gms | German Medical Science

38. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

29.09. - 02.10.2022, Leipzig

Seltene Differentialdiagnosen eines Globusgefühls und kloßiger Sprache

Poster

  • corresponding author presenting/speaker Sandra Schmidt - Bundeswehrzentralkrankenhaus, Koblenz, Deutschland
  • Kai Johannes Lorenz - Bundeswehrzentralkrankenhaus, Koblenz, Deutschland
  • Müller Gunnar - Bundeswehrzentralkrankenhaus, Koblenz, Deutschland
  • Christoph Matthias - Universitätsklinik, Mainz, Deutschland
  • Anne Läßig - Universitätsklinik, Mainz, Deutschland

38. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Leipzig, 29.09.-02.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocP7

doi: 10.3205/22dgpp21, urn:nbn:de:0183-22dgpp211

Veröffentlicht: 26. September 2022

© 2022 Schmidt et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Eine 36-jährige Frau und Mutter von 3 kleinen Kindern stellt sich verzweifelt zur Zweitmeinung in unserer Klinik vor, nachdem bereits 3 Monate zuvor alio loco eine laserchirurgische Zungengrundreduktion mit Lymphknotenexstirpation und Adenotomie durchgeführt worden sei. Aktuell liege erneut der Ausgangsbefund vor.

Bereits in der Kindheit habe eine Tonsillektomie stattgefunden. Ohne Vorerkrankungen nehme die Patientin keine Dauermedikation ein.

Material und Methoden: Die im ersten Eingriff entnommene Histologie konnte seitens der Pathologie nicht erneut aufgearbeitet werden, so dass eine Revisions-Operation durchgeführt werden musste. Im Rahmen einer Mikrolaryngoskopie wurde großzügig Zungengrundtonsille mit einer Radiofrequenznadel abgetragen. Bei erschwerten Intubationsbedingungen wurde zum Schutz der Patientin eine Tracheotomie durchgeführt.

Ergebnisse: Die pathohistologische Untersuchung der Tonsillitis lingua zeigte floride Ulzerationen mit fokaler bakterieller Besiedlung, erneut ohne einen richtungsweisenden Befund. Wegen des hohen IgE-Werts wurde eine allergologische Diagnostik (Pricktest, Epikutantest, RAST-Test) angeschlossen, die keine Sensibilisierung gegenüber den getesteten Allergenen feststellen ließ.

Diskussion: Nach Ausschluss einer malignen Veränderung und enorm hohen IgE- Werten (bis 6000 U/ml) wurde an das seltene Hyper-IgE-Syndrom (Job’s-Syndrom, Hiob-Syndrom, Buckley-Syndrom) aus der immunologisch-allergologischen und pädiatrischen oder HNO-Publikationen des oberen Aerodigestivtraktes gedacht.

Differentialdiagnostisch musste aber auch wegen des jungen Lebensalters und der raschen Progredienz über ein Lymphom nachgedacht werden.

Fazit: Eine auffallende lymphatische Hyperplasie bzw. generalisierte Lymphadenopathie sollte den HNO-Arzt an ein Hyper-IgE-Syndrom denken lassen. Diagnostisch richtungsweisend dafür ist die Bestimmung der Serum-IgE Spiegels. Die Akuttherapie muss auf den häufigsten Erreger – Staphylococcus aureus – zentriert werden. Die weitere Therapie gehört in die Hand des Spezialisten. Eine Nutzen-Risiko-Abwägung lässt an einen Therapieversuch mit hochdosiertem intravenösem Immunglobulin (IVIG) denken. Durch starke Entzündungszeichen kann der histopathologisch Nachweis eines Lymphoms verschleiert werden. So scheint es auch in diesem Fall. Nach insgesamt 7 Monaten, 4 pathologische Begutachtungen, u.a. in 2 Referenzpathologien ist keine eindeutige Diagnose möglich. Am ehesten kommt ein T-Zell- Lymphom NOS in Frage und eine CTx nach CHOP wurde eingeleitet.


Text

Hintergrund

Eine 36-jährige Frau und Mutter von 3 kleinen Kindern stellt sich verzweifelt zur Zweitmeinung in unserer Klinik vor, nachdem bereits 3 Monate zuvor alio loco eine laserchirurgische Zungengrundreduktion mit Lymphknotenexstirpation und Adenotomie durchgeführt worden sei. Aktuell liege erneut der Ausgangsbefund vor. Sie habe ein Globusgefühl, eine kloßige Sprache mit Dyspnoe und Dysphagie mit reduziertem Allgemeinzustand.

Bereits in der Kindheit habe eine Tonsillektomie stattgefunden. Ohne Vorerkrankungen nehme die Patientin auch keine Dauermedikation.

Material und Methoden

Die im ersten Eingriff entnommene Histologie konnte seitens der Pathologie nicht erneut aufgearbeitet werden, so dass eine Revisions-Operation durchgeführt werden musste. Im Rahmen einer Mikrolaryngoskopie wurde großzügig die Zungengrundtonsille mit einer Radiofrequenznadel abgetragen. Bei erschwerten Intubationsbedingungen wurde zum Schutz der Patientin eine schnelle und kosmetisch schönere passagere dilatative Tracheotomie durchgeführt. Bei zweimaliger Nachblutung im postoperativen Verlauf stellte sich dies als sinnvolle Entscheidung heraus.

Ergebnisse

Die pathohistologische Untersuchung der Tonsilla lingua zeigte floride Ulzerationen mit fokaler bakterieller Besiedlung, erneut ohne einen richtungsweisenden Befund. Wegen des hohen IgE-Werts wurde eine allergologische Diagnostik (Pricktest, Epikutantest, RAST-Test) angeschlossen, die keine Sensibilisierung gegenüber den getesteten Allergenen feststellen ließ.

Diskussion

Nach primärem Ausschluss einer malignen Veränderung und enorm hohen IgE-Werten (bis 6.000 U/ml) wurde an das seltene Hyper-IgE-Syndrom (Job’s-Syndrom, Hiob-Syndrom, Buckley-Syndrom) aus den immunologisch-allergologischen [1] und pädiatrischen [2], [3] oder HNO-Publikationen des oberen Aerodigestivtraktes gedacht.

Differentialdiagnostisch musste aber auch wegen des jungen Lebensalters und der raschen Progredienz über ein Lymphom nachgedacht werden. Durch den prolongierten klinischen Verlauf wurden die Proben hartnäckig von 4 Pathologien, inklusive der Referenzpathologien Mannheim und Würzburg betrachtet. Weiterhin zeigt sich kein eindeutiges Lymphom. In der Zusammenschau wird eine monoklonale atypische Proliferation T-follikulärer Helferzellen (TFH-Zelle) ohne das typsiche Bild eines Angioimmunblastischen T-Zell-Lymphoms vermutet. Daher bestand der Verdacht auf eine frühe Infiltration der Zungengrundtonsille durch ein peripheres T-Zell-Lymphom NOS vom TFH-Typ. Unter Kortisonstoßtherapie, die ausgeschlichen wird, besserte sich der Lokalbefund. Seitens der Onkologen wurde zusätzlich mit einer CTx-Therapie nach dem CHOP-Schema, trotz ausstehender endgültiger Histologie, behandelt.

Fazit

Eine auffallende lymphatische Hyperplasie bzw. generalisierte Lymphadenopathie sollte den HNO-Arzt an ein Hyper-IgE-Syndrom denken lassen. Diagnostisch richtungsweisend dafür ist die Bestimmung der Serum-IgE Spiegels. Die Akuttherapie muss auf den häufigsten Erreger – Staphylococcus aureus – zentriert werden. Die weitere Therapie gehört in die Hand des Spezialisten. Eine Nutzen-Risiko-Abwägung lässt an einen Therapieversuch mit hochdosiertem intravenösem Immunglobulin (IVIG) denken. Durch starke Entzündungszeichen kann der histopathologische Nachweis eines Lymphoms verschleiert werden. Auch nach 10 Wochen nach der 2. Operation wird seitens der Pathologie weiter untersucht, doch klinisch wurde bereits auf den Verdacht des Hyper- IgE eine Kortisontherapie eingeleitet, die auch auf Lymphome reagieren kann. Unter Schutztracheotomie muss ein solcher Patient engmaschig betreut werden. Insbesondere bei solchen Raritäten ist eine enge Anbindung und Vermeidung von Ärztehopping notwendig.

Abbildung 1 [Abb. 1], Abbildung 2 [Abb. 2]


Literatur

1.
Belohradsky BH,Daumling S,Kiess W,Griscelli C. Das Hyper-IgE-Syndrom (Buckley- oder Hiob-Syndrom). Ergeb Inn Med Kinderheilkd.1987;55:1-39.
2.
Buckley RH. Primary immunodeficiency diseases. In: Middleton E,Reed CE, Ellis EF,Adkinson F,Yunginger JW,Busse WW, editors. Allergy. Principles and practice. 5th ed. St.Louis: Mosby;1998. p: 713-34.
3.
Gahr M,Allgeier B,Speer CP. Buchbesprechungen CD-ROM 9. Das Hyper- IgE- Syndrom. Monatsschr Kinderheilkd. 1987;135:329-35.