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38. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

29.09. - 02.10.2022, Leipzig

Ciclesonid als alternatives inhalatives Kortikosteroid bei chronischer Laryngitis

Vortrag

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38. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Leipzig, 29.09.-02.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocV13

doi: 10.3205/22dgpp17, urn:nbn:de:0183-22dgpp175

Veröffentlicht: 26. September 2022

© 2022 Shahpasand et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Inhalative Kortikosteroide (ICS) werden zur leitliniengerechten Therapie bei Patienten*innen mit chronisch obstruktiver pulmonaler Erkrankung (COPD) und Asthma bronchiale eingesetzt. Unerwünschte Wirkungen dieser Arzneimitteltherapie sind oropharyngeale und laryngeale Candidosen und insbesondere die chronische Laryngitis mit resultierender Dysphonie. Diese konnten sich negativ auf die Lebensqualität und Therapieadhärenz auswirken. Zudem gaben die Diagnosen „Chronische Laryngitis“ und „laryngeale Candidose“ Anlass zu invasiver Diagnostik, da differenzialdiagnostisch eine maligne Entartung auszuschließen war. Das ICS Ciclesonid ist ein Prodrug und entfaltet seine aktive Wirkung erst in der Lunge. Es war zu prüfen, ob dieses Präparat weniger Potential für unerwünschte Wirkungen aufweist. In bisherigen Studien konnte gezeigt werden, dass oropharyngeale Candidosen und eine Dysphonie unter Ciclesonid im Vergleich zu anderen ICS seltener auftraten.

Material und Methoden: Im Rahmen einer retrospektiven Studie sollte analysiert werden, ob sich der positive Effekt von Ciclesonid auch auf laryngealer Ebene nachweisen lässt. Bisher wurden Daten von 23 Patienten*innen, die von einem ICS auf Ciclesonid umgestellt wurden, erfasst. Videolupenlaryngoskopische und -stroboskopische Aufzeichnungen der Patienten*innen wurden durch zwei Phoniater*innen unter Anwendung eines eigenen Skalierungssystems befundet. Um die Auswirkung der chronischen Laryngitis auf die Stimmbildung zu beurteilen, wurden die zugehörigen Stimmanalysen (Göttinger Heiserkeitsdiagramm, GHD) ausgewertet.

Ergebnisse: Die statistische Auswertung ergab eine Verbesserung des allgemeinen Larynxbefundes nach Umstellung des ICS auf Ciclesonid mit einem durchschnittlichen Mittelwert von 5,85 (vorher) auf 6,61 (nachher) auf einer Skala von 1–10. Auch die Analyse des GHD zeigte eine Verbesserung der Irregularität und der Rauschkomponente im Mittelwert und somit eine rückläufige Heiserkeit.

Diskussion: Es ist ein positiver Effekt durch die Umstellung auf Ciclesonid anzunehmen. Die Verbesserung der Larynxbefunde könnte zudem durch die fachärztliche Anleitung zur Schleimhauthygiene mit Sole-Inhalationen unterstützt worden sein. In einer Untergruppe wäre der Effekt einer zusätzlichen Therapie mit Protonenpumpeninhibitoren zu berücksichtigen.

Fazit: Die Anwendung von Ciclesonid anstelle eines ICS zur Therapie pulmonaler Erkrankungen scheint unerwünschte laryngeale Wirkungen zu reduzieren. Mögliche Effekte auf die Compliance und Lebensqualität blieben zu prüfen. Hierfür wären prospektive und erweiterte Studien mit einem randomisierten und verblindeten Design erforderlich.


Text

Hintergrund

Inhalative Kortikosteroide (ICS) werden zur leitliniengerechten Therapie bei Patienten*Innen mit chronisch obstruktiver pulmonaler Erkrankung (COPD) und Asthma bronchiale eingesetzt. Unerwünschte Wirkungen dieser Arzneimitteltherapie sind oropharyngeale und laryngeale Candidosen und insbesondere die chronische Laryngitis mit resultierender Dysphonie [1], [2], [3], [4]. Angaben zur Prävalenz variieren in der Literatur stark. Williamson et al. (1995) ermittelten eine Dysphonie bei 39% bis 58% der behandelten Patienten*Innen. Diese konnte sich negativ auf die Lebensqualität und Therapieadhärenz auswirken. Zudem gaben die Diagnosen „Chronische Laryngitis“ und „laryngeale Candidose“ Anlass zu invasiver Diagnostik, da differenzialdiagnostisch eine maligne Entartung auszuschließen war [1], [5]. Das inhalative Kortikosteroid Ciclesonid (Handelsname Alvesco®) ist ein Prodrug und entfaltet seine aktive Wirkung erst in der Lunge [6]. Es war zu prüfen, ob dieses Präparat weniger Potential für unerwünschte Wirkungen aufweist. In bisherigen Studien konnte gezeigt werden, dass oropharyngeale Candidosen und eine Dysphonie unter Ciclesonid im Vergleich zu anderen inhalativen Kortikosteroidpräparaten seltener auftraten [7].

Material und Methoden

Im Rahmen einer retrospektiven Studie sollte analysiert werden, ob sich der positive Effekt von Ciclesonid auch auf laryngealer Ebene nachweisen lässt. Bisher wurden Daten von 23 Patienten*innen, die von einem ICS auf Ciclesonid umgestellt wurden, erfasst. Videolupenlaryngoskopische und -stroboskopische Aufzeichnungen der Patienten*innen wurden durch zwei Phoniater*innen unter Anwendung eines eigenen Skalierungssystem befundet. Um die Auswirkung der chronischen Laryngitis auf die Stimmbildung zu beurteilen, wurden die zugehörigen Stimmanalysen (Göttinger Heiserkeitsdiagramm, GHD) ausgewertet.

Ergebnisse

Die statistische Auswertung ergab eine Verbesserung des allgemeinen Larynxbefundes nach Umstellung des ICS auf Ciclesonid mit einem durchschnittlichen Mittelwert von 5,85 (vorher) auf 6,61 (nachher) auf einer Skala von 1–10 (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Die Analyse des GHD wird in einer getrennten Studie erfolgen. Darüber hinaus zeigte sich in den beiden Vergleichsgruppen, welche das ICS absetzten oder die Einnahme unverändert fortführten, ebenfalls eine Verbesserung der allgemeinen Larynxfunktion. Der Vergleich der Summenscores der Laryngoskopie- und Stroboskopiebefunde aller drei Gruppen wies im Verlauf eine Verringerung auf, die jedoch statistisch nicht signifikant war (siehe Abbildung 2 [Abb. 2] und Abbildung 3 [Abb. 3]).

Diskussion

Es war ein positiver Effekt auf die Larynxfunktion und -befunde durch die Umstellung auf Ciclesonid festzustellen, wenngleich dieser klinische Eindruck keine statistische Signifikanz zeigte. Erstaunlicherweise zeigten alle drei Gruppen Verbesserungen in Funktion und Befund auf, mutmaßlich durch die fachärztliche Anleitung zur Schleimhauthygiene sowie Sole-Inhalationen. In einer Untergruppe wäre der Effekt einer zusätzlichen Therapie mit Protonenpumpeninhibitoren zu berücksichtigen.

Fazit

Die Anwendung von Ciclesonid anstelle eines anderen ICS zur Therapie pulmonaler Erkrankungen scheint unerwünschte laryngeale Wirkungen zu reduzieren. Mögliche Effekte auf die Compliance und Lebensqualität blieben zu prüfen. Hierfür wären prospektive und erweiterte Studien mit einem randomisierten und verblindeten Design erforderlich.


Literatur

1.
DelGaudio JM. Steroid inhaler laryngitis: dysphonia caused by inhaled fluticasone therapy. Arch Otolaryngol Head Neck Surg. 2002 Jun;128(6):677-81. DOI: 10.1001/archotol.128.6.677 Externer Link
2.
Krecicki T, Liebhart J, Morawska-Kochman M, Liebhart E, Zatoński M, Zalesska-Krecicka M. Corticosteroid-induced laryngeal disorders in asthma. Med Sci Monit. 2006 Aug;12(8):CR351-4.
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Gallivan GJ, Gallivan KH, Gallivan HK. Inhaled corticosteroids: hazardous effects on voice-an update. J Voice. 2007 Jan;21(1):101-11. DOI: 10.1016/j.jvoice.2005.09.003 Externer Link
4.
Hackenberg S, Hacki T, Hagen R, Kleinsasser NH. Stimmstörungen bei Asthma bronchiale [Voice disorders in asthma]. Laryngorhinootologie. 2010 Aug;89(8):460-4. DOI: 10.1055/s-0030-1249694 Externer Link
5.
Chmielewska M, Akst LM. Dysphonia associated with the use of inhaled corticosteroids. Curr Opin Otolaryngol Head Neck Surg. 2015 Jun;23(3):255-9. DOI: 10.1097/MOO.0000000000000153 Externer Link
6.
Nave R, Fisher R, Zech K. In Vitro metabolism of ciclesonide in human lung and liver precision-cut tissue slices. Biopharm Drug Dispos. 2006 May;27(4):197-207. DOI: 10.1002/bdd.500 Externer Link
7.
Derendorf H. Pharmacokinetic and pharmacodynamic properties of inhaled ciclesonide. J Clin Pharmacol. 2007 Jun;47(6):782-9. DOI: 10.1177/0091270007299763 Externer Link