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Räumliche Sprachaudiometrie bei Kindern in Abhängigkeit der Handdominanz
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Veröffentlicht: | 20. September 2023 |
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Gliederung
Zusammenfassung
Hintergrund: Die Lokalisation oder auch das Hören im Störschall gehören zu den basalen auditiven Fähigkeiten, die jedoch ein funktionierendes binaurales Hören voraussetzen. Messungen in komplexen Hörsituationen werden u.a. bei der Diagnostik von Auditiver Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) oder Hörstörungen, sowie zur Anpassung von Hörsystemen durchgeführt.
Aus der Literatur ist der Vorteil des rechten Ohres beim Sprachverstehen, dem so genannten „Right Ear Advantage (REA)“, bekannt und ist, laut einigen Studien, auch bei Kindern nachweisbar. Die Ausprägung des REA ist u.a. von den verwendeten Stimuli, den Pegeln und der Instruktion der teilnehmenden Personen abhängig.
In dieser Studie soll der REA bei Sprachverständlichkeitsmessungen im Störgeräusch bei normalhörenden Kindern, unterschiedlichen Alters, untersucht werden. Zudem wurde ein „Hand-Dominanz-Test“ durchgeführt, um einen möglichen Zusammenhang zwischen Händigkeit und REA feststellen zu können.
Material und Methoden: Für die Messungen wird der Oldenburger Satztest (OLSA) u. Oldenburger Kindersatztest (OLKISA) bei unterschiedl. Lautsprecheranordnungen des Sprachsignals (S) und Störgeräusches (N) verwendet: S0N0, S-45N+45 und S+45N-45. Die Reihenfolge der Anordnungen ist randomisiert, wobei die Trainingsmessung zu Beginn immer in der Anordnung S0N0 erfolgt.
Für die Gruppe der Kinder wird der OLKISA (1.-4. Klassenstufe) oder OLSA (ab der 5. Klassenstufe) verwendet. Als Referenz dient eine Gruppe Erwachsener, die Messungen sowohl mit dem OLSA als auch mit dem OLKISA durchführen. Die Händigkeit wird mit dem „Hand-Dominanz-Test“ des Hogrefe Verlags erhoben.
Ergebnisse: Bisher nahmen 22 Schulkinder und 12 Erwachsene an den Messungen teil. Es zeigt sich bislang bei den Ergebnissen eine altersabhängiges Sprachverstehen im Störgeräusch, mit einem REA-Wert von bis zu 3 dB SNR, im Vergleich zur Anordnungen S+45N-45 vs. S-45N+45. Die Erhebung der Daten ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen, so dass eine abschließende Analyse der Daten noch aussteht.
Diskussion: Die systematische Trennung von Sprach- u. Störsignal zeigt eine Verbesserung der Sprachverständlichkeit für alle Altersgruppen. Zudem wurde für die Anordnung S+45N-45 die größten Effekte der räumlichen Signaltrennung, d. h. der beste SRT-Wert, ermittelt. Für die Anordnung S0N0 bestätigen sich die Referenzwerte aus der Literatur.
Fazit: Um eine Aussage über die Altersabhängigkeit bei der räumlichen Sprachaudiometrie im Zusammenhang zur Handdominanz treffen zu können, sind weitere Messungen notwendig.
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Hintergrund
Die Lokalisation oder auch das Hören im Störschall gehören zu den basalen auditiven Fähigkeiten, die jedoch ein funktionierendes binaurales (beidohriges) Hören voraussetzen. Messungen in komplexen Hörsituationen werden u.a. bei der Diagnostik von Auditiver Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) oder Hörstörungen, sowie zur Anpassung von Hörsystemen durchgeführt. Aus der Literatur ist der Vorteil des rechten Ohres beim Sprachverstehen, dem so genannten „Right Ear Advantage (REA)“, bekannt. Laut Westerhausen und Kompus [1] kann dieser auch schon bei Kindern nachgewiesen werden. Die Ausprägung des REA ist u.a. von den verwendeten Stimuli, den Pegeln und der Instruktion der teilnehmenden Personen abhängig. In der Studie von Tanaka et al. [2] wurde der Einfluss von Aufmerksamkeit auf den REA untersucht. Deren Ergebnisse ergaben, dass Aufmerksamkeit eine Rolle spielt, jedoch zeigten in den Messungen nur wenig Proband:innen einen deutlichen REA.
In dieser Studie soll der REA bei Sprachverständlichkeitsmessungen im Störgeräusch bei Kindern in unterschiedlichen Altersstufen untersucht werden. Zudem wurde ein „Hand-Dominanz-Test“ (H-D-T) durchgeführt, um einen möglichen Zusammenhang zwischen Händigkeit und REA feststellen zu können.
Material und Methoden
Für die Messungen wird der Oldenburger Satztest (OLSA) und der Oldenburger Kindersatztest (OLKISA) bei unterschiedlichen Lautsprecheranordnungen des Sprachsignals (S) und Störgeräusches (N) verwendet: S0N0, S-45N+45 und S+45N-45. Die Reihenfolge der Anordnungen ist randomisiert, wobei die Trainingsmessung zu Beginn immer in der Anordnung S0N0 erfolgt. Für die Gruppe der Kinder wird, je nach Alter, der OLKISA (1.-4. Klassenstufe) oder der OLSA (ab der 5. Klassenstufe) verwendet. Als Referenz dient eine Gruppe Erwachsener, die Messungen sowohl mit dem OLSA als auch mit dem OLKISA durchführen. Alle teilnehmenden Personen erfüllen das Kriterium der Normalhörigkeit.
Die Händigkeit wird mit dem „Hand-Dominanz-Test (H-D-T)“ von H.-J. Steingrüber [3] erhoben. Der Test hat drei Untertests, deren Bearbeitungszeit sich nach Altersgruppen wie folgt unterscheidet:
- Grundschulkinder (6-10 Jahre): 30 s Bearbeitungszeit pro Untertest
- Ältere Kinder u. Erwachsene (11-70 Jahre): 15 s Bearbeitungszeit pro Untertest
Die Aufgabe der teilnehmenden Personen besteht darin, Spuren nachzuzeichnen, Kreise zu punktieren und Quadrate zu punktieren. Die Untertests werden nacheinander mit beiden Händen durchgeführt, um so die Leistungsfähigkeit einer Hand zu überprüfen.
Ergebnisse
Bisher nahmen 22 Schulkinder (w=7, m=15, Angaben zum Alter siehe Tabelle 1 [Tab. 1]) und 12 Erwachsene (w=8, m=4, Ø 24,1 Jahre) an den Messungen teil. Für die Anordnung S0N0 bestätigen sich die Referenzwerte für die Altersgruppen und das Sprachmaterial [4], [5]. Werden die Ergebnisse der Kindergruppe mit der Gruppe der Erwachsenen verglichen, zeigt sich bislang ein altersabhängiges Sprachverstehen im Störgeräusch, mit einem REA-Wert von bis zu 3 dB SNR, im Vergleich zur Anordnungen S+45N-45 vs. S-45N+45 (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Die Erhebung der Daten ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen, so dass eine abschließende Analyse der Daten noch aussteht.
Der H-D-T wurde bisher nur bei der Gruppe der Erwachsenen durchgeführt. Die Auswertung ergab, dass von den bisher acht Teilnehmenden nur eine Person der Kategorie „Linkshändigkeit“ zugeordnet werden konnte. D. h. die Mehrheit hat laut Testergebnis eine „Rechtshändigkeit“ (N=5) oder eine „ausgeprägte Rechtshändigkeit“ (N=2).
Fazit/Diskussion
Die systematische Trennung von Sprachsignal und Störgeräusch zeigte eine signifikante Verbesserung der Sprachverständlichkeit für alle Altersgruppen. Zudem wurde für die Anordnung S+45N-45 bei allen Altersgruppen die größten Effekte der räumlichen Trennung der Signale, d. h. der beste SRT-Wert, ermittelt. Diese Tendenz sollte im Alltag, z. B. bei der Überprüfung von Hörsystemen mit räumlich getrennten Präsentationsrichtungen, berücksichtigt werden. Zudem könnte bei Kindern mit einer AVWS die Sitzplatzauswahl im Unterrichtsraum so erfolgen, dass der Lehrer/ die Lehrerin hauptsächlich eher von schräg vorne rechts zu hören ist und die Störgeräusche, welche durch Mitschüler:innen verursacht werden, eher von der linken Seite kommen.
Um eine Aussage über die Altersabhängigkeit bei der räumlichen Sprachaudiometrie treffen zu können, sind weitere Messungen notwendig. Aktuell sind die jeweiligen Gruppen, mit zwei bis sechs Kindern pro Altersstufe, noch zu gering.
Ob die Händigkeit einen Einfluss auf das räumliche Sprachverstehen hat, konnte aufgrund der ungleichen Gruppengrößen beim H-D-T zwischen der „Links- und Rechtshändigkeit“ mit den bisherigen Daten noch nicht bestätigt werden. Es sind weitere Untersuchungen, vor allem mit linkshändigen Personen, notwendig. Zudem steht die Durchführung und Auswertung des H-D-T bei den Schulkindern noch aus.
Literatur
- 1.
- Westerhausen R, Kompus K. How to get a left-ear advantage: A technical review of assessing brain asymmetry with dichotic listening. Scandinavian journal of psychology. 2018;59(1):66–73. DOI: 10.1111/sjop.12408
- 2.
- Tanaka K, Ross B, Kuriki S, Harashima T, Obuchi C, Okamoto H. Neurophysiological Evaluation of Right-Ear Advantage During Dichotic Listening. Frontiers in psychology. 2021;12. DOI: 10.3389/fpsyg.2021.696263
- 3.
- Steingrüber HJ. H-D-T Hand-Dominanztest-Test. 3. überarbeitete und neu norminierte Auflage. Hogrefe Verlag; 2010.
- 4.
- Kuehnel V, Kollmeier B, Wagener K. Entwicklung und Evaluation eines Satztests für die deutsche Sprache I: Design des Oldenburger Satztests. Zeitschrift für Audiologie. 1999;38:4–15.
- 5.
- Wagener K, Kollmeier B. Evaluation des Oldenburger Satztests mit Kindern und Oldenburger Kinder-Satztest. Z Audiol. 2005;44:134–143.