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39. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

28.09. - 01.10.2023, Köln

Die CI-Versorgung nach postmeningitischer Ertaubung ist extrem zeitkritisch

Poster

  • corresponding author presenting/speaker Antonia Nolte - HNO-Klinik, Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • Friederike Körber - Kinderradiologie, Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • author Martin Otte - HNO-Klinik, Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • author Gitta Pantel - HNO-Klinik, Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • author Ruth Lang-Roth - HNO-Klinik, Uniklinik Köln, Köln, Deutschland

39. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Köln, 28.09.-01.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocP15

doi: 10.3205/23dgpp33, urn:nbn:de:0183-23dgpp338

Veröffentlicht: 20. September 2023

© 2023 Nolte et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Bakterielle Meningitiden sind aufgrund der verfügbaren Impfungen und antiinfektiven Therapie bei Kindern seltener geworden, jedoch können sie weiterhin mit schweren Komorbiditäten und Folgeschäden einhergehen. Die akute ein- oder beidseitige Ertaubung stellt als häufigste Nebenwirkung die große und extrem zeitkritische Herausforderung in unserem Fachbereich dar. Trotz des Wissens um die Gefahr der schnellen Obliteration der Cochlea kommt es immer wieder zu Verzögerungen in der Diagnostik, so dass teilweise eine Cochleaimplantation nicht mehr möglich ist.

Material und Methoden: Wir berichten über einen 10 Monate alten Säugling, der uns im April diesen Jahres durch die Kollegen der Kinderklinik 16 Tage nach Erstdiagnose einer akuten Pneumokokken-Meningitis vorgestellt wurde. Zuvor erfolgten mehrere MRTs ohne Hinweis für eine Pathologie im Bereich der Cochlea. In der anschließend erfolgten BERA konnten Click-evozierten FAEP beidseits bis 100 dB HL nicht sicher im 2-4 kHz Bereich nachgewiesen werden. Das vestibulocochleäre Organ stellte sich in einem Folge-MRT mit einem deutlich verminderten T2 Signal und im CT unauffällig dar. Es wurde unmittelbar die notfallmäßige Indikation zur simultanen Cochlea Implantation gestellt.

Ergebnisse: Intraoperativ zeigte sich die Cochlea beidseits bereits stark entzündlich verändert dar, sodass die Insertion der Elektrode erschwert war. Die neuronalen Antworten (AutoNRT) waren rechts schwach und links nicht ableitbar. Im postoperativen CT konnte die korrekte Lage der Elektrode bestätigt werden.

Diskussion: Sobald die Bakterien bei einer Meningitis die Cochlea erreichen kommt es zu einer akuten Labyrinthitis. Dies führt zu einer Schwerhörigkeit bis hin zu einer Ertaubung in deren Folge z.T. innerhalb von wenigen Tagen eine Obliteration der Cochlea eintreten kann und somit eine CI-Implantation unmöglich macht. Die sofortige Hörprüfung/BERA-Untersuchung sowie ab einer hochgradigen Schwerhörigkeit. MRT und CT sind innerhalb weniger Tage notwendig. Das Risiko, dass die Säuglinge und Kinder innerhalb kurzer Zeit ihre bereits erworbenen motorischen und sprachlichen Fähigkeiten, welches einen gravierenden Einfluss auf die weitere Entwicklung des Kindes hat, verlieren, ist nicht zu unterschätzen.

Fazit: Es sollte nach Diagnosestellung einer akuten Meningitis nicht nur eine sofortige Terminierung in der Phoniatrie & Pädaudiologie, sondern auch im angebundenen CI-Zentrum erfolgen, um den weiteren Lautspracherwerb im Falle einer Ertaubung bei Kindern zu gewährleisten.


Text

Hintergrund

Bakterielle Meningitiden können mit schweren Komorbiditäten und Folgeschäden einhergehen. Schwerhörigkeiten treten bei 14-32% der Kinder mit einer Pneumokokkenmeningitis auf [1]. Die akute ein- oder beidseitige Ertaubung im Rahmen einer akuten Labyrinthitis stellt die große und extrem zeitkritische Herausforderung in unserem Fachbereich dar [1], [2]. Trotz des Wissens um die Gefahr der schnellen Obliteration der Cochlea kommt es immer wieder zu Verzögerungen in der Diagnostik, so dass teilweise eine Versorgung mit einem Cochlea Implantat (CI) nicht mehr möglich ist.

Material & Methoden

Wir berichten über einen 10 Monate alten Säugling, der uns im Frühjahr diesen Jahres durch die Kollegen der Kinderklinik 16 Tage nach Erstdiagnose einer akuten Pneumokokken-Meningitis vorgestellt wurde. Zuvor erfolgten am 2., 9. und 12. Tag ein MRT ohne Hinweis für eine Pathologie im Bereich der Cochlea. In der anschließend am 19. Tag erfolgten BERA konnten beidseits bis 100 dB HL keine Potentiale nachgewiesen werden.

Das vestibulocochleäre Organ stellte sich in einem Folge-MRT am 20. Tag mit einem deutlich verminderten T2 Signal dar. Das CT Felsenbein war am 20. Tag ohne Hinweis für eine Ossifikation der Cochlea.

Abbildung 1 [Abb. 1], Abbildung 2 [Abb. 2]

Es wurde unmittelbar die notfallmäßige Indikation zur simultanen Cochleaimplantation gestellt, welche am 22. Tag erfolgte.

Ergebnisse

Intraoperativ zeigte sich die Cochlea beidseits bereits stark entzündlich verändert, sodass die Insertion der Elektrode erschwert war. Die neuronalen Antworten (AutoNRT) waren rechts schwach und links nicht ableitbar. Im postoperativen CT konnte die korrekte Lage der Elektrode bestätigt werden. Im Rahmen der Erstanpassung Mitte Juni 2023 zeigte das Kind erste Höreindrücke und begann zu lautieren. Zurzeit befindet es sich noch in einer neurologischen Rehaklinik und erscheint regelmäßig zur ambulanten CI-Rehabilitation in unserem Hause.

Diskussion

Sobald die Bakterien bei einer Meningitis die Cochlea erreichen kommt es zu einer akuten Labyrinthitis. Dies führt zu einer Schwerhörigkeit bis hin zu einer Ertaubung in deren Folge, z.T. innerhalb von wenigen Tagen, eine Obliteration der Cochlea eintreten kann und das Einsetzen der CI-Elektrode unvollständig bzw. unmöglich macht und somit mit einem schlechten CI-Rehabilitationsergebnis einhergeht [3]. In einer Tierstudie wurde gezeigt, dass es bereits 3 Wochen nach Pneumokokkeninfektion zu ersten Anzeichen einer Ossifikation kam [4]. Die sofortige Hörprüfung/BERA-Untersuchung sowie ab einer hochgradigen Schwerhörigkeit ein MRT und CT sind innerhalb weniger Tage notwendig. Hier sollte nicht nur auf eine Ossifikation im Bereich der Cochlea, sondern auch im Bereich der Bogengänge geachtet werden, da dies ein Anzeichen für eine bereits beginnende Verknöcherung der Cochlea sein kann [5]. Auch im Verlauf sollten bei initial unauffälligem Befund oder mittelgradigen Schwerhörigkeiten regelmäßige Hörprüfungen erfolgen, um eine late-onset Ertaubung rechtzeitig zu diagnostizieren und eine CI Indikation zu evaluieren.

Fazit

Es sollte nach Diagnosestellung einer akuten Meningitis nicht nur eine sofortige Terminierung in der Phoniatrie & Pädaudiologie, sondern auch im angebundenen CI-Zentrum erfolgen, um den weiteren Lautspracherwerb im Falle einer Ertaubung bei Kindern zu gewährleisten.


Literatur

1.
Lucas MJ, Brouwer MC, van de Beek D. Neurological sequelae of bacterial meningitis. J Infect. 2016 Jul;73(1):18-27.
2.
Baraff LJ, Schriger DL Outcomes of bacterial meningitis in children: A meta-analysis. Pediatric Infect Dis J. 1993;12:389-94.
3.
Helmstaedter V, Buechner A, Stolle S, Goetz F, Lenarz T, Durisin M. Cochlear implantation in children with meningitis related deafness: The influence of electrode impedance and implant charge on auditory performance - A case control study. Int J Pediatr Otorhinolaryngol. 2018 Oct;113:102-9.
4.
Nabili V, Brodie HA, Neverov NI, et al. Chronology of labyrinthitis ossificans induced by Streptococcus pneumoniae meningitis. Laryngoscope. 1999;109(6):931-5.
5.
Aschendorff A, Klenzner T, Laszig R. Deafness after bacterial meningitis: An emergency for early imaging and cochlear implant surgery. Otolaryngol Head Neck Surg. 2005;133:995-6.