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39. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

28.09. - 01.10.2023, Köln

Das Hörgerät „Noiser“ – Überprüfung der Therapiemöglichkeiten bei Kindern mit Hyperakusis

Vortrag

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  • corresponding author presenting/speaker Zaim Bari - St. Marienhospital, Vechta, Deutschland
  • Katrin Goldschmidt - St. Marienhospital, Vechta, Deutschland
  • author Christoph Egner - Diploma Hochschule, Deutschland

39. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Köln, 28.09.-01.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocV24

doi: 10.3205/23dgpp43, urn:nbn:de:0183-23dgpp437

Veröffentlicht: 20. September 2023
Veröffentlicht mit Erratum: 9. Oktober 2023

© 2023 Bari et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Hyperakusis oder eine Geräuschüberempfindlichkeit liegt vor, wenn Geräusche im Alltag zur Qual werden und oder nicht mehr toleriert werden können. Sie geht mit psychischen Belastungen, erheblichen Einschränkungen bei der Bewältigung der alltäglichen Tätigkeiten und Verringerung sozialer Kontakte einher. Für die Hyperakusis-Therapie bei Kindern existieren bis jetzt weder publizierte Studien noch Therapieleitlinien

Material und Methoden: In der vorliegenden Arbeit wurden 24 Kinder mit Hyperakusis, die je nach Bedarf für 6 Wochen bis 6 Monate mit einem Tinnitus-Rauschgenerator (Noiser) versorgt waren, nachverfolgt. Vor und nach der Versorgung wurde eine Hördiagnstik durchgeführt. Es wurde mittels eines selbst konzipierten Fragebogens der Effekt der Noiser-Therapie bei Kindern mit Hyperakusis untersucht. Es erfolgte dann eine Auswertung mittels Microsoft Excel 365 und der IBM SPSS, um die Effekte der Noiser-Therapie zu überprüfen, Komorbiditäten und andere gesundheitliche Einschränkungen sowie therapeutische und unterstützende Interventionen aber auch die individuelle Zufriedenheit zu erfassen.

Ergebnisse: In den Bereichen Schlaf, Sozialkontakte, Familienleben, Schulleistung und Stimmungsschwankungen konnten nach dem Einsatz der Noiser-Therapie überall signifikant Verbesserungen beobachtet werden. Es bestanden bei 19 Kindern Komorbiditäten bzw. weitere Einschränkungen neben der Hyperakusis. Häufig war dies das Tragen einer Zahnspange, gefolgt von Sprachentwicklungsverzögerung und Autismus. Es zeigte sich, dass 19 Kinder zusätzliche therapeutische und unterstützende Maßnahmen, wie Logo-, Ergo-, Psychotherapie, Autismus Therapie und oder Frühförderung in Anspruch nahmen. Es resultierte durch den Einsatz des Noiser-Geräts auch eine Reduktion der Inanspruchnahme weiterer Therapien. Im Durchschnitt haben die Kinder vor der Versorgung bereits 3,5 Jahre an Hyperakusis gelitten, bis die Noiser zum Einsatz kamen. Die Noiser sollten, wie von den Herstellern empfohlen und in dieser Studie berücksichtigt 12 Stunden am Tag getragen werden, es besteht keine Notwendigkeit der Kontaktaufnahme zum Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte.

Diskussion: Limitationen stellen insbesondere die dürftige Datenlage und der nicht standardisierte Fragebogen dar. Sie soll jedoch einen Grundstein für weitere Forschungsvorhaben legen und mehr Aufmerksamkeit auf die Therapiemöglichkeit durch den Noiser bei Kindern mit Hyperakusis legen.


Text

Hintergrund

Hyperakusis oder eine Geräuschüberempfindlichkeit liegt vor, wenn Geräusche im Alltag zur Qual werden und/ oder nicht mehr toleriert werden können. Sie geht mit psychischen Belastungen, erheblichen Einschränkungen bei der Bewältigung der alltäglichen Tätigkeiten und Verringerung sozialer Kontakte einher. Für die Hyperakusis-Therapie bei Kindern existieren bis jetzt weder publizierte Studien noch Therapieleitlinien.

Material und Methodik

In der vorliegenden Arbeit wurden 24 Kinder mit Hyperakusis, die je nach Bedarf für 6 Wochen bis 6 Monate mit einem Tinnitus-Rauschgenerator (Noiser) versorgt waren, nachverfolgt. Vor und nach der Versorgung wurde eine Hördiagnostik durchgeführt. Es wurde mittels eines selbst konzipierten Fragebogens der Effekt der Noiser-Therapie bei Kindern mit Hyperakusis untersucht. Es erfolgte dann eine Auswertung mittels Microsoft Excel 365 und IBM SPSS, um die Effekte der Noiser-Therapie zu überprüfen, Komorbiditäten und andere gesundheitliche Einschränkungen sowie therapeutische und unterstützende Interventionen, aber auch die individuelle Zufriedenheit zu erfassen.

Ergebnisse

Es resultierte eine Teilnehmerzahl von N = 24 (100%). Von den 24 Kindern, die an der Studie teilgenommen haben, waren 15 weiblich (62,5%) und 9 männlich (37,5%). 14 (58%) der 24 Teilnehmer haben die Grundschule besucht. Die übrigen 10 (42%) Kinder besuchten eine weiterführende Schule. Keines der 24 Kinder ging in den Kindergarten.

Bei 20,8 % (5) der befragten 24 Kinder lagen keine Begleiterkrankungen vor, 20,8 % (5) Kinder hatten mehr als eine Erkrankung, 16,7% (4 Kinder) eine Zahnspange, 12,5% (3 Kinder) Autismus, 12,5 % eine Sprachentwicklungsverzögerung, 12,5 % andere Erkrankungen, die in dem Fragebogen nicht aufgelistet waren, und 4,2% (1 Kind) eine auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung.

Aufgefallen ist die Hyperakusis im Durchschnitt in einem Alter von 6,5 Jahren. Bei der Verordnung von Noiser waren die Kinder im Durchschnitt 10 Jahre alt, die zeitliche Differenz betrug 3,5 Jahre.

Um die persönlichen Situationen vor und nach der Noiser-Therapie in verschiedenen Situationen bewerten zu können, wurde die Frage 11 in den Fragebogen aufgenommen. Dabei wurde eine Skala von 1 bis 10 verwendet, wobei die 1 = schlecht, 5 = mittel und 10 = super entspricht. In den Kategorien Schlafen, Familienleben und Schulleistungen vor sowie nach der Noiser-Therapie haben 22 der 24 Befragten Antworten eingetragen. Bei den Themen Sozialkontakte und Stimmungsschwankungen haben 21 von 24 Teilnehmern ihre Antworten eingegeben. Es wurden jeweils die Mittelwerte (M) und Standardabweichungen (SD) für die einzelnen Skalen der Kategorien berechnet. Vor bzw. nach der Therapie betrugen diese in der Kategorie Schlaf M = 6,14 (SD = 2,83) bzw. M = 7,95 (SD = 1,84), in der Kategorie Sozialkontakt M = 5,19 (SD = 2,77) bzw. MD = 7,14 (SD = 2,63). In Bezug auf das Familienleben belief sich der Mittelwert vor der Therapie auf M = 6,23 (SD = 2,58), nach der Therapie auf M = 8,55 (SD = 1,41). In der Kategorie Stimmungsschwankungen waren vor bzw. nach der Behandlung mit dem Noiser-Gerät Werte von M = 4,33 (SD = 2,35) bzw. M = 7,48 (SD = 1,94) zu verzeichnen. In Bezug auf die Schulleistungen lagen die Mittelwerte vor der Behandlung bei M = 5,64 (SD = 3,08), nach der Therapie bei M = 7,86 (SD = 2,15).

Im Folgenden werden die Ergebnisse des gepaarten t-Tests bei einer abhängigen Stichprobe vorgestellt. Hier wurde die Skalierung der Qualität der jeweiligen Kategorie miteinander verglichen, bevor und nachdem das Gerät im Einsatz war. Die Therapie mit dem Noiser verbesserte bei den Kindern mit Hyperakusis den Schlaf signifikant (p = .002) mit einem mittleren positiven Effekt (d = .73). Zudem wurde ein signifikanter, großer positiver Effekt der Therapie mit dem Noiser auf den Sozialkontakt (p = <.001, d = .81), das Familienleben (p = <.001, d = .95), die Stimmungsschwankungen (p = <.001, d = 1.10) sowie die Schulleistungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer festgestellt (p = <.001, d = .86).

Zu der Frage „Wie viele Stunden wurden die Noiser am Tag getragen?“. Hierfür wurde die durchschnittliche Stundenzahl für das Tragen der Noiser ermittelt. Bei den 24 Teilnehmern lag der Mittelwert bei 10,5 Stunden täglicher Nutzung. Das Minimum betrug dabei 6 Stunden täglich, die maximale Dauer 18 Stunden am Tag.

Einige der teilnehmenden Kinder hatten weitere Therapien während der Noiser-Versorgung erhalten. Bei 5 der 24 Kinder wurden keine weiteren Interventionen vorgenommen, da keine zusätzliche Einschränkung vorlag. Drei der 24 Kinder erhielten eine logopädische Therapie, 2 Psychotherapie, 2 eine Autismus-Therapie, und ein Kind eine Ergotherapie. Ein Kind bekam Nachhilfe, ein weiteres Kind eine andere Therapie, die nicht in dem Fragebogen erwähnt war. Ein Kind unter den Befragten hatte keine Therapie erhalten und keines der Kinder hatte Physiotherapie bekommen. Nur bei sonderpädagogischer Förderung und Frühförderung war dies immer mit begleitenden Therapien verbunden. Acht der 24 Befragten haben neben der Noiser-Therapie mehr als zwei andere Therapien erhalten.

Ob die zusätzlichen Therapien durch die Noiser-Versorgung beendet worden sind, wurde in Frage 8 des Fragebogens eruiert. Die 24 Teilnehmer haben folgende Antworten angegeben: 14 hatten mit einem klaren Nein geantwortet, bei 5 der befragten Kinder lagen nach den Angaben keine Einschränkungen vor. Bei einem der 24 Befragten ist die Frage unbeantwortet geblieben. Einer der 24 Teilnehmer hatte keine Therapie erhalten, obwohl bei dem Kind eine Einschränkung vorlag. Bei einem Kind wurde eine Ergotherapie durch den Noiser beendet und eine logopädische Therapie fortgeführt. Bei 2 weiteren Kindern sind die zusätzlichen Therapien durch die Versorgung mit dem Noiser beendet worden.

Diskussion

Limitationen stellen insbesondere die eingeschränkte Datenlage und der nicht standardisierte Fragebogen dar. Sie vorliegende Untersuchung soll jedoch einen Grundstein für weitere Forschungsvorhaben legen und mehr Aufmerksamkeit auf die Therapiemöglichkeit durch den Noiser bei Kindern mit Hyperakusis legen.


Erratum

Die Schreibung des Vornamens der Zweitautorin wurde korrigiert.