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39. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

28.09. - 01.10.2023, Köln

Vergleich von mikroskopischer und exoskopischer 3D-Mikrolaryngoskopie bei der Augmentation der Stimmlippen mit Eigenfett

Poster

  • corresponding author presenting/speaker Martin Sylvester Otte - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie der Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • Hans Eckel - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie der Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • Antonia Nolte - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie der Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • Sami Shabli - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie der Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • Jens-Peter Klußmann - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie der Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • Ruth Lang-Roth - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie der Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • Kevin Hansen - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie der Uniklinik Köln, Köln, Deutschland

39. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Köln, 28.09.-01.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocP10

doi: 10.3205/23dgpp24, urn:nbn:de:0183-23dgpp248

Veröffentlicht: 20. September 2023

© 2023 Otte et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Organische Ursachen für einen fehlenden Glottisschluss bei Phonation können unter anderem ein einseitiger Stimmlippenstillstand, Vernarbungen und Defekte nach laserchirurgischer Kehlkopfteilresektion oder altersbedingte Stimmlippenatrophien sein. Die hierdurch bedingte Dysphonie kann durch eine Augmentation der Stimmlippen, zum Beispiel mit körpereigenem Fett, verbessert werden. Im Rahmen dieser Studie sollte getestet werde, ob die Augmentation der Stimmlippen mit autologem Fett einen langfristigen Benefit auf die Stimme hat und ob hierbei die intraoperative Visualisierung der Stimmlippen durch ein 3D-Exoskop oder durch ein Standard-Operationsmikroskop zu besseren stimmlichen Erfolgen führt.

Material und Methoden: Insgesamt wurden 36 Patienten mit einer Dysphonie aufgrund einer Glottisinsuffizienz durch eine ein- oder beidseitige Eigenfett-Stimmlippenaugmentation behandelt. Präoperativ sowie drei, sechs und zwölf Monate nach der Operation erfolgte die standardisierte Stimmdiagnostik nach ESL-Protokoll inklusive Video-Stroboskopie. Die Daten wurden retrospektiv ausgewertet. Die statistische Analyse erfolgte mit Graph Pad Prism Version 8.3. (GraphPad Software, San Diego, CA).

Ergebnisse: Die Stimmqualität bei Patienten mit einem einseitigen Stimmlippenstillstand konnte durch die Fettaugmentation gebessert werden, wenngleich sich die Stimmqualität nach 12 Monaten erneut verschlechterte. Bei Patienten nach laserchirurgischer Kehlkopfteilresektion konnte eine signifikante Verbesserung der Atemlosigkeit und Heiserkeit erreicht werden, die Stimmqualität besserte sich über die 12 Monate kontinuierlich.

Diskussion: Die Auswertungen zeigten, dass es hinsichtlich der Operationszeit und der Ergebnisse keinen Unterschied zwischen der Verwendung eines 3Dex und eines OM in der Phonochirurgie zur Behandlung der Glottisinsuffizienz gibt. Darüber hinaus weisen unsere Ergebnisse auf eine vorübergehende Stimmverbesserung nach Eigenfett-Augmentation bei einseitigem Stimmlippenstillstand hin, die anschließende Stimmverschlechterung ist möglicherweise durch eine Fettabsorption bedingt. Die positiven Langzeiteffekte nach Laser-Kehlkopfteilresektion beruhen möglicherweise auf einer fettinduzierten Narbenmodifikation.

Fazit: Die Stimmlippenaugmentation mit körpereigenem Fett konnte positive Auswirkungen auf eine Dysphonie bei glottischem Restspalt erzielen, wobei der Effekt bei einseitigem Stimmlippenstillstand langfristig abnahm. Ob die Stimmlippen intraoperativ durch ein Operationsmikroskop oder ein 3D-Exoskop dargestellt werden, hat keine Auswirkungen auf das postoperative Stimmergebnis.


Text

Hintergrund

Organische Ursachen für einen fehlenden Glottisschluss bei Phonation können unter anderem ein einseitiger Stimmlippenstillstand, Vernarbungen und Defekte nach laserchirurgischer Kehlkopfteilresektion oder altersbedingte Stimmlippenatrophien sein. Durch den fehlenden Glottisschluss kommt es zu einer Dysphonie mit behauchter Stimme, einer Verbrauchsdyspnoe und zu einem gesteigerten Aspirationsrisiko. Die Lebensqualität ist beeinträchtigt [1]. Werden durch eine logopädische Übungsbehandlung keine ausreichenden Verbesserungen erzielt, können chirurgische Eingriffe, wie zum Beispiel die transorale Stimmlippenaugmentation, durchgeführt werden. Hierbei hat sich die Verwendung von autologem Bauchfett als Augmentationsmaterial etabliert. Die Visualisierung der Stimmlippen bei der transoralen Augmentation erfolgt standartmäßig durch ein Operationsmikroskop (OM), kann jedoch auch über ein 3D-Exoskop erfolgen. Im Rahmen dieser Studie sollte getestet werde, ob die Augmentation der Stimmlippen mit autologem Fett einen langfristigen Benefit auf die Stimme hat und ob hierbei die intraoperative Visualisierung der Stimmlippen durch ein 3D-Exoskop Vorteile gegenüber einem Standard-Operationsmikroskop birgt.

Methoden

Bei insgesamt 36 erwachsenen Patienten wurden zwischen März 2019 und Dezember 2021 an der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie der Universität zu Köln eine ein- oder beidseitige Augmentation der Stimmlippen mit autologem Fettgewebe durchgeführt. Alle Patienten hatten zuvor eine logopädische Stimmtherapie von mindestens 10 Einheiten erhalten. Prä- sowie drei, sechs und 12 Monate postoperativ erfolgte eine Videostroboskopie sowie eine Stimmdiagnostik mit Erhebung von maximaler Phonationszeit (MPT), RBH-Index sowie subjektiver Bewertung der Stimme mithilfe des VHI30-Fragebogens. Die Stimmlippenaugmentation wurde bei allen Patienten in einer Vollnarkose durchgeführt. Zunächst wurde mit einer Fettabsaugkanüle mit 2 mm Durchmesser Fettgewebe aus dem Unterbauch entnommen (VoiceInject, Spiggle & Theiss). Das entnommene Fettgewebe wurde 3 Minuten lang bei 3000 Umdrehungen pro Minute zentrifugiert, um die Fettzellen von den flüssigen Fettanteilen zu trennen. Die Fettzellen wurden in 1-ml-Luer-Lock-Spritzen überführt und für die Augmentation verwendet. Zur Visualisierung des Glottisraums während der Mikrolaryngoskopie wurde entweder ein konventionelles Operationsmikroskop (Tivato 700, Carl Zeiss) oder das VITOM 3D-Exoskop verwendet. Die Fettinjektion erfolgte durch Injektion in den paraglottischen Raum mittels einer Injektionsnadel mit 0,9 mm Durchmesser (VoiceInject, Spiggle & Theiss).

Ergebnisse

Bei 24 Patienten mit einem einseitigen Stimmlippenstillstand, 10 Patienten mit einem postoperativen Substanzdefekt nach Operation eines Larynx-Karzinoms und zwei Patienten mit einem presbyphonisch-bedingten Schlussdefekt wurde eine transorale Stimmlippenaugmentation mit Bauchfett durchgeführt. In der VITOM-Kohorte erhielten 4/24 (17 %) Patienten und in der OM-Gruppe 3/12 (25 %) Patienten eine bilaterale Injektion. Alle anderen Patienten erhielten eine unilaterale Augmentation.

Die Dauer der Operation und das Injektionsvolumen unterschieden sich nicht signifikant zwischen der VITOM- und der OM-Gruppe. Eine vorübergehende Verbesserung der subjektiven Stimmqualität, gemessen mit dem VHI-30-Fragebogen, wurde drei und sechs Monate nach der Operation festgestellt (P < 0,001) (Abbildung 1 [Abb. 1]). Die externe Stimmbewertung zeigte eine signifikante Verbesserung der Heiserkeit und der Rauheit der Stimme zu allen Zeitpunkten nach der Operation (Abbildung 1 [Abb. 1]). Die maximale Phonationszeit war bei den Drei- und Sechsmonatskontrollen signifikant verbessert, verschlechterte sich jedoch zwischen der 6- und 12-Monatskontrolle wieder (Abbildung 1 [Abb. 1]).

Der VHI-30-Score, war in der OM-Gruppe nicht signifikant höher als bei Patienten, die mit dem VITOM-Exoskop behandelt wurden (Abbildung 2 [Abb. 2]). Auch bei der Verbesserung von maximaler Phonationszeit, Atemnot und Heiserkeit gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen (Abbildung 2 [Abb. 2]). Die Rauheit der Stimme verbesserte sich nicht unabhängig von der Visualisierung der Glottis mit dem VITOM-Exoskop oder OM (Abbildung 2 [Abb. 2]).

Diskussion

Die Stimmlippenaugmentation kann sowohl über klassische OM als auch über exoskopische Systeme erfolgen. Im Rahmen dieser Studie konnte gezeigt werden, dass der Einsatz des VITOM-Systems die Dauer der Operation nicht verlängert. Des Weiteren konnte die Studie bestätigen, dass die Stimmlippenaugmentation mit Eigenfett eine gute Option für Patienten mit Glottisinsuffizienz darstellt, allerdings müssen die Fettresorption und die daraus resultierende mögliche Notwendigkeit weiterer Eingriffe mit Patienten, die an einem einseitigen Stimmlippenstillstand leiden, diskutiert werden. Korrespondierend zur Literatur [2], [3], [4] gab es in unserer Studie sowohl Hinweise auf eine Resorption des Fettgewebes wie auch auf einen Langzeiteffekt dieses Materials. Dies sollte in weiteren Langzeitstudien näher untersucht werden.


Literatur

1.
Onwordi LN, Al Yaghchi C. Airway Glottic Insufficiency. In: StatPearls. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2023 [zitiert 5. Juli 2023]. Verfügbar unter: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK538207/ Externer Link
2.
Prstačić R, Slipac J, Živković Ivanović T, Šimić I, Babić E, Đanić Hadžibegović A. Autologous Fat Augmentation in the Treatment of Unilateral Vocal Fold Paralysis - A 15-year Experience in a Single Institution. Acta Clin Croat. 2020 Jun;59(Suppl 1):32–7.
3.
Nishio N, Fujimoto Y, Suga K, Iwata Y, Toriyama K, Takanari K, et al. Autologous fat injection therapy including a high concentration of adipose-derived regenerative cells in a vocal fold paralysis model: animal pilot study. J Laryngol Otol. 2016 Oct;130(10):914–22.
4.
Kølle SFT, Fischer-Nielsen A, Mathiasen AB, Elberg JJ, Oliveri RS, Glovinski PV, et al. Enrichment of autologous fat grafts with ex-vivo expanded adipose tissue-derived stem cells for graft survival: a randomised placebo-controlled trial. Lancet. 2013 Sep 28;382(9898):1113–20.