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39. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

28.09. - 01.10.2023, Köln

Entwicklung des Wasserschlucktests FraMaDySc für tumorresezierte Kopf-Hals-Tumor-Patienten unter Berücksichtigung möglicher klinischer Parameter

Vortrag

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  • author presenting/speaker Christiane Hey - Universitätsklinikum Marburg, KHNO, Abt. für Phoniatrie und Pädaudiologie, Marburg, Deutschland
  • author Denise Baier - Universitätsklinikum Marburg, KHNO, Abt. für Phoniatrie und Pädaudiologie, Marburg, Deutschland
  • author Almut Goeze - Universitätsklinikum Marburg, KHNO, Abt. für Phoniatrie und Pädaudiologie, Marburg, Deutschland
  • corresponding author Eugen Zaretsky - Universitätsklinikum Marburg, KHNO, Abt. für Phoniatrie und Pädaudiologie, Marburg, Deutschland

39. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Köln, 28.09.-01.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocV26

doi: 10.3205/23dgpp46, urn:nbn:de:0183-23dgpp468

Veröffentlicht: 20. September 2023

© 2023 Hey et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Eine oropharyngeale Schluckstörung gehört zu den häufigsten postoperativen Komplikationen bei Kopf-Hals-Tumor-Patienten. Bisher wurde aber kein Dysphagiescreening für diese Patientenpopulation entwickelt. Ziel der aktuellen Studie war die Validierung eines Wasserschlucktests, FraMaDySc, zur Detektion einer Aspiration, Oralisierungseinschränkung und v.a. einer versorgungsrelevanten Schluckstörung (VRS). Zudem wurde geprüft, ob sieben klinische Parameter sich für eine Vorhersage der drei o.g. Auffälligkeitskriterien und damit als Bestandteil von FraMaDySc eignen: Dysglossie, feuchter Stimmklang, willkürlicher Husten, Einschränkung der Mundöffnung, Zungenmotilität und -kraft bzw. Würgereflex.

Material und Methoden: Insg. wurden 184 tumorresezierte Kopf-Hals-Tumor-Patienten untersucht. Das Patientenalter lag im Schnitt bei 62 Jahren, 71% der Patienten waren männlich. Bei allen Patienten wurde der Wasserschlucktest durchgeführt, o.g. klinische Parameter geprüft, mit anschließender endoskopischer Schluckdiagnostik (FEES). FEES-Ergebnisse wurden anhand von zwei Skalen graduiert: Penetrations-Aspirations-Skala (PAS) und Functional Oral Intake Scale (FOIS). Das Vorliegen einer VRS wurde bei einem PAS-Wert ≥4 bzw. einem FOIS-Wert ≤4 definiert. Für die Bestimmung der Güteindizes des Wasserschlucktests und der klinischen Parameter einschl. ihrer Kombination (4+ auffällige Parameter = fail) wurden ihre dichotomisierten Ergebnisse mit den dichotomisierten FEES-Ergebnissen kreuztabelliert. Zudem wurden klinische Parameter dem FEES-Ergebnis in Korrelationen gegenübergestellt.

Ergebnisse: VRS lag bei 65% Patienten vor, Aspiration bei 44%, Oralisierungseinschränkung bei 56%. FraMaDySc zeigte eine Sensitivität von 91% und Spezifität von 88% für VRS. Güteindizes für Aspiration und Oralisierungseinschränkung fielen niedriger aus. Fast alle Korrelationen zwischen klinischen Parametern und FEES (PAS, FOIS, VRS) waren mit Koeffizienten ≤0,3 niedrig. Ihre Sensitivität lag bei <40%, Spezifität bei <80%.

Diskussion: Der Wasserschlucktest kann VRS bei Kopf-Hals-Tumor-Patienten mit überzeugenden Güteindizes detektieren. Weder einzelne klinische Parameter noch ihre Kombination sind zur Prädiktion einer postoperativen VRS, Aspiration bzw. Oralisierungseinschränkung geeignet.

Fazit: FraMaDySc überzeugt als valides Screeningverfahren zur Detektion einer VRS bei tumorresezierten Kopf-Hals-Tumor-Patienten. Eine Kombination aus dem Wasserschlucktest und klinischen Parametern ist nicht zielführend.


Text

Hintergrund

Eine oropharyngeale Schluckstörung gehört zu den häufigsten postoperativen Komplikationen bei Kopf-Hals-Tumor-Patienten [1]. Bisher wurde aber kein Dysphagiescreening für diese Patientenpopulation entwickelt. Ziel der aktuellen Studie war die Validierung eines Wasserschlucktests, FraMaDySc [2], zur Detektion einer Aspiration, Oralisierungseinschränkung und v.a. einer versorgungsrelevanten Schluckstörung (VRS). Zudem wurde geprüft, ob sieben klinische Parameter sich für eine Vorhersage der drei o.g. Auffälligkeitskriterien und damit als Bestandteil von FraMaDySc eignen: Dysglossie, feuchter Stimmklang, willkürlicher Husten, Einschränkung der Mundöffnung, Zungenmotilität und -kraft bzw. Würgereflex.

Material und Methoden

Insg. wurden 184 tumorresezierte Kopf-Hals-Tumor-Patienten untersucht. Das Patientenalter lag im Schnitt bei 61,6±10,3 Jahren, 71% der Patienten waren männlich (130/184). Eingeschlossen wurden Patienten mit UICC-Tumorstadien II bis IV und im Alter von mind. 18 Jahren. Die Testung erfolgte nach der Tumorresektion vor Oralisierungsbeginn, der Zeitabstand betrug durchschnittlich 14,8±10,3 Tage.

Bei allen Patienten wurde der Wasserschlucktest durchgeführt, o.g. klinische Parameter geprüft, mit anschließender endoskopischer Schluckdiagnostik (FEES). FEES-Ergebnisse wurden anhand von zwei Skalen graduiert: Penetrations-Aspirations-Skala (PAS [3]) und Functional Oral Intake Scale (FOIS [4]). PAS galt ab dem Wert von ≥6 als auffällig, FOIS ab dem Wert von ≤4. Das Vorliegen einer VRS wurde bei einem PAS-Wert ≥4 bzw. einem FOIS-Wert ≤4 definiert.

Für die Bestimmung der Güteindizes des Wasserschlucktests und der klinischen Parameter wurden ihre dichotomisierten Ergebnisse mit den dichotomisierten FEES-Ergebnissen kreuztabelliert. Zudem wurden klinische Parameter dem FEES-Ergebnis in Phi-Korrelationen gegenübergestellt.

Ergebnisse

Aspiration lag bei 80 (43,5%) Patienten vor, Oralisierungseinschränkung bei 103 (56,0%), VRS bei 120 (65,2%). FraMaDySc zeigte ein auffälliges Ergebnis bei 119 Patienten (64,7%). Güteindizes von FraMaDySc sind Tabelle 1 [Tab. 1] zu entnehmen.

Alle Korrelationen zwischen klinischen Parametern und FEES (PAS, FOIS, VRS) waren mit Koeffizienten ≤0,3 niedrig (s. Tabelle 2 [Tab. 2]).

Die Sensitivität einzelner klinischer Parameter lag bei <40%, Spezifität bei <80% (s. Tabelle 3 [Tab. 3]).

Diskussion

Der Wasserschlucktest kann VRS bei Kopf-Hals-Tumor-Patienten mit überzeugenden Güteindizes detektieren. Weder einzelne klinische Parameter noch ihre Kombination sind zur Prädiktion einer postoperativen VRS, Aspiration bzw. Oralisierungseinschränkung geeignet.

Fazit

FraMaDySc überzeugt als valides Screeningverfahren zur Detektion einer VRS bei tumorresezierten Kopf-Hals-Tumor-Patienten. Eine Kombination aus dem Wasserschlucktest und klinischen Parametern ist nicht zielführend.


Literatur

1.
Pezdirec M, Strojan P, Hocevar Boltezar I. Swallowing disorders after treatment for head and neck cancer. Radiol Oncol. 2019;53(2):225-30.
2.
Hey C, Goeze A, Sader R, Zaretsky E. FraMaDySc: Dysphagia screening for patients after surgery for head and neck cancer. European Archives of Oto-Rhino-Laryngology. 2023;280:2585-92.
3.
Hey C, Pluschinski P, Zaretsky Y, Almahameed A, Hirth D, Vaerst B, Wagenblast T, Stöver T. Penetration-Aspiration Scale according to Rosenbek. Validation of the German version for endoscopic dysphagia diagnostics. HNO. 2014;62(4):276-81.
4.
Crary MA, Carnaby-Mann GD, Groher ME. Initial psychometric assessment of a functional oral intake scale for dysphagia in stroke patients. Arch Phys Med Rehabil. 2005;86:1516-20.