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Telerehabilitation der Dysphagie bei idiopathischem Parkinson-Syndrom: Studienprotokoll einer zwei-armigen, randomisiert, kontrollierten Studie zur Überprüfung von Wirksamkeit und Praktikabilität
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Veröffentlicht: | 26. September 2022 |
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Gliederung
Zusammenfassung
Hintergrund: Die Dysphagie ist ein häufiges Symptom bei Patienten mit idiopathischem Parkinson-Syndrom (IPS) und trägt zur Entwicklung von Aspirationspneumonien bei, der häufigsten Todesursache bei IPS. Weitere schwerwiegende Folgen der Dysphagie sind Mangelernährung, Dehydratation und sozialer Rückzug. Zudem führt „Hängenbleiben“ von Medikamenten zu Wirkversagen oder -fluktuation. Der Effekt verschiedener Verfahren der Dysphagie Rehabilitation wurde in einem aktuellen systematischen Review bestätigt. Konkrete Inhalte von Therapieprogrammen sind jedoch nur unzureichend beschrieben. Telerehabilitation ist nicht zuletzt im Zuge der COVID-19-Pandemie zunehmend in den wissenschaftlichen Fokus gerückt, da sie die Patientenversorgung unterstützt und zudem das Infektionsrisiko senkt. Telerehabilitation ist bei Menschen mit IPS mit hoher Zufriedenheit durchführbar und reduziert Kosten und Aufwand. Es gibt jedoch bisher keine Studie zur Telerehabilitation der Dysphagie bei IPS.
Material und Methoden: Ziel der Studie ist es, die Wirksamkeit und Praktikabilität der Telerehabilitation der Dysphagie bei IPS zu evaluieren. In einer prospektiven, randomisiert-kontrollierten Studie mit einem Parallelgruppen-Design werden IPS-Patienten mit Dysphagie, die in der Hamburger Parkinson-Tagesklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf vorstellig werden, eingeschlossen. Die primären Endpunkte Schlucksicherheit und -effizienz werden mittels FEES vor, direkt nach der Behandlung und nach einem dreimonatigen Follow-up Zeitraum untersucht. Die Untersucher werden verblindet hinsichtlich der Studienarmzuteilung. Sekundäre Endpunkte sind schluckbezogene Lebensqualität, Behandlungszufriedenheit, Ernährungsform, Auftreten von Aspirationspneumonien oder Notwendigkeit einer PEG-Sonde. Die Patienten werden stratifiziert randomisiert. Die Kontrollgruppe wird an fünf Tagen in drei Wochen die tagesklinische Behandlung erhalten. In der Interventionsgruppe wird zusätzlich Telerehabilitation per Video-Chat erfolgen, die eine individuelle Therapie und Beratung beinhaltet.
Diskussion: Diese Studie wird Erkenntnisse liefern, inwiefern die Telerehabilitation den Alltagstransfer von therapeutischen Maßnahmen zur Erhöhung der Schlucksicherheit und -effizienz verbessert. Gerade bei IPS-Patienten könnte dies Behandlung und Lebensqualität optimieren und das gesundheitliche Risiko reduzieren. Das ist insbesondere für Patienten mit einer progredienten Erkrankung, die ihre Schluckstörung nicht adäquat wahrnehmen, von Bedeutung.
Text
Einleitung
Im Rahmen des idiopathischen Parkinson-Syndroms (IPS) entwickeln bis zu 90% der Patienten eine Dysphagie [1]. Diese ist jedoch häufig unterdiagnostiziert, da Betroffene ihre Dysphagie subjektiv nicht oder nur unzureichend wahrnehmen [2]. Resultierende Aspirationspneumonien und Mangelernährung wirken sich prognostisch negativ auf den weiteren Krankheitsverlauf aus [3]. Die Pneumonie ist die häufigste Todesursache im späteren Krankheitsstadium und hat somit das höchste Mortalitätsrisiko aller Komorbiditäten bei IPS [4], [5], [6], [7]. Weitere schwerwiegende Folgen der Dysphagie sind die Dehydratation und ein sozialer Rückzug [8], [9]. Zudem führt ein „Hängenbleiben“ von Medikamenten zu Wirkversagen oder -fluktuation [10]. Es werden positive Effekte einer Schlucktherapie bei IPS, bestehend aus restituierenden Übungen, kompensatorischen Manövern und adaptiven Maßnahmen berichtet [11], [12], [13]. Konkrete Inhalte der Therapieprogramme sind jedoch nur unzureichend beschrieben. Die Telerehabilitation ist nicht zuletzt im Zuge der Covid-19 Pandemie zunehmend in den wissenschaftlichen Fokus gerückt, da sie die Patientenversorgung unterstützt und zudem das Infektionsrisiko senkt [14], [15], [16]. Auch bei IPS erzielt diese Methode bei Patienten eine hohe Zufriedenheit und reduziert sowohl Aufwand als auch Kosten [17]. Allerdings fehlen Studien zur Telerehabiliation der Dysphagie bei IPS.
Methoden
Ziel der Studie ist es, die Wirksamkeit und Praktikabilität der Telerehabilitation bei Dysphagie im Rahmen des IPS zu evaluieren. In einer prospektiven, randomisiert-kontrollierten Studie mit einem Parallelgruppen-Design werden IPS-Patienten mit Dysphagie, die in der Hamburger Parkinson-Tagesklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf vorstellig werden, eingeschlossen. Der primäre Endpunkt, die Schluckeffizienz, wird mittels FEES vor, sowie direkt nach der Behandlung und nach einem dreimonatigen Follow-up Zeitraum untersucht. Die Untersucher werden verblindet hinsichtlich der Studienarmzuteilung. Sekundäre Endpunkte sind die Schlucksicherheit, die schluckbezogene Lebensqualität, die Behandlungszufriedenheit, die Ernährungsform, das Auftreten von Aspirationspneumonien oder die Notwendigkeit einer PEG-Sonde. Die Patienten werden stratifiziert randomisiert nach dem Schweregrad der Dysphagie. Die Kontrollgruppe wird an insgesamt fünf Tagen innerhalb von drei Wochen die tagesklinische Behandlung erhalten. In der Interventionsgruppe wird zusätzlich eine Telerehabilitation per Video-Chat erfolgen, welche eine individuelle Therapie und Beratung an drei Terminen in drei Wochen und einen Follow-up Termin beinhaltet.
Diskussion
Diese Studie soll Erkenntnisse liefern, inwiefern die Dysphagietherapie per Telerehabilitation bei IPS erfolgreich einsetzbar ist. Es wird evaluiert, ob die Beratung, Aufklärung und Therapie mittels dieses innovativen Verfahrens die Schluckeffizienz und Schlucksicherheit der Patienten erhöht und den Alltagstransfer therapeutischer Maßnahmen unterstützt. Insbesondere bei IPS-Patienten, die ihre Schluckstörung nicht adäquat wahrnehmen, könnte dies die Behandlung wie auch die Lebensqualität der Betroffenen optimieren und trotz Progredienz der Erkrankung zu einer Reduktion des gesundheitlichen Risikos durch die Dysphagie führen.
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