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37. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

17.09. - 18.09.2021, digital

Expositionsreduktion als Prävention des Personals im Rahmen der Cov19-Infektion

Vortrag

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37. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). sine loco [digital], 17.-18.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocV19

doi: 10.3205/21dgpp43, urn:nbn:de:0183-21dgpp432

Veröffentlicht: 28. Oktober 2021

© 2021 Schmidt.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Seit Beginn der Pandemie war die Behandlung von HNO-Patienten auf das Notwendigste begrenzt. Neben Tumorpatienten und Patienten der OP-Kategorien A–C wurden nur noch Tracheotomien kontinuierlich – insbesondere auch an Cov19-Patienten durchgeführt.

Dabei wurde die Tracheotomie sofort als „high risk procedure“ eingestuft.

Über die Form der Tracheotomie wird seit Jahren zwischen den Fachbereichen diskutiert.

Material und Methoden: Die dilatative Tracheotomie wird mittlerweile insbesondere von Intensivmedizinern eigenständig durchgeführt und der HNO-Chirurg wird nur zu den Komplikationen hinzugebeten.

In der HNO-Klinik des Bundeswehrzentralkrankenhauses werden, abgesehen von der MKG-Klinik, alle Tracheotomien von der HNO-Klinik durchgeführt.

Durch die langjährige Erfahrung mit der dilatativen Tracheotomie konnte im Rahmen der Coronapandemie vor allem ressourcensparend (Personal, Zeit, Material, OP-Säle, …) als auch expositionsreduzierend für das eigene Personal vorgegangen werden.

Ergebnisse: Seit März 2020 wurden insgesamt 42 Patienten mit nachgewiesener Cov-19-Infektion tracheotomiert. Davon wurden 4 perkutane plastisch chirurgische Tracheotomien und 38 dilatativ endoskopisch kontrollierte Tracheotomien durchgeführt.

Dabei wurde mit den Kollegen der Anästhesie gemeinsam entschieden, welches operative Vorgehen bei jedem einzelnen Patienten individuell, je nach Habitus des Patienten, erwartetem Verlauf, Krankheitsgeschichte und aktuellem Status das geeignete Verfahren erscheint.

Diskussion: Die dilatative Tracheotomie ist in der heutigen Zeit nicht mehr aus der Intensivmedizin wegzudenken. Daher sollte sich der HNO-Chirurg diesem Verfahren nicht verschließen, sondern vielmehr mitentscheiden, wann das erhöhte Risiko der schlechteren Übersicht vertretbar ist und anschließend auch mitgestalten, um die Tracheotomie auch selbst durchzuführen und dieses Operationsverfahren im Fachbereich zu halten/aufzunehmen. Denn die plastischen Tracheotomien werden in Zukunft sicher noch weniger.

Fazit: Allein zur Expositionsreduktion und zur Ressourcenersparnis sollte die endoskopisch kontrollierte dilatative Tracheotomie erneut in die Hände der HNO-Ärzte gegeben werden. Wir sollten uns nicht vor den Indikationsverschiebungen der Tracheotomie der betroffenen Fachgesellschaften und den daraus resultierenden Verfahrensveränderungen verschließen.


Text

Hintergrund

Seit Beginn der Pandemie war die Behandlung von HNO-Patienten auf das Notwendigste begrenzt. Neben Tumorpatienten und Patienten der OP-Kategorien A–C wurden nur noch Tracheotomien kontinuierlich – insbesondere auch an Cov19 Patienten durchgeführt.

Dabei wurde die Tracheotomie sofort als „high risk procedure“ eingestuft. Über die Form der Tracheotomie wird seit Jahren zwischen den Fachbereichen diskutiert.

Methoden

Die dilatative Tracheotomie wird mittlerweile insbesondere von Intensivmedizinern eigenständig durchgeführt und der HNO-Chirurg wird nur zu den Komplikationen hinzugebeten.

In der HNO-Klinik des Bundeswehrzentralkrankenhauses werden, abgesehen von der MKG-Klinik, alle Tracheotomien von der HNO-Klinik durchgeführt.

Durch die langjährige Erfahrung mit der dilatativen Tracheotomie konnte im Rahmen der Coronapandemie vor allem ressourcensparend (Personal, Zeit, Material, OP-Säle, …) als auch expositionsreduzierend für das eigene Personal vorgegangen werden.

Ergebnisse

Seit März 2020 wurden insgesamt 42 Patienten mit nachgewiesener Cov-19-Infektion tracheotomiert. Davon wurden 4 perkutane plastische chirurgische Tracheotomien und 38 dilatative endoskopisch kontrollierte Tracheotomien durchgeführt.

Dabei wurde mit den Kollegen der Anästhesie gemeinsam entschieden, welches operative Vorgehen bei jedem einzelnen Patienten individuell, je nach Habitus des Patienten, erwartetem Verlauf, Krankheitsgeschichte und aktuellem Status als das geeignete Verfahren erscheint.

Seit 23.02.2021 besteht eine S3-Leitlinie mit Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit Covid-19. Dabei wird für die Tracheotomie unter 5.5 empfohlen, dass nur erfahrenes Personal, nur eine Mindestanzahl an Personal in der Kabine ist und die Prozedur in Apnoe durchgeführt werden muss.

Diskussion

Die dilatative Tracheotomie ist in der heutigen Zeit nicht mehr aus der Intensivmedizin wegzudenken. HNO-Chirurgen sollten sich diesem Verfahren nicht verschließen. Sie sollten mitentscheiden, wann die Vorteile des Verfahrens überwiegen, um auch diese Tracheotomie selbst durchzuführen. Nur so können alle Tracheotomien in Zukunft im Fachbereich gehalten werden.

Bei deutlich reduziertem eigenem Personal in der HNO-Klinik wurde bei insgesamt 495 Cov-19-positiven Patienten, von denen 141 auf IMC stationär behandelt wurden, 89 beatmet und davon 38 Patienten wegen schweren hypoxämischen Atemversagens tracheotomiert. Von den 38 Tracheotomien waren 36 Tracheotomien endoskopisch kontrolliert dilatativ und 2 plastisch (chirurgisch) tracheotomiert.

Während plastische Tracheotomien bei Durchführung auf der Intensivstation immer eine unbequeme Haltung für die Durchführenden bedeuten, konnten die plastischen Tracheotomien problemlos in unproblematischer Position auf der Intensivstation durchgeführt werden. Alle diese Tracheotomien fanden auf der Intensivstation oder IMC statt. Das Patientenalter der 36 Männer und 2 Frauen war zwischen 44–82 Jahren. Bei einem BMI von 21–42 (eine Ausnahme mit 170 kg bei 170 cm wurde bei der Rechnung nicht mitbetrachtet), kam es zu gar keinen Komplikationen (Tabelle 1 [Tab. 1]).

Fazit

Die Punktionstracheotomie ist ein sicheres, schnelles und ressourcensparendes Verfahren, welches eine Bereicherung für das übliche operative HNO-Spektrum darstellt. Insbesondere in Zeiten einer Pandemie kann durch die geringere Belastung des Patienten mit Verschieben in den Operationssaal, Dislokation des Tubus mit Kontamination des Raumes, geringere Operationsdauer in Apnoe mit Reduktion der Expositionsdauer für das Personal, geringere Belastung des Personals in Vollschutz ein deutlicher Gewinnverzeichnet werden. Doch um in Pandemiezeiten dilatativ tracheotomieren zu können, muss dieses Verfahren auch im Alltag als Standardverfahren mit betrachtet werden.

Allein zur Expositionsreduktion und zur Ressourcenersparnis (Personal, Material, OP-Saal, ...) sollte die endoskopisch kontrollierte dilatative Tracheotomie überall in die Hände der HNO-Ärzte gegeben werden. Die Indikationsverschiebungen mit frühzeitigerer Tracheotomie zur Verbesserung der Bronchiallavage, die häufigerere Tracheotomie mit atraumatischerem Vorgehen und plastisch und funktionell besserem Ergebnis nach Verschluss des Tracheostomas sollte den Blick der HNO-Fachgesellschaft auch zum Erhalt des Eingriffes in der Weiterbildung der HNO-Ärzte und Phoniater öffnen.

Votum der Ethikkommission Mainz 2021-15863


Literatur

1.
Mick P, Murphy R. Aerosol-generating otolaryngology procedures and the need for enhanced PPE during the COVID-19 pandemic: a literature review. J Otolaryngol Head Neck Surg. 2020;49(1):29. DOI: 10.1186/s40463-020-00424-7 Externer Link
2.
Kempfle JS, Löwenheim H, Huebner MJ, Iro H, Mueller SK. Management von Patienten mit Tracheostoma während der COVID-19-Pandemie: Literaturüberblick und Demonstration [Management of tracheostomy patients during the COVID-19 pandemic: review of the literature and demonstration]. HNO. 2020;68(11):828-37. DOI: 10.1007/s00106-020-00892-3 Externer Link
3.
Wölfel R, Corman VM, Guggemos W, Seilmaier M, Zange S, Müller MA, Niemeyer D, Jones TC, Vollmar P, Rothe C, Hoelscher M, Bleicker T, Brünink S, Schneider J, Ehmann R, Zwirglmaier K, Drosten C, Wendtner C. Virological assessment of hospitalized patients with COVID-2019. Nature. 2020;581(7809):465-9. DOI: 10.1038/s41586-020-2196-x Externer Link