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38. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

29.09. - 02.10.2022, Leipzig

Intraoperatives dreifaches Neuromonitoring des Nervus laryngeus recurrens: akustisch / endoskopisch-kontrolliert / optisch-mikroskopisch

Poster

  • corresponding author presenting/speaker Simona Cantemir - Universität Witten/Herdecke St. Josefs Hospital Hagen, Hagen, Deutschland
  • author Inga M.C. Seuthe - Universität Witten/Herdecke St. Josefs Hospital Hagen, Hagen, Deutschland
  • author Sabine Eichhorn - Universität Witten/Herdecke St.Josefs Hospital Hagen, Hagen, Deutschland
  • author Jonas J.-H. Park - Universität Witten/Herdecke St. Josefs Hospital Hagen, Hagen, Deutschland

38. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Leipzig, 29.09.-02.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocP6

doi: 10.3205/22dgpp20, urn:nbn:de:0183-22dgpp203

Veröffentlicht: 26. September 2022

© 2022 Cantemir et al.
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Gliederung

Zusammenfassung

Hintergrund: Jährlich werden in Deutschland mehr als 90.000 Patienten an der Schilddrüse operiert. Eine permanente Recurrensparese findet sich je nach Studienlage in 0,5–2,7% der Fälle. 33% der iatrogenen unilateralen und 80% der iatrogenen bilateralen Stimmlippenparesen sind durch Schilddrüsenoperationen verursacht. Diese Risiken gilt es zu minimieren.

Material und Methoden: Wir möchten eine an unserer Klinik seit 2015 etablierte Methode vorstellen mit dreifacher Überwachung des N. laryngeus recurrens:

1.
Mittels Tubuselektroden werden intraoperativ nicht invasiv Muskelaktionspotentiale des Musculus vocalis abgeleitet. Hierbei werden bei der Intubation die zirkulär angebrachten Elektroden am Endotrachealtubus auf Glottisebene platziert mit gutem Kontakt zu den Stimmlippen und ermöglichen ein akustisches Signal.
2.
Nach Intubation wird über eine zusätzlich positionierte Larynxmaske ein flexibles Bronchoskop eingeführt welches die Aryhöcker und den Endotrachealtubus darstellt. Eine angeschlossene Kamera überträgt das Bild an die Monitore des Operationssaals. Bei Stimulation des Nervus laryngeus recurrens kommt es zu einer sichtbaren Aryhöckerbewegung, welche eine Korrelation zum akustischen Signal ermöglicht. Eine falsch-negative oder falsch-positive Auslösung von Aktionspotentialen durch Lageänderungen des Tubus kann dadurch aufgedeckt werden.
3.
Über ein Operationsmikroskop wird der Nervus laryngeus recurrens, welcher in unmittelbarer Nähe zur Arteria thyreoidea inferior verläuft aufgesucht und bis zu seiner Einmündung in den Larynx verfolgt. Dabei zeigt der Nerv in seiner Lagebeziehung zur Arteria thyreoidea inferior eine hohe Varianz: er kann dorsal, ventral oder zwischen den Arterienästen verlaufen.

Ergebnisse: Wir haben in dieser Weise 64 Schilddrüsen operiert. In einem einzigen Fall konnten wir den Nervus laryngeus recurrens nicht erhalten, da er sich eindeutig durch ein Schilddrüsenkarzinom infiltriert zeigte. Ansonsten konnte er durch die dreifache Überwachung sicher geschont werden.

Diskussion: In der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde sind wir es gewohnt unter dem Operationsmikroskop zu operieren, sind bereits mit Monitoren im Operationssaal ausgestattet und haben einen uneingeschränkten Zugang zu den flexiblen Bronchoskopen, so dass wir mit wenig zusätzlichen Aufwand die Möglichkeit haben, ohne große technische Umstellung oder Kostenaufwand den Nervus laryngeus inferior sicher und auf dreifache Weise zu überwachen.

Fazit: Die intraoperative nicht-invasive Überwachung ist eine sichere Methodik, um den Nervus laryngeus recurrens zu schonen.


Text

Jährlich werden in Deutschland mehr als 90.000 Patienten an der Schilddrüse operiert. Eine permanente Recurrensparese findet sich je nach Studienlage in 0,5–2,7% der Fälle.

33% der iatrogenen unilateralen und 80% der iatrogenen bilateralen Stimmlippenparesen sind durch Schilddrüsenoperationen verursacht. Diese Risiken gilt es zu minimieren.

Wir möchten eine an unserer Klinik seit 2015 etablierte Methode mit dreifacher Überwachung des N. laryngeus recurrens (Abbildung 1 [Abb. 1]) vorstellen:

1.
Mittels Tubuselektroden werden intraoperativ nicht invasiv Muskelaktionspotentiale des Musculus vocalis abgeleitet. Hierbei werden bei der Intubation die zirkulär am Endotrachealtubus angebrachten Elektroden auf Glottisebene platziert mit gutem Kontakt zu den Stimmlippen. Dadurch wird bei Stimulation des Nervus laryngeus recurrens ein akustisches Signal als feedback an den Operateur ermöglicht. Am Bildschirm des Neuromonitoring Systems kommt es gleichzeitig zu einer optischen Darstellung dieses Signals. Zur Durchführung eines erfolgreichen Neuromonitoring ist die Zusammenarbeit zwischen dem Chirurgen und dem Anästhesisten unerlässlich. Der Einsatz der Muskelrelaxantien sollte möglichst vermieden werden, da dies die Amplitude des Summenaktionspotentials im Neuromonitoring reduziert. Bei intraoperativer akzidenteller Veränderung der Tubuslage ist eine falsch-positive oder eine falsch-negative Auslösung von Aktionspotentialen möglich. Bei einem unbeabsichtigten Vorschieben des Endotrachealtubus, bei einer Lageveränderung des Patienten oder bei der Kopf-Überstreckung kann es zu einer falsch positiven Nervenstimulation kommen. Aus diesem Grunde ist eine mehrfache Überwachung des Nervus laryngeus recurrens sinnvoll.
2.
Nach Intubation wird über eine zusätzlich positionierte Larynxmaske ein flexibles Bronchoskop eingeführt, welches die Aryhöcker und den Endotrachealtubus darstellt. Eine angeschlossene Kamera überträgt das Bild an die Monitore des Operationssaals. Bei Stimulation des Nervus laryngeus recurrens kommt es zu einer sichtbaren Aryhöckerbewegung, welche eine Korrelation zum akustischen Signal ermöglicht und vom Operateur direkt über einen Monitor überprüft wird. Eine falsch-negative oder falsch-positive Auslösung von Aktionspotentialen durch Lageänderungen des Tubus kann dadurch aufgedeckt werden.
3.
Über ein Operationsmikroskop wird der Nervus laryngeus recurrens, welcher in unmittelbarer Nähe zur Arteria thyreoidea inferior verläuft aufgesucht und bis zu seiner Einmündung in den Larynx verfolgt. Dabei zeigt der Nerv in seiner Lagebeziehung zur Arteria thyreoidea inferior eine hohe Varianz: er kann dorsal, ventral oder zwischen den Arterienästen verlaufen. Über das Operationsmikroskop kann jederzeit eine zusätzliche Fotodokumentation durchgeführt werden.

Das gezeigte Verfahren wird in unserer Klinik seit 2017 angewendet. Es ist eine zusätzliche hilfreiche Methode das intraoperative Neuromonitoring in der Schilddrüsenchirurgie zu ergänzen. Die simultane Kontrolle der Stimmlippenmotillität mittels Endoskop nach Reizung des Nervus recurrens unter Mikroskop überwacht intraoperativ die richtige Platzierung des Endotrachealtubus und die Unversehrtheit des Nerven. Durch die dreifache Überwachung konnte der Nerv immer sicher geschont werden – es sei denn er war bereits durch ein Carcinom eindeutig infiltriert.