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37. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

17.09. - 18.09.2021, digital

Herstellung von künstlichem Mukus und Einfluss auf die Phonation in exzidierten Schweinekehlköpfen

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Gregor Peters - Phoniatrie und Pädaudiologie, Hals-Nasen-Ohren Klinik, Kopf- und Halschirurgie, Universitätsklinikum Erlangen, FAU Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • Bernhard Jakubaß - Phoniatrie und Pädaudiologie, Hals-Nasen-Ohren Klinik, Kopf- und Halschirurgie, Universitätsklinikum Erlangen, FAU Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • Marion Semmler - Phoniatrie und Pädaudiologie, Hals-Nasen-Ohren Klinik, Kopf- und Halschirurgie, Universitätsklinikum Erlangen, FAU Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • Stefan Kniesburges - Phoniatrie und Pädaudiologie, Hals-Nasen-Ohren Klinik, Kopf- und Halschirurgie, Universitätsklinikum Erlangen, FAU Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • David Böhringer - Institut für Physik der Kondensierten Materie, Lehrstuhl für Biophysik, FAU Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • Herbert Canziani - Department Chemie- und Bioingenieurwesen, Lehrstuhl für Feststoff- und Grenzflächenverfahrenstechnik, FAU Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • Olaf Wendler - Phoniatrie und Pädaudiologie, Hals-Nasen-Ohren Klinik, Kopf- und Halschirurgie, Universitätsklinikum Erlangen, FAU Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • Stephan Dürr - Hals-Nasen-Ohren Klinik, Kopf- und Halschirurgie, Universitätsklinikum Erlangen, FAU Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • David A. Berry - University of California, Los Angeles, David Geffen School of Medicine, Department of Head and Neck Surgery, Los Angeles, Vereinigte Staaten
  • Michael Döllinger - Phoniatrie und Pädaudiologie, Hals-Nasen-Ohren Klinik, Kopf- und Halschirurgie, Universitätsklinikum Erlangen, FAU Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland

37. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). sine loco [digital], 17.-18.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocV23

doi: 10.3205/21dgpp47, urn:nbn:de:0183-21dgpp476

Veröffentlicht: 28. Oktober 2021

© 2021 Peters et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Die Konsistenz von Mukus wird von Krankheiten wie ektodermaler Dysplasie oder Mukoviszidose beeinflusst. Begleiterscheinungen können Heiserkeit und Stimmprobleme sein. In ersten Ex-vivo-Studien wurde bereits der Einfluss von künstlichem Mukus auf die Schwingungscharakteristika der Stimmlippen festgestellt. Allerdings konnte eine realistische Viskeoelastizität aufgrund fehlender Daten nicht nachgebildet werden. Eine kürzlich veröffentlichte Studie über die rheologischen Eigenschaften von humanem, laryngealem Mukus ermöglicht nun die Herstellung eines künstlichen Mukus mit physiologischer Viskoelastizität. Somit kann der Einfluss von Mukus auf das Schwingungsverhalten der Stimmlippen untersucht werden. Hierfür eignen sich Ex-vivo-Messungen mit exzidierten Tierkehlköpfen. Diese sind messtechnisch gut zugänglich und lassen systematische Messreihen unter kontrollierten Bedingungen zu. Die Reproduzierbarkeit der Versuche ist zusätzlich durch eine automatisierte Versuchsdurchführung und Datenerfassung gegeben. Des Weiteren kann durch Manipulation der Stimmlippenstellung der Einfluss des Mukus auf den Glottisschluss oder die Symmetrie der Stimmlippen untersucht werden.

Material und Methoden: Die Rheologie verschiedener Gele wurde mittels Particle Tracking Microrheology sowie konventioneller Scherrheologie untersucht und mit der Viskoelastizität von humanem, laryngealen Mukus verglichen. Es wurden vier verschiedene synthetische Mukusgele hergestellt und deren Einfluss auf die Oszillation der Stimmlippen mittels Highspeed-Videoaufnahmen, Druck- und Akustikmessungen an je sechs exzidierten Schweinekehlköpfen quantifiziert.

Ergebnisse: Xanthan überzeugte hinsichtlich seiner Gelbildungseigenschaften und Viskoelastizität gegenüber Polyacrylsäure und Hydroxyethylcellulose, um humanen laryngealen Mukus nachzubilden. Ex-vivo-Experimente wurden erfolgreich mit vier Xanthangelen unterschiedlicher Konsistenz durchgeführt, um die Diversität von humanem laryngealem Mukus abzubilden und deren Einfluss zu untersuchen. Die Auswertung der Messdaten erfolgt mit der hausintern entwickelten Software Glottis Analysis Tools (GAT) und wird Erkenntnisse über die Effekte der Gele auf die Bewegungscharakteristik der Stimmlippen (Glottisschluss, Symmetrie, Periodizität) sowie akustische Parameter liefern.

Diskussion: Xanthangele wurden hinsichtlich ihrer Viskoelastizität als künstlicher Mukusersatz für Ex-vivo-Experimente identifiziert. Dies ermöglichte reproduzierbare Experimente zur Feststellung des Einflusses von Mukus auf die Phonation. Da Xanthan in Arzneimitteln und Medizinprodukten als Hilfsstoff eingesetzt wird und als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen ist, wäre eine Verwendung in Mukus-Ersatzpräparaten denkbar.

Fazit: Die Entwicklung eines künstlichen Mukus für Ex-vivo-Experimente ermöglicht Untersuchungen zur Wirkung von Mukus auf die Phonation und fördert die Weiterentwicklung und klinische Anwendung von Mukus-Ersatzpräparaten, wodurch eine evidenzbasierte Diagnostik und Therapie von Stimmkrankheiten unterstützt wird.


Text

Hintergrund

Die Konsistenz von Mukus wird von Krankheiten wie ektodermaler Dysplasie oder Mukoviszidose beeinflusst. Begleiterscheinungen können Heiserkeit und Stimmprobleme sein. In ersten Ex-vivo-Studien wurde bereits der Einfluss von künstlichem Mukus auf die Schwingungscharakteristika der Stimmlippen festgestellt. Allerdings konnte eine realistische Viskoelastizität aufgrund fehlender Daten von humanem Kehlkopfmukus nicht nachgebildet werden. Eine kürzlich veröffentlichte Studie über die rheologischen Eigenschaften von humanem, laryngealem Mukus [1] ermöglicht nun die Herstellung eines künstlichen Mukus mit physiologischer Viskoelastizität. Somit kann der Einfluss von Mukus auf das Schwingungsverhalten der Stimmlippen im Modell untersucht werden. Hierfür eignen sich Ex-vivo-Messungen mit exzidierten Tierkehlköpfen. Diese sind messtechnisch gut zugänglich und lassen systematische Messreihen unter kontrollierten Bedingungen zu. Die Reproduzierbarkeit der Versuche ist zusätzlich durch eine automatisierte Versuchsdurchführung und Datenerfassung gegeben. Des Weiteren kann durch Manipulation der Stimmlippenstellung der Einfluss des Mukus auf den Glottisschluss oder die Symmetrie der Stimmlippenschwingungen untersucht werden.

Material und Methoden

Die Rheologie verschiedener Flüssigkeiten wurde mittels Particle Tracking Microrheology sowie konventioneller Scherrheologie untersucht und mit der Viskoelastizität von humanem, laryngealem Mukus verglichen. Es wurden vier verschiedene wasserbasierte synthetische Schleime hergestellt und deren Einfluss auf die Oszillation der Stimmlippen mittels Highspeed-Videoaufnahmen, Druck- und Akustikmessungen an je sechs exzidierten Schweinekehlköpfen quantifiziert.

Ergebnisse

Xanthan überzeugte hinsichtlich seiner Gelbildungseigenschaften und Viskoelastizität gegenüber Polyacrylsäure und Hydroxyethylcellulose, um humanen laryngealen Mukus nachzubilden. Um die Diversität von humanem laryngealem Mukus abzubilden und deren Einfluss zu untersuchen, wurden drei Xanthankonzentrationen gewählt, die den mittleren Viskoelastizitäten von gruppierten, humanen, laryngealen Mukusproben entsprechen und in vorangegangenen Untersuchungen [1] ermittelt wurden. In einem vierten Ansatz wurde zusätzlich Mucin beigemischt, um dessen Einfluss zu testen. Der Vergleich der Viskoelastizitäten, bestimmt mittels Particle Tracking Microrheology, ist in Abbildung 1 [Abb. 1] dargestellt.

Der Effekt des künstlichen Schleims auf die Schwingungscharakteristika der Stimmlippen wurde an insgesamt 24 Schweinekehlköpfen untersucht. Die Auswertung der Messdaten erfolgte mit der hausintern entwickelten Software Glottis Analysis Tools (GAT) und wird Erkenntnisse über die Effekte der künstlichen Schleime auf die Bewegungscharakteristik der Stimmlippen (Glottisschluss, Symmetrie, Periodizität) sowie akustische Parameter liefern.

Diskussion

Xanthangele wurden hinsichtlich ihrer Viskoelastizität als künstlicher Mukusersatz für Ex-vivo-Experimente identifiziert. Dies ermöglichte reproduzierbare Experimente zur Feststellung des Einflusses von Mukus auf die Phonation. Da Xanthan in Arzneimitteln und Medizinprodukten als Hilfsstoff eingesetzt wird und als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen ist, wäre eine Verwendung in Mukus-Ersatzpräparaten denkbar.

Fazit

Mit Xanthan konnten künstliche Schleime mit realistischen viskoelastischen Eigenschaften hergestellt werden. Diese eigneten sich für den Einsatz in Ex-vivo-Experimenten mit exzidierten Kehlköpfen und ermöglichten Untersuchungen zur Wirkung von Mukus auf die Phonation. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Konsistenz von Mukus einen Einfluss auf die Dynamik und Akustik der Stimmlippen im exzidierten Kehlkopfmodell hat. Insgesamt fördern die Erkenntnisse die Weiterentwicklung und klinische Anwendung von Mukus-Ersatzpräparaten, wodurch eine evidenzbasierte Diagnostik und Therapie von Stimmkrankheiten unterstützt wird.


Literatur

1.
Peters G, Wendler O, Böhringer D, Gostian AO, Müller SK, Canziani H, Hesse N, Semmler M, Berry DA, Kniesburges S, Peukert W, Döllinger M. Human Laryngeal Mucus from the Vocal Folds: Rheological Characterization by Particle Tracking Microrheology and Oscillatory Shear Rheology. Appl Sci (Basel). 2021;11(7):3011. DOI: 10.3390/app11073011 Externer Link