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39. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

28.09. - 01.10.2023, Köln

Die physiologische Altersstimme: Ein statistischer Vergleich verschiedener Altersgruppen anhand der Ergebnisse akustischer Messungen

Vortrag

39. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Köln, 28.09.-01.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocV29

doi: 10.3205/23dgpp53, urn:nbn:de:0183-23dgpp537

Veröffentlicht: 20. September 2023

© 2023 Werz et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Physiologische Alterungsprozesse haben Auswirkungen auf die Stimme. In der Regel wird sie schlechter. Sie verliert an Dynamik, Umfang und Belastungsfähigkeit.

Zurückzuführen ist dies u.a. auf veränderte phonatorische Funktionen, biochemische Veränderungen des Gewebes und anatomisch-degenerative Veränderungen des Kehlkopfes und des Ansatzrohres im Sinne einer Altersatrophie der Muskulatur sowie des Bindegewebes.

Material und Methoden: Es wurden Stimmaufnahmen von 73 stimmgesunden Proband:innen zwischen 55 und 88 Jahren (w=37; m=36) analysiert, die 2022 in der Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie an der Hals-Nasen-Ohren-Klinik - Kopf- und Halschirurgie des Universitätsklinikums Erlangen untersucht wurden. Die Stimme wurde in Anlehnung an das Protokoll der European Laryngological Society (ELS) untersucht.

Aus dem extrahierten Audiosignal wurde folgende Parameter berechnet: Grundfrequenz (F0), Harmonics Intensity (HI), Harmonics-to-Noise Ratio (HNR), Cepstral Peak Prominence (CPP), Jitter und Shimmer.

Anschließend wurden die Ergebnisse nach Geschlechtern und Altersgruppen verglichen.

Ergebnisse: Die maximale Lautstärke (lmax) sank bei den Frauen im Alter statistisch signifikant ab. Die minimale Lautstärke (lmin) stieg bei den Männern im Alter signifikant an.

Bei den akustischen Parametern, die mit einer guten Stimmqualität in Verbindung gebracht werden, zeigten sich insgesamt bei den Frauen bessere Werte als bei den Männern in allen Altersgruppen.

Insgesamt zeigten sich die Parameter konstant über die Altersgruppen. Beim Altersgruppenvergleich konnten lediglich Tendenzen, die auf eine verminderte Stimmqualität hinweisen, festgestellt werden, jedoch nahezu keine statistisch signifikanten Unterschiede.

Diskussion: Die Veränderung von Imax und Imin sind a.e. Folge altersphysiologischer Veränderungen der Stimmlippen.

Die Ergebnisse der akustischen Parameter könnten Folge einer überproportional hohen Studienteilnahme von Proband:innen mit Gesangserfahrung sein. Die Anzahl der Proband:innen in den einzelnen Altersgruppen ist für eine Generalisierbarkeit der Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung zu gering.

Fazit: Die erwartete Verschlechterung der Stimmqualität im Alter konnte mit den von uns verwendeten Parametern in unserem Kollektiv nicht bestätigt werden.


Text

Hintergrund

Physiologische Alterungsprozesse haben Auswirkungen auf die Stimme. In der Regel wird sie schlechter. Sie verliert an Dynamik, Umfang und Belastungsfähigkeit.

Zurückzuführen ist dies u.a. auf biochemische Veränderungen des Gewebes und anatomisch-degenerative Veränderungen des Kehlkopfes und des Ansatzrohres im Sinne einer Altersatrophie der Muskulatur sowie des Bindegewebes. Auch die Geschwindigkeit der zentralnervösen Koordination nimmt ab, was zur Beeinträchtigung der Thoraxbeweglichkeit, der Stimmlippenschwingung und somit des Stimmlippenschlusses sowie der Einstellung des Resonanzraumes durch die Strukturen im Ansatzrohr führt. Das Hörvermögen und somit die audiophonatorische Kontrolle nehmen ab. Zudem spielen hormonelle Veränderungen im Alter eine Rolle. Systemische Erkrankungen wie Diabetes, Lungen- sowie Wirbelsäulenerkrankungen und Auswirkungen von Medikamenten können die Stimmfunktion beeinträchtigen. Infolgedessen kommt es zur Einschränkung der stimmlichen Leistungsfähigkeit und zu Veränderungen des Stimmklangs. Mögliche Klangveränderungen machen sich in Form von Stimmzittern (Alterstremolo), Brüchigkeit oder Behauchtheit bemerkbar. Aufgrund der schlechteren Nutzung der Resonanzräume klingt die Stimme häufig dünner und schwächer

Material und Methoden

Es wurden Stimmaufnahmen von 73 stimmgesunden Proband:innen zwischen 55 und 88 Jahren (w=37; m=36) analysiert, die im November und Dezember 2022 in der Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie an der Hals-Nasen-Ohren-Klinik - Kopf- und Halschirurgie des Universitätsklinikums Erlangen untersucht wurden. Als Ausschlusskriterien wurden der Zustand nach Larynx-Operation, vorbekannte Diagnosen im Bereich des Larynx und subjektive stimmliche Einschränkungen festgelegt. Die Stimme wurde in Anlehnung an das Protokoll der European Laryngological Society (ELS) untersucht. Das Stimmsignal wurde computergestützt analysiert. Hierbei wurden folgende Parameter berechnet: Grundfrequenz (F0), Harmonics Intensity (HI), Harmonics-to-Noise Ratio (HNR), Cepstral Peak Prominence (CPP), Jitter und Shimmer. Zudem wurde ein Singstimmfeld gemessen. Anschließend wurde untersucht, ob ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den einzelnen Altersgruppen (Tabelle 1 [Tab. 1]) in den akustischen Parametern besteht.

Ergebnisse

Bei der Zusammensetzung des Studienkollektivs fiel auf, dass verhältnismäßig viele Proband:innen mit Stimm- bzw. Gesangserfahrung auf die Studie aufmerksam wurden. So gaben 18 Proband:innen an gar keine und 12 Proband:innen wenig bzw. in der Vergangenheit Gesangserfahrungen gemacht zu haben während 36 Proband:innen angaben, Gesangserfahrung zu haben bzw. in einem Chor zu singen.

Die Auswertung des maximalen Schalldruckpegels (lmax) ergab 96,8 ± 6,8 dB für die Frauen sowie 98,5 ± 5,7 dB für die Männer.

Zwischen den Frauen im Alter von 55 bis 59 Jahren und sowohl der Altersgruppe der 65- bis 69-Jährigen als auch der 70- bis 74-Jährigen zeigte sich ein statistisch signifikanter Abfall der Werte. Auch bei den männlichen Probanden ist der höchste Mittelwert und Median in der Altersgruppe der 55- bis 59-Jährigen zu verzeichnen, ansonsten lässt sich hier jedoch kein klarer Trend beschreiben. Für den minimalen Schalldruckpegel (Imin) ergaben sich 49,2 ± 3,6 dB für die Frauen sowie 51,5 ± 5,3 dB für die Männer.

Statistisch signifikante Unterschiede der Imin ergaben sich bei den Gruppen der Männer zwischen 55-59 und 75-79 Jahren. Zudem unterschied sich die Gruppe der 60- bis 64-jährigen Männer signifikant sowohl von der Gruppe der 65- bis 69-jährigen als auch der 75- bis 79-jährigen Männer. Jüngere Probanden erreichten dabei niedrigere Schalldruckpegel.

Insgesamt zeichnet sich sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern der Trend ab, dass die lmin mit zunehmendem Alter höhere Werte annehmen. Dies wird anhand aller Werte außer denen der ü80-jährigen Männer ersichtlich. Bei den akustischen Parametern, die mit einer guten Stimmqualität in Verbindung gebracht werden, zeigten sich insgesamt bei den Frauen bessere Werte als bei den Männern in allen Altersgruppen.

Insgesamt zeigten sich die Parameter konstant über die Altersgruppen. Beim Altersgruppenvergleich konnten lediglich Tendenzen, die auf eine verminderte Stimmqualität hinweisen, festgestellt werden, jedoch nahezu keine statistisch signifikanten Unterschiede.

Diskussion

Die Veränderung von Imax und Imin sind a.e. Folge altersphysiologischer Veränderungen der Stimmlippen. Die Ergebnisse waren hier nicht bei beiden Geschlechtern statistisch signifikant. Dass hier teilweise kein klarer Trend zu erkennen war, könnte an der geringen Teilnehmerzahl, gerade in den höheren Altersgruppen, liegen.

Die Ergebnisse der akustischen Parameter könnten Folge einer überproportional hohen Studienteilnahme von Proband:innen mit Gesangserfahrung sein, denn regelmäßiges Singen kann Einfluss auf die Stimmgesundheit haben [1]. Zudem wurden weitere wichtige Confounding-Variablen wie z. B. Nikotin- und Alkoholkonsum und körperlicher Allgemeinzustand nicht abgefragt. Durch das Studiendesign einer Querschnittstudie existieren zudem nur die Daten eines einzigen Messzeitpunktes für alle Proband:innen. Die Anzahl der Proband:innen in den einzelnen Altersgruppen ist für eine Generalisierbarkeit der Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung zu gering.

Fazit

Die erwartete Verschlechterung der Stimmqualität im Alter konnte mit den von uns verwendeten Parametern in unserem Kollektiv nicht bestätigt werden.


Literatur

1.
Moon S, Park J, Yang S. The Effects of Therapeutic Singing on Vocal Functions of the Elderly: A Study on Korean Elderly. Journal of Voice. 2022;36(3):437.e1-437.e9. DOI: 10.1016/j.jvoice.2020.06.007 Externer Link