig das Audio und das elektroglottographische Signal aufzeichnet, untersucht. Von den Signalen wurden die Grundfrequenz (ƒo), der Kontaktquotient (CQ), der Schalldruckpegel (SPL) und die Frequenzperturbation (jitter first für die ausgehaltene Phonation und cFx für den Text) analysiert.

Fazit: Die Analyse der Sprechstimme ist nur begrenzt mit der ausgehaltenen Phonation vergleichbar. Insbesondere sollte eine mögliche Registerdivergenz bei weiblichen Stimmen berücksichtigt werden.


Text

Einleitung

In der klinischen Praxis wird für die multidimensionale Stimmanalyse zumeist ausgehaltene Phonation herangezogen. Im Gegensatz hierzu erfolgt die perzeptive Stimmbeurteilung zumeist durch die Beurteilung gesprochener Sprache. Es liegen derzeitig nur wenige Daten hinsichtlich beider Phonationsarten vor. 1990 untersuchte Fitch [1] gesprochene Sprache und ausgehaltene Phonation und fand, dass die Grundfrequenz bei ausgehaltenen Vokalen gegenüber gesprochener Sprache erhöht war. Auch Ma und Love [2] fanden einen solchen Effekt, zeigten jedoch auch Effekte von Alter und Geschlecht. Wenn sich die Grundfrequenz für die ausgehaltene Phonation deutlich erhöht zeigt, stellt sich die Frage, ob eventuell für die ausgehaltene Phonation ein differentes Stimmregister verwendet wird, welches ein Einfluss auf die Daten der Stimmtestung haben könnte.

Material und Methoden

Bei 1.216 Probanden (426 mit und 790 ohne Dysphonie) wurden die ausgehaltene Phonation (Vokal /a/ bei angenehmer Tonhöhe und Lautstärke) und Sprechstimme anhand eines normierten Textes (Nordwind und Sonne) mittels des Laryngograph Systems, welches gleichzeitig das Audio und das elektroglottographische Signal aufzeichnet, untersucht. Von den Signalen wurden die Grundfrequenz (ƒo), der Kontaktquotient (CQ), der Schalldruckpegel (SPL) und die Frequenzperturbation (jitter first für die ausgehaltene Phonation und cFx für den Text) analysiert. Für den Vergleich der Konditionen wurde ein abhängiger t-test angewendet. Für die Analyse zwischen Subjekten erfolgte eine Varianzanalyse mittels ANOVA. Korrelationen zwischen numerischen Variablen wurden mittels Pearson’s r bzw. r² bestimmt. Das Signifikanzlevel wurde auf 0,05 gesetzt.

Ergebnisse

SPL und ƒo waren für die ausgehaltene Phonation statistisch signifikant höher als für den gesprochenen Text. Bei weiblichen Stimmen war die Differenz hinsichtlich ƒo bei gleichzeitiger Verminderung von CQ deutlich größer, was Indiz für eine Registerdivergenz sein könnte. Ein solcher Effekt war bei männlichen Stimmen nicht sicher darstellbar. Der Jitter der ausgehaltenen Phonation war lediglich schwach mit dem cFx Wert des gesprochenen Textes korreliert (r=0,311, p<0,001).

Abbildung 1 [Abb. 1], Abbildung 2 [Abb. 2]

Diskussion

Die Analyse der Sprechstimme ist nur begrenzt mit der ausgehaltenen Phonation vergleichbar. Bei Frauen ist die ausgehaltene Phonation in der Grundfrequenz gegenüber der gesprochenen Sprache deutlich erhöht. Die Frequenzregion befindet sich hier bereits in dem Bereich des Mittelregisters, welches vor allem in der Gesangstimme verwendet wird. Der gleichzeitig verminderte Kontaktquotient kann als ein typisches Indiz einer Registerdivergenz angesehen werden [3], [4]. Um Effekte der Registerdivergenz zu vermeiden, sollten ausgehaltene Phonationen – neben der willkürlichen Grundfrequenzregion – auch in dem Grundfrequenzbereich der gesprochenen Sprache durchgeführt werden.


Literatur

1.
Fitch JL. Consistency of fundamental frequency and perturbation in repeated phonations of sustained vowels, reading, and connected speech. J Speech Hear Disord. 1990;55:360-63.
2.
Ma EP, Love AL. Electroglottographic evaluation of age and gender effects during sustained phonation and connected speech. J Voice. 2010;24:146-52.
3.
Henrich N. Mirroring the voice from Garcia to the present day: some insights into singing voice registers. Logoped Phoniatr Vocol. 2006;31:3-14.
4.
Echternach M, Burk F, Koberlein M, Selamtzis A, Dollinger M, Burdumy M, Richter B, Herbst CT. Laryngeal evidence for the first and second passaggio in professionally trained sopranos. PLoS One. 2017;12:e0175865.