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39. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

28.09. - 01.10.2023, Köln

Die „Frühst-Stimmlippen-Augmentation“ bei perioperativer einseitiger Stimmlippenparese bei thoraxchirurgischen Eingriffen

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Stephan Dürr - Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Bereich Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Regensburg, Regensburg, Deutschland
  • author José Carmelo Pérez Álvarez - Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Bereich Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Regensburg, Regensburg, Deutschland
  • author Elena Loch - Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie, Abteilung für Thoraxchirurgie, Klinikum Nürnberg, Nürnberg, Deutschland
  • author Michael Ried - Abteilung für Thoraxchirurgie, Universitätsklinikum Regensburg, Regensburg, Deutschland
  • author Hans-Stefan Hofmann - Abteilung für Thoraxchirurgie, Universitätsklinikum Regensburg, Regensburg, Deutschland; Klinik für Thoraxchirurgie, Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg, Regensburg, Deutschland
  • author Peter Kummer - Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Bereich Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Regensburg, Regensburg, Deutschland

39. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Köln, 28.09.-01.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocV25

doi: 10.3205/23dgpp45, urn:nbn:de:0183-23dgpp451

Veröffentlicht: 20. September 2023

© 2023 Dürr et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Die postoperative einseitige Stimmlippenparese (eSLP) bringt oft erhebliche funktionelle Einschränkungen im Hinblick auf Stimme, Atmung und Schlucken mit sich. Nach thoraxchirurgischen Eingriffen sind das Risiko einer Aspiration und das Unvermögen, suffizient abzuhusten, von besonderer Bedeutung. Prinzipiell besteht neben einer konservativen logopädischen Behandlung die Möglichkeit einer Stimmlippen-Augmentation (SLA).

Material und Methoden: Im Rahmen einer retrospektiven Analyse wurden 44 Patienten mit einer perioperativen eSLP identifiziert, die im Zeitraum von 2010 bis 2020 in der Abteilung für Thoraxchirurgie des Universitätsklinikums Regensburg behandelt wurden. Der eSLP bestand bei 15 Patienten bereits vor der Operation, bzw. trat bei 29 Patienten danach auf. Bei 23 Patienten wurde eine SLA empfohlen und bei 16 Patienten tatsächlich durchgeführt: 15 Patienten wurden in Lokalanästhesie und ein Patient in Intubationsnarkose behandelt. In allen Fällen wurde Hyaluronsäure als Injektionsmaterial verwendet. Der Begriff „Frühst-SLA“ wurde als Intervention während der ersten postoperativen Tage bzw. noch innerhalb des stationären Aufenthalts definiert.

Ergebnisse: Die Patienten, die mittels „Frühst-SLA“ behandelt worden waren, benötigten in nur 31,3% eine postoperative antibiotische Behandlung, wohingegen es bei den nicht augmentierten Patienten 64,3% waren (p=0,042). Die Häufigkeit einer postoperativen Bronchoskopie war in beiden Gruppen nahezu gleich. Eine postoperative Pneumonie entwickelten in der SLA-Gruppe nur 25%, in der Gruppe der nicht augmentierten Patienten 60,7% (p=0,020).

Diskussion: In der aktuellen S2k-Leitlinie zur „Diagnostik und Therapie von Störungen der Stimmfunktion (Dysphonien)“ besteht ein starker Konsens zur Möglichkeit der Injektionsglottoplastik sofort nach Einsetzen der Lähmung. Dass ein verbesserter Glottisschluss auch positive Auswirkungen auf die Kompensation einer Schluckstörung und das Abhusten hat und damit pulmonale Komplikationen vermieden werden können, ist zwar bekannt, im Kontext thoraxchirurgischer Eingriffe jedoch nicht etabliert. Die Indikation für eine „Frühst-SLA“ sollte daher regelmäßig geprüft werden.

Fazit: Die „Frühst-Stimmlippen-Augmentation“ ist aus unserer Sicht eine sinnvolle und wichtige Querschnittsleistung, mit der phoniatrische, phonochirurgische Fähigkeiten in die interdisziplinäre Behandlung eingebracht werden können, nicht nur bei thoraxchirurgischen Patienten.


Text

Hintergrund

Die postoperative einseitige Stimmlippenparese (eSLP) bringt oft erhebliche funktionelle Einschränkungen im Hinblick auf Stimme, Atmung und Schlucken mit sich. Nach thoraxchirurgischen Eingriffen sind das Risiko einer Aspiration und das Unvermögen, suffizient abzuhusten, von besonderer Bedeutung. Prinzipiell besteht neben einer konservativen logopädischen Behandlung die Möglichkeit einer Stimmlippen-Augmentation (SLA) [1].

Material und Methoden

Im Rahmen einer retrospektiven Analyse wurden 44 Patienten mit einer perioperativen eSLP identifiziert, die im Zeitraum von 2010 bis 2020 in der Abteilung für Thoraxchirurgie des Universitätsklinikums Regensburg behandelt wurden. Der eSLP bestand bei 15 Patienten bereits vor der Operation, bzw. trat bei 29 Patienten danach auf. Bei 23 Patienten wurde eine SLA empfohlen und bei 16 Patienten tatsächlich durchgeführt: 15 Patienten wurden in Lokalanästhesie (Abbildung 1 [Abb. 1]) und ein Patient in Intubationsnarkose behandelt. In allen Fällen wurde Hyaluronsäure als Injektionsmaterial verwendet. Der Begriff „Frühst-SLA“ wurde als Intervention während der ersten postoperativen Tage bzw. noch innerhalb des stationären Aufenthalts definiert.

Ergebnisse

Die Patienten, die mittels „Frühst-SLA“ behandelt worden waren, benötigten in nur 31,3% eine postoperative antibiotische Behandlung, wohingegen es bei den nicht augmentierten Patienten 64,3% waren (p=0,042). Die Häufigkeit einer postoperativen Bronchoskopie war in beiden Gruppen nahezu gleich. Eine postoperative Pneumonie entwickelten in der SLA-Gruppe nur 25%, in der Gruppe der nicht augmentierten Patienten 60,7% (p=0,020) (Tabelle 1 [Tab. 1]).

Diskussion

In der aktuellen S2k-Leitlinie zur „Diagnostik und Therapie von Störungen der Stimmfunktion (Dysphonien)“ besteht ein starker Konsens zur Möglichkeit der Injektionsglottoplastik sofort nach Einsetzen der Lähmung [2]. Dass ein verbesserter Glottisschluss auch positive Auswirkungen auf die Kompensation einer Schluckstörung und das Abhusten hat und damit pulmonale Komplikationen vermieden werden können, ist zwar bekannt [3], im Kontext thoraxchirurgischer Eingriffe jedoch nicht etabliert. Die Indikation für eine „Frühst-SLA“ sollte daher regelmäßig geprüft werden.

Fazit/Schussfolgerung

Die „Frühst-Stimmlippen-Augmentation“ ist aus unserer Sicht eine sinnvolle und wichtige Querschnittsleistung, mit der phoniatrische, phonochirurgische Fähigkeiten in die interdisziplinäre Behandlung eingebracht werden können, nicht nur bei thoraxchirurgischen Patienten.


Literatur

1.
Reiter R, Pickhard A, Heyduck A, Brosch S, Hoffmann TK. Update on vocal fold augmentation. HNO. 2020 Jun;68(6):461-472. DOI: 10.1007/s00106-020-00863-8 Externer Link
2.
Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie von Störungen der Stimmfunktion (Dysphonien)“. Version 4.0. 2022 Dec 31 [Zugriff am 04.07.2023]. Verfügbar unter: https://register.awmf.org/assets/guidelines/049-008l_S2k_Diagnostik-Therapie-Stoerungen-der-Stimmfunktion-Dysphonien_2023-01.pdf Externer Link
3.
Dhar SI, Ryan MA, Davis AC, Jedlanek E, Pietsch K, Price C, Brodsky MB, Akst LM. Does Medialization Improve Swallowing Function in Patients with Unilateral Vocal Fold Paralysis? A Systematic Review. Dysphagia. 2022 Dec;37(6):1769-1776. DOI: 10.1007/s00455-022-10441-5 Externer Link