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37. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

17.09. - 18.09.2021, digital

Progrediente bilaterale Stimmlippenlähmung

Poster

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37. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). sine loco [digital], 17.-18.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocP8

doi: 10.3205/21dgpp14, urn:nbn:de:0183-21dgpp148

Veröffentlicht: 28. Oktober 2021

© 2021 Shahpasand et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Idiopathische Stimmlippenlähmungen erfordern stets den Tumorausschluss durch eine Schichtbildgebung im gesamten Verlauf des X. Hirnnerven und des Nervus recurrens. Eine serologische Untersuchung dient ebenfalls der Klärung einer Genese. Wir berichten über einen 67-jährigen Patienten, der sich im Oktober 2020 sowie im Januar 2021 in unserer Klinik mit einer seit September 2020 bestehenden Dysphonie vorstellte.

Material und Methoden: Bei der Erstvorstellung erfolgten eine Videolupenlaryngoskopie, eine Videostroboskopie sowie eine perzeptive und objektive Stimmanalyse. Des Weiteren wurden eine kontrastmittelgestützte Computertomographie (CT) von Kopf, Hals und Thorax durchgeführt, sowie eine serologische Untersuchung auf neurotrope Viren veranlasst. Bei der Wiedervorstellung erfolgten die videostroboskopische Kontrolle sowie die Würdigung der serologischen Befunde. Auf eine laryngeale Elektromyographie wurde beim eindeutigen Lähmungsbild verzichtet.

Ergebnisse: Initial zeigte sich lupenlaryngoskopisch ein paramedianer Stimmlippenstillstand rechts mit fehlendem Glottisschluss. Die Stimmqualität war stark eingeschränkt (R3 B3 H3). Bei der Verlaufskontrolle zeigte sich neben dem bereits bekannten paramedianen Stimmlippenstillstand rechtsseitig nun auch eine Abduktionsstörung der linken Stimmlippe. Die Glottis war bei Respiration weit. Es bestand keine Dyspnoe. Der Patient war nun aphon. Die Computertomographie erbrachte keinen pathologischen Befund. Im Rahmen der Virusdiagnostik zeigte sich schließlich eine aktive Mumpsvirusinfektion.

Diese wurde dem Gesundheitsamt gemeldet. Da der Patient respiratorisch stabil und auch ansonsten beschwerdefrei war, ergaben sich neben der Einleitung einer logopädischen Therapie sowie der Erhebung audiologischer Befunde keine weiteren therapeutischen Konsequenzen in der Akutphase.

Diskussion: Mumpsinfektionen weisen eine große Variabilität im klinischen Erscheinungsbild auf. In vielen Fällen verlaufen sie klinisch inapparent. Dieser Fall legt die seltene klinische Manifestation der akuten Mumpsinfektion mit einer progredienten beidseitigen Stimmlippenlähmung nahe.

Fazit: Der Casus zeigt nach unserer Literaturrecherche eine bis dato nicht beschriebene beidseitige Stimmlippenlähmung bei akuter Mumpsinfektion.

Wir möchten mit diesem seltenen Fall auf die Bedeutung der Virusserologie im Rahmen der Diagnostik von „idiopathischen“ Stimmlippenlähmungen aufmerksam machen. Diese sollten das Zytomegalie-, Masern-, Mumps-, Röteln-, Varizellen-, Herpes-, Frühsommer-Meningoenzephalitis- (FSME-), Coxsackie-, Humanes-Immundefizienz- (HIV-) sowie das Epstein-Barr-Virus beinhalten und aus aktuellem Anlass um SARS-CoV-2 ergänzt werden. Das Erregerspektrum kann um Bakterien und Parasiten wie Borrelien, Toxoplasma gondii, Treponema pallidum sowie Brucellose erweitert werden.


Text

Hintergrund

Idiopathische Stimmlippenlähmungen erfordern stets den Tumorausschluss durch eine Schichtbildgebung im gesamten Verlauf des X. Hirnnerven und des Nervus laryngeus recurrens [1], [2]. Eine serologische Untersuchung dient ebenfalls der Klärung einer Genese [1], [2]. Wir berichten über einen 67-jährigen Patienten, der sich erstmalig im Oktober 2020 in unserer Klinik mit einer seit vier Wochen bestehenden Dysphonie vorstellte.

Material und Methoden

Bei der Erstvorstellung erfolgten eine Videolupenlaryngoskopie, eine Videostroboskopie sowie eine perzeptive und objektive Stimmanalyse. Des Weiteren wurden eine kontrastmittelgestützte Computertomographie (CT) von Kopf, Hals und Thorax durchgeführt sowie eine serologische Untersuchung auf neurotrope Viren und Borrelien veranlasst. Bei der Wiedervorstellung erfolgten die videostroboskopische Kontrolle sowie die Würdigung der serologischen Befunde. Auf eine laryngeale Elektromyographie wurde beim eindeutigen Lähmungsbild verzichtet.

Ergebnisse

Initial zeigte sich lupenlaryngoskopisch ein paramedianer Stimmlippenstillstand rechts mit fehlendem Glottisschluss. Die Stimmqualität war stark eingeschränkt (R3 B3 H3). Bei der Verlaufskontrolle zeigte sich neben dem bereits bekannten paramedianen Stimmlippenstillstand rechtsseitig nun auch eine Abduktionsstörung der linken Stimmlippe. Schließlich bestanden beidseits intermediäre Stimmlippenstillstände. Die Glottis war bei Respiration weit. Es bestand keine Dyspnoe. Der Patient war nun aphon. Die Computertomographie erbrachte keinen pathologischen Befund. Im Rahmen der Virusdiagnostik zeigte sich schließlich eine aktive Mumpsvirusinfektion. Diese wurde dem Gesundheitsamt gemeldet.

Da der Patient respiratorisch stabil und auch ansonsten beschwerdefrei war, ergaben sich neben der Einleitung einer logopädischen Therapie sowie der Erhebung audiologischer Befunde keine weiteren therapeutischen Konsequenzen in der Akutphase. In der Reintonaudiometrie zeigte sich eine vorbekannte basocochleäre Schallempfindungsstörung. Im weiteren Verlauf zeigten sich die Mumpsantikörper rückläufig.

Diskussion

Mumpsinfektionen weisen eine große Variabilität im klinischen Erscheinungsbild auf. In vielen Fällen verlaufen sie klinisch inapparent [3]. Dieser Fall legt die seltene klinische Manifestation der akuten Mumpsinfektion mit einer progredienten beidseitigen Stimmlippenlähmung nahe.

Fazit

Der Casus zeigt nach unserer Literaturrecherche eine bis dato nicht beschriebene beidseitige Stimmlippenlähmung bei akuter Mumpsinfektion. Mumpsinfektionen waren eher mit peripheren Facialisparesen assoziiert [4], [5], [6]. Stimmlippenlähmungen viraler Genese wurden in der Literatur mehrfach im Zusammenhang mit VZV-, HSV- und ZMV-Infektionen beschrieben [7], [8], [9].

Wir möchten mit diesem seltenen Fall an die Bedeutung der Virusserologie im Rahmen der Diagnostik von „idiopathischen“ Stimmlippenlähmungen erinnern. Diese sollten das Zytomegalie-, Masern-, Mumps-, Röteln-, Varizellen-, Herpes-, Frühsommer-Meningoenzephalitis- (FSME-), Coxsackie-, Humanes-Immundefizienz- (HIV-) sowie das Epstein-Barr-Virus beinhalten und aus aktuellem Anlass um SARS-CoV-2 ergänzt werden [7], [9], [10], [11], [12]. Das Erregerspektrum kann um Bakterien und Parasiten wie Borrelien, Toxoplasma gondii, Treponema pallidum sowie Brucellose erweitert werden [13].

Abbildung 1 [Abb. 1], Abbildung 2 [Abb. 2], Abbildung 3 [Abb. 3]


Literatur

1.
Wendler J, Seidner W, Eysholdt U. Lehrbuch der Phoniatrie und Pädaudiologie. Leipzig: Thieme; 2015.
2.
Diagnose-Algorithmus bei Recurrensparese. HNO Nachrichten. 2014;(6). DOI: 10.1007/s00060-014-0463-x Externer Link
3.
Stock I. Mumps – eine Infektionskrankheit mit vielen Gesichtern. Med Monatsschr Pharm. 2007 Jul;30(7):249-56; quiz 257-8.
4.
Endo A, Izumi H, Miyashita M, Okubo O, Harada K. Facial palsy associated with mumps parotitis. Pediatr Infect Dis J. 2001;20(8):815-6. DOI: 10.1097/00006454-200108000-00023 Externer Link
5.
Incecik F, Hergüner MO, Altunbasak S. Facial palsy caused by mumps parotitis. Neurol India. 2009;57(4):511-2. DOI: 10.4103/0028-3886.55589 Externer Link
6.
Robertson JF, Azmy AA. Facial paralysis in acute parotitis. Z Kinderchir. 1987;42(5):312. DOI: 10.1055/s-2008-1075610 Externer Link
7.
Rajati M, Zarringhalam MA. Ramsay Hunt Syndrome Associated with True Vocal Cord Palsy – A Case Report. Iran J Otorhinolaryngol. 2019;31(103):115-8.
8.
Rasmussen ER, Mey K. Vocal cord paralysis associated with Ramsay Hunt syndrome: looking back 50 years. BMJ Case Rep. 2014;2014:bcr2013201038. DOI: 10.1136/bcr-2013-201038 Externer Link
9.
Parano E, Pavone L, Musumeci S, Giambusso F, Trifiletti RR. Acute palsy of the recurrent laryngeal nerve complicating Epstein-Barr virus infection. Neuropediatrics. 1996;27(3):164-6. DOI: 10.1055/s-2007-973769 Externer Link
10.
Choi JH. Two cases of pharyngolaryngeal zoster advanced to multiple cranial neuropathy. Am J Otolaryngol. 2013;34(4):369-72. DOI: 10.1016/j.amjoto.2013.01.008 Externer Link
11.
Gerlich W, Doerr HW. Medizinische Virologie: Grundlagen, Diagnostik, Prävention und Therapie viraler Erkrankungen. Leipzig: Thieme; 2009.
12.
Korkmaz MÖ, Güven M. Unilateral Vocal Cord Paralysis Case Related to COVID-19. SN Compr Clin Med. 2021:1-3. DOI: 10.1007/s42399-021-01024-w Externer Link
13.
Karosi T, Rácz T, Szekanecz E, Tóth A, Sziklai I. Recurrent laryngeal nerve paralysis due to subclinical Lyme borreliosis. J Laryngol Otol. 2010;124(3):336-8. DOI: 10.1017/S0022215109990867 Externer Link