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39. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

28.09. - 01.10.2023, Köln

Langfristiges Trageverhalten des Knochenleitungshörgeräts ADHEAR bei Kindern mit persistierender Schallleitungsstörung

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  • author presenting/speaker Miriam Weber - Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster, Münster, Deutschland
  • corresponding author Katrin Neumann - Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster, Münster, Deutschland

39. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Köln, 28.09.-01.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocP21

doi: 10.3205/23dgpp44, urn:nbn:de:0183-23dgpp444

Veröffentlicht: 20. September 2023

© 2023 Weber et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Das pflasterfixierte, druckfrei funktionierende Knochenleitungshörgerät ADHEAR hat sich als eine sehr gute technische Lösung zur Versorgung persistierender Schallleitungsstörungen bei Kindern etabliert. Indikationen für die Versorgung sind vor allem Gehörgangsatresien, Mittelohrfehlbildungen und chronische Ohrsekretion. Allerdings lehnten in einer kontrollierten Interventionsstudie (Neumann et al. 2019) einige Eltern bzw. Kinder die Lösung wegen unzureichenden Pflasterhalts, Schwierigkeiten der Kinder, Mützen zu tragen, sich anzulehnen und wegen häufiger Feedbackgeräusche ab. Ziele dieser Arbeit waren eine langzeitige Follow-up-Untersuchung der Tragedauer, Verbesserung des Tragekomforts sowie die Prüfung der Indikationsstellung für das ADHEAR.

Material und Methoden: Bei 25 Kindern (0.4-10.3 Jahre; ) – 11 aus Neumann et al. (2019) und 14 weitere – ein- oder beidohrig mit ADHEAR-Geräten versorgt wegen unilateraler (15) oder bilateraler (3) Gehörgangsatresien, Mittelohrfehlbildungen (1), chronischer Ohrsekretion bei Down-Syndrom (2) oder primärer Ziliendyskinesie (1), bei Otosklerose (2) oder single sided deafness (1) wurden die langfristige Tragedauer und -akzeptanz sowie die Periodenlänge der Pflasterwechsels erhoben.

Ergebnisse: In der o.g. Interventionsstudie kam der funktionelle Gewinn mit dem ADHEAR dem mit einem stirnbandintegrierten Knochenleitungssystem erreichten gleich (Sprachgehör) oder überstieg ihn partiell (Tongehör). Von den 11 in die Neumann et al. (2019) Studie eingeschlossenen Kindern tragen nach über 5,5 Jahren vier das ADHEAR (durchschnittliche Tragedauer 5,4 Jahre). Von allen 25 mit ADHEAR versorgten Kindern tragen oder trugen 16 ihre Geräte länger als 1 Jahr, 9 länger als 4 Jahre (Stand 03/2023). Zwölf Kinder nutzen das ADHEAR nicht mehr wegen mangelnder Compliance (2), Entscheidung zu einem aktiven Mittelohrimplantat (2), unzureichenden Pflasterhalts und Feedbackgeräuschen (4), fehlender Kostenzusage durch die Krankenkasse (1), Umversorgung zu Luftleitungshörgeräten (1) und Normalisierung des Hörvermögens (2). Vier Familien wurden nicht für ein Follow-up erreicht.

Diskussion: Der Pflasterhalt hängt von Außentemperatur und Schwitzen der Kinder ab. Er kann verbessert werden durch vorheriges Aufbringen von Flüssigpflaster oder eine Fixierung mi einem Überpflaster. Hautreaktionen können durch eine Hautbarriere-Creme vermieden werden.

Fazit: Das ADHEAR ist eine hervorragende Kurz- und Langzeitbehandlung für Kinder mit persistierender Schallleitungsschwerhörigkeit.


Text

Hintergrund

Das pflasterfixierte, druckfreie Knochenleitungshörgerät ADHEAR hat sich als eine hervorragende technische Lösung für die Versorgung von Kindern mit persistierenden Schallleitungsstörungen etabliert. Es wird vor allem bei Gehörgangsatresien, Mittelohrfehlbildungen und chronischer Ohrsekretion eingesetzt. In einer kontrollierten Interventionsstudie [1] lehnten jedoch einige Eltern und Kinder diese Lösung wegen unzureichenden Pflasterhalts, Schwierigkeiten beim Tragen von Mützen, beim Anlehnen und Feedbackgeräusche ab. Das Ziel dieser Studie war es, eine langfristige Follow-up-Untersuchung der Tragedauer des Geräts durchzuführen, den Tragekomfort zu verbessern und die Indikation für den Einsatz des ADHEAR zu überprüfen.

Material und Methoden

In die Follow-up-Studie waren 25 Kinder (Alter zum Studieneinschluss 0.4-10.3 Jahre) eingeschlossen, davon elf aus Neumann et al. [1] und 14 weitere. Sie waren ursprünglich ein- oder beidohrig mit ADHEAR-Geräten versorgt worden wegen unilateraler (15) oder bilateraler (3) Gehörgangsatresien, Mittelohrfehlbildungen (1), chronischer Ohrsekretion bei Down-Syndrom (2) bzw. primärer Ziliendyskinesie (1), bei Otosklerose (2) oder single sided deafness (1). Es wurden die langfristige Tragedauer und Akzeptanz, der subjektive Profit sowie die Zeiträume zwischen den notwendigen Pflasterwechseln erhoben. Hierfür wurde neben der Anamnese der LittlEARS Auditory Questionnaire (LEAQ) für Kinder bis zu 24 Monaten verwendet. Für ältere Kinder wurde der Speech, Spatial and Qualities of Hearing Scale Questionnaire for Parents (SSQP) genutzt. Zusätzlich wurde ein vom Hersteller bereitgestellter ADHEAR-spezifischer Fragebogen verwendet, um die individuellen Erfahrungen mit dem ADHEAR-System strukturiert zu erfassen.

Ergebnisse

In der o.g. Interventionsstudie kam der funktionelle Gewinn mit dem ADHEAR dem mit einem stirnbandintegrierten Knochenleitungssystem erreichten gleich (Sprachgehör) oder überstieg ihn partiell (Tongehör) [1]. Von den 11 in diese Studie eingeschlossenen Kindern tragen nach über 5,5 Jahren vier das ADHEAR noch (durchschnittliche Tragedauer 5,4 Jahre). Von allen 25 mit ADHEAR versorgten Kindern tragen oder trugen 16 ihre Geräte länger als 2 Jahre und neun länger als 4 Jahre (Stand 03/2023; Abbildung 1 [Abb. 1]). Zwölf Kinder nutzen das ADHEAR nicht mehr wegen mangelnder Compliance (2), Entscheidung zu einem aktiven Mittelohrimplantat (2), unzureichenden Pflasterhalts und Feedbackgeräuschen (4), fehlender Kostenzusage durch die Krankenkasse (1), Umversorgung zu Luftleitungshörgeräten (1) oder Normalisierung des Hörvermögens (2). Vier Familien wurden im Rahmen des Follow-ups nicht erreicht (Abbildung 2 [Abb. 2]).

Diskussion

Im Rahmen der kontrollierten Studie sowie bei den anschließenden Follow-up-Befragungen stellte sich der Pflasterhalt als die größte Problematik dar. Dieser wird insbesondere von der Außentemperatur und dem Schwitzen der Kinder beeinflusst. Die durchschnittliche Nutzungsdauer der Pflaster betrug zwischen 2 und 10 Tagen. Der Halt kann durch vorheriges Aufbringen von Flüssigpflaster oder eine Fixierung mit einem Überpflaster verbessert werden. Hautreaktionen kamen selten vor und können durch eine Hautbarriere-Creme vermieden werden. Ein Drittel der Kinder nutzte auch nach mehr als 4 Jahren die Versorgung mit ADHEAR. Insgesamt entschieden sich bisher nur zwei Familien für eine operative Versorgung mit einem aktiven Mittelohrimplantat. Insgesamt berichteten die Kinder bzw. Eltern über eine geringere Stigmatisierung bei der Nutzung von ADHEAR im Vergleich zu stirnband-integrierten Knochenleitungshörgeräten.

Fazit

Bei der Versorgung mit pflasterfixierten Knochenleitungshörgeräten wurden ähnliche oder sogar bessere audiologische Ergebnisse als mit herkömmlichen stirnband-integrierten Knochenleitungshörgeräten erzielt. ADHEAR stellt somit eine nützliche Option dar, um die Wartezeit vor einer operativen Versorgung, sei es bei der Verwendung von implantierbaren Knochenleitungs-Hörgeräten oder aktiven Mittelohrimplantaten, zu überbrücken. Darüber hinaus kann ADHEAR auch als eigenständige Lösung zur Versorgung von Schallleitungsschwerhörigkeiten eingesetzt werden, wenn keine Operation gewünscht ist. ADHEAR bietet somit eine ausgezeichnete Kurz- und Langzeitbehandlungsmöglichkeit für Kinder mit permanenter Schallleitungsschwerhörigkeit.


Literatur

1.
Neumann K, Thomas JP, Voelter C, Dazert S. A new adhesive bone conduction hearing system effectively treats conductive hearing loss in children. Int J Pediatr Otorhinolaryngol. 2019 Jul;122:117-125.