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37. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

17.09. - 18.09.2021, digital

Onkologische und stimmbezogene Ergebnisse nach transoraler CO2-Lasermikrochirurgie von T1a-Stimmlippenkarzinomen

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Philipp P. Caffier - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
  • Wen Song - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
  • Felix Caffier - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
  • Tatiana Ermakova - Fraunhofer FOKUS, Berlin, Deutschland
  • Alexios Martin - Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen, Trier, Deutschland
  • author Dirk Mürbe - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
  • author Tadeus Nawka - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland

37. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). sine loco [digital], 17.-18.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocV36

doi: 10.3205/21dgpp05, urn:nbn:de:0183-21dgpp055

Veröffentlicht: 28. Oktober 2021

© 2021 Caffier et al.
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Gliederung

Zusammenfassung

Hintergrund: Da die Lebensqualität bei Glottiskarzinomen aufgrund der guten onkologischen Ergebnisse vor allem von der Stimmfunktion abhängt, ist die postoperative Stimmqualität von großer Bedeutung. Der Nachteil der meisten bisher berichteten Stimmfunktionsergebnisse ist, dass Patienten mit mehreren T-Stadien und unterschiedlichem Resektionsausmaß zusammengefasst ausgewertet wurden. Außerdem wurde der Wert der objektiven Stimmparameter in Frage gestellt. Daher war es das Ziel unserer prospektiven Studie, die onkologischen und stimmlichen Ergebnisse bei 60 T1a-Glottiskarzinom-Patienten nach mikrolaryngoskopischer transoraler CO2-Lasermikrochirurgie (TOLMS) standardisiert zu erfassen.

Material und Methoden: Die Untersuchungen erfolgten auf Basis der etablierten Protokolle der Europäischen Laryngologischen Gesellschaft (ELS) zur Klassifizierung der endoskopischen Chordektomien und zur Stimmfunktionsbeurteilung. Mit der Kaplan-Meier-Methode wurde der Einfluss von Patienten-, Tumor- und Therapie-bezogenen Faktoren auf die Krankheitskontrolle und das Überleben analysiert. Die prä- und postoperative Stimmfunktionsanalyse umfasste: Stimmumfangsmaß (SUM), Dysphonie Schweregrad Index (DSI), auditiv-perzeptive Beurteilung (RBH), sowie Voice Handicap Index (VHI-9i).

Ergebnisse: 51 Patienten beendeten die Studie (43 Männer, 8 Frauen, Alter 65±12 Jahre). Die 5-Jahres-Raten für rezidivfreies, Gesamt- und krankheitsspezifisches Überleben (Kaplan-Meier-Methode) betrugen 71,4%, 94,4% bzw. 100%. Die Stimmfunktion blieb erhalten; die Parameter SUM, RBH und VHI-9i verbesserten sich signifikant in der Gesamtkohorte, bei isolierter Betrachtung beider Geschlechter sowie in jeder Chordektomie-Gruppe (ELS-Resektionstypen I, II, III).

Diskussion: Unsere CO2-TOLMS-Langzeitergebnisse bestätigten sehr gute onkologische und funktionelle stimmbezogene Ergebnisse. Der unterschiedliche Outcome in den Chordektomie-Gruppen legt nahe, dass das in der Literatur angewendete Pooling der Resektionstypen nicht sinnvoll ist. Das SUM als sensitives objektives Maß zur Quantifizierung der Stimmleistung spiegelt die subjektive Selbsteinschätzung am besten wider.


Text

Hintergrund

Da die Lebensqualität bei Glottiskarzinomen aufgrund der guten onkologischen Ergebnisse vor allem von der Stimmfunktion abhängt, ist die postoperative Stimmqualität von großer Bedeutung. Der Nachteil der meisten bisher berichteten Stimmfunktionsergebnisse ist, dass Patienten mit mehreren T-Stadien und unterschiedlichem Resektionsausmaß zusammengefasst ausgewertet wurden. Außerdem wurde der Wert der objektiven Stimmparameter in Frage gestellt. Daher war es das Ziel unserer prospektiven Studie, die onkologischen und stimmlichen Ergebnisse bei 60 T1a-Glottiskarzinom-Patienten nach mikrolaryngoskopischer transoraler CO2-Lasermikrochirurgie (TOLMS) standardisiert und detailliert zu erfassen.

Material und Methoden

Insgesamt wurden 60 konsekutive Patienten zwischen Juni 2009 und Oktober 2019 rekrutiert, die sich aufgrund einer persistierenden Dysphonie in der Klinik für Audiologie und Phoniatrie der Charité – Universitätsmedizin Berlin vorstellten. Einschlusskriterien bildeten ein histologisch bestätigtes pT1a cN0 cM0 Glottiskarzinom, die vollständige Behandlungsdokumentation und informierte Einwilligung. Die Stimmfunktion wurde am präoperativen Tag und 3 Monate nach in-sano-Resektion und abgeschlossener Wundheilung erfasst. Die Untersuchungen erfolgten auf Basis der etablierten Protokolle der Europäischen Laryngologischen Gesellschaft (ELS) zur Klassifizierung der endoskopischen Chordektomien und zur Stimmfunktionsbeurteilung. Mit der Kaplan-Meier-Methode wurde der Einfluss von Patienten-, Tumor- und Therapie-bezogenen Faktoren auf die Krankheitskontrolle und das Überleben analysiert. Die prä- und postoperative Stimmfunktionsanalyse umfasste objektive und subjektive Parameter, insbesondere das Stimmumfangsmaß (SUM), den Dysphonie Schweregrad Index (DSI), die auditiv-perzeptive Beurteilung (RBH), sowie den Voice Handicap Index (VHI-9i).

Ergebnisse

51 Patienten beendeten die Studie (43 Männer, 8 Frauen; Alter 65±12 Jahre [Mittelwert±SD]). Bei Erstvorstellung zeigte die Videolaryngostroboskopie keine relevante Präferenz des Seitenbefalls einer Stimmlippe (28 rechts, 23 links). Die tumorösen Läsionen imponierten zumeist exophytisch (57%) bzw. hyperkeratotisch flach (39%), nur selten ulzerierend (4%). Hinsichtlich der Tumorgröße war die gesamte Stimmlippe (51%) deutlich häufiger betroffen als zwei Drittel (27%) bzw. ein Drittel (22%) einer Stimmlippe. Die präoperativen subjektiven Stimmparameter ergaben im Durchschnitt mittelgradige Beeinträchtigungen (R2B1H2; VHI-9i 18±8), was von den objektiven akustisch-aerodynamischen Parametern bestätigt wurde (SUM 64±33; DSI 1,2±2,4; maximale Phonationsdauer 13±6 s).

Mittels TOLMS erhielten 24 Patienten eine subepitheliale Chordektomie (Typ I; 47%), 18 eine subligamentale (Typ II; 35%) und 9 Patienten eine transmuskuläre Chordektomie (Typ III; 18%). Zum Zeitpunkt des operativen Primäreingriffs waren Frauen im Durchschnitt 16 Jahre jünger als Männer (52±14 vs. 68±10, p<0,01). Die Histopathologie ergab bei den meisten Patienten mäßig differenzierte Plattenepithelkarzinome (G2; 67%), seltener gut differenziertes (G1; 29%) und selten schlecht differenziertes Gewebe (G3; 4%). Durch die Primäroperation konnte das pT1a bei 29 Patienten (57%) vollständig entfernt werden (R0-Status). Bei 22 Patienten (43%) war eine zweite Exzision notwendig, da ein Residuum nicht ausgeschlossen werden konnte (enger Tumorrand vs. R1-Status). Von diesen 22 Patienten wiesen 17 (77%) bei der geplanten Kontroll-TOLMS keinen visuellen oder histopathologisch nachweisbaren malignen Restbefund auf. Bei den verbleibenden 5 Patienten (23%) ergaben die Nachresektionen bei 3 Patienten einen invasiven Resttumor, bei den beiden anderen Patienten ein carcinoma in situ (Tis) bzw. eine Vorläuferläsion (SIN III). Alle diese Läsionen wurden bei der zweiten TOLMS vollständig entfernt.

Innerhalb der mittleren postoperativen Beobachtungszeit von 45±26 Monaten (Median 41 Monate) erlitten 10 Patienten (20%) ein Lokalrezidiv (1 Tis, 7 rpT1a, 1 rpT1b, 1 cT3) mit einem durchschnittlichen tumorfreien Intervall von 15 Monaten (Median 10 Monate). Während 8 dieser Patienten nur ein einziges Rezidiv hatten, traten bei 2 Patienten weitere Rezidive auf. Im Rahmen der Nachsorge wurde zudem bei 2 Patienten ein sekundäres glottisches pT1a auf der kontralateralen Stimmlippe entdeckt, jeweils 1 bzw. 3 Jahre nach Entfernung des Primärtumors. Alle rezidivierenden und sekundären Larynxkarzinome wurden erfolgreich behandelt: Tis, T1 und T2 durch sekundäre TOLMS, beide T3-Rezidive durch Radio-Chemotherapie und das T4-Rezidiv durch totale Laryngektomie. Ein Patient verstarb aufgrund eines sekundären Pankreaskarzinoms, ein weiterer starb interkurrent. Die 5-Jahres-Raten für das rezidivfreie, Gesamt- und krankheitsspezifische Überleben (Kaplan-Meier-Methode) betrugen 71,4%, 94,4% bzw. 100%.

Drei Monate post TOLMS zeigte sich die durchschnittliche Stimmfunktion im Vergleich zu den präoperativen Messungen deutlich verbessert. In der subjektiven Beurteilung waren die Stimmen weniger heiser (Hprä 1,9±0,7 vs. Hpost 1,3±0,7), rau (Rprä 1,8±0,7 vs. Rpost 1,2±0,7) und behaucht (Bprä 1,0±0,6 vs. Bpost 0,6±0,6); der mittlere VHI-9i sank von 18±8 auf 9±9 Beschwerdepunkte. Diese subjektiven Verbesserungen waren auf dem 0,1%-Niveau signifikant (p<0,001). Bezüglich der objektiven Parameter verbesserte sich das SUM ebenfalls in der Gesamtkohorte (64±33 vs. 83±31; p<0,001), bei beiden Geschlechtern (Männer p<0,01; Frauen p<0,05) und bei allen Chordektomie-Typen (p<0,05) signifikant. Im Gegensatz dazu erreichten die Abnahme des Jitters (0,9±1,1 vs. 0,6±0,4) und die Zunahme des DSI (1,2±2,4 vs. 1,5±2,3) bei Betrachtung der Patientengesamtheit nicht das Signifikanzniveau, nur bei den Frauen (p<0,05) und beim Chordektomie-Typ III (p<0,05). Ausgewählte objektive Parameter vor und nach pT1a-Entfernung sind in Abbildung 1 [Abb. 1] grafisch dargestellt.

Diskussion und Fazit

Je nach präoperativem T1a-Befund kann die individuelle Stimmfunktion nach TOLMS besser, ähnlich oder leicht eingeschränkt sein. Im Allgemeinen verbesserte sich die objektive und subjektive Stimmqualität während der langfristigen postoperativen Nachsorge. Obwohl die Stimmdiagnostik nach dem ELS-Protokoll zeitaufwändiger ist, halten wir diesen Aufwand für eine evidenzbasierte Therapie für gerechtfertigt und für die Dokumentation des Stimmerhalts für notwendig. Der Fokus auf den Stimmerhalt kann die Zahl der Eingriffe bei histologisch nahen Tumorrändern erhöhen. Unsere Erfahrung bestätigt die Literatur, dass eine Re-Operation manchmal durch eine engmaschige Kontrolle des Lokalbefundes mittels Videolaryngostroboskopie vermieden werden kann.

Unsere CO2-TOLMS-Langzeitergebnisse bei T1a-Glottiskarzinomen bestätigten sehr gute onkologische und funktionelle stimmbezogene Ergebnisse. Der unterschiedliche Outcome in den Chordektomie-Gruppen legt nahe, dass das in der Literatur angewendete Pooling der Resektionstypen nicht sinnvoll ist. Das SUM als sensitives objektives Maß zur Quantifizierung der Stimmleistung spiegelt die subjektive Selbsteinschätzung am besten wider.