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Gebrauch und Kritik geschlechtsübergreifender Personenbezeichnungen
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Veröffentlicht: | 2. November 2020 |
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Gliederung
Zusammenfassung
Hintergrund: Stereotype manifestieren sich in unterschiedlichen Formen, sie beeinflussen Entscheidungen, Reaktionen und Verhalten. Besonders durch Sprache werden sie vermittelt, bestätigt und gefestigt. Um diesem entgegenzuwirken wird der Gebrauch von geschlechtergerechter Sprache (ggS) vielerorts gefordert und gefördert. GgS wird, trotz steigender empirischer Forschungsarbeit, medialer Präsenz und zunehmender (rechtlicher) Institutionalisierung, in unterschiedlichem Maße und in unterschiedlichen Formen angewendet. Ob und welche Formen in Abstracts der DGPP 2017 Anwendung fanden, wurde bereits untersucht (Ivanov, Lange und Tiemeyer 2018). Ziel dieser Arbeit ist es, die individuellen Einstellungen der Autorinnen und Autoren bezüglich ggS abzubilden und mit vorherigen Arbeiten zu Argumentationsstrukturen und dem Gebrauch unterschiedlicher Realisierungsformen von geschlechtsübergreifenden Personenbezeichnungen in Zusammenhang zu bringen.
Material und Methoden: Es wurden 68 Abstracts der 34. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) sowie 53 Abstracts der gemeinsamen Konferenz der Fachgesellschaften für Geschlechterforschung (FGG) analysiert. 290 Autor*innen der Abstracts wurden anschließend in einem Online-Fragebogen zu ihren Einstellungen zu ggS befragt.
Ergebnisse: In beiden Gruppen stimmten mehr als 80% der Aussage zu, dass ggS ein relevantes und aktuelles Thema darstellt. 86% der Befragten aus der DGPP empfanden es jedoch als Aufwand, ggS zu nutzen (30% FGG). 81% der analysierten Abstracts der DGPP enthielten keine ggS, sondern generische Maskulina. In 68% der Abstracts wurden Neutralformen genutzt. Vergleichbar häufig traten Neutralformen in den Abstracts der FGG auf (62%), 38% enthielten jedoch keine geschlechtsübergreifenden Personenbezeichnungen (11% DGPP).
Diskussion: Trotz eines zu erwartenden Bias bezüglich der Teilnahmebereitschaft bestätigen sich Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich des analysierten Gebrauchs und der angegebenen Einstellungen gegenüber ggS.
Fazit: Die Präzision von Sprache kann durch den Gebrauch von ggS gesteigert und die Aktivierung von Geschlechtsstereotypen in der Kommunikation vermieden werden. Sie birgt jedoch für viele Autor*innen Schwierigkeiten. Als überwiegende Kritikpunkte werden umständliche oder aufwendige Handhabung sowie Un(vor)lesbarkeit der einzelnen Formen genannt. Die Ergebnisse lassen jedoch vermuten, dass eine erhöhte Auseinandersetzung mit ggS zu einer höheren Akzeptanz führt.
Text
Hintergrund
Stereotype manifestieren sich in unterschiedlichen Formen, sie beeinflussen Entscheidungen, Reaktionen und Verhalten. Besonders durch Sprache werden sie vermittelt, bestätigt und gefestigt. Um diesem entgegenzuwirken wird der Gebrauch von geschlechtergerechter Sprache (ggS) vielerorts gefordert und gefördert. GgS wird, trotz steigender empirischer Forschungsarbeit, medialer Präsenz und zunehmender (rechtlicher) Institutionalisierung, in unterschiedlichem Maße und in unterschiedlichen Formen angewendet. Ob und welche Formen in Abstracts der DGPP 2017 Anwendung fanden, wurde bereits untersucht (Ivanov, Lange und Tiemeyer 2018). Ziel dieser Arbeit ist es, die individuellen Einstellungen der Autorinnen und Autoren bezüglich ggS abzubilden und mit vorherigen Arbeiten zu Argumentationsstrukturen und dem Gebrauch unterschiedlicher Realisierungsformen von geschlechtsübergreifenden Personenbezeichnungen in Zusammenhang zu bringen.
Material und Methoden
Es wurden 68 Abstracts der 34. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) sowie 53 Abstracts der gemeinsamen Konferenz der Fachgesellschaften für Geschlechterforschung (FGG) analysiert. 290 Autor*innen der Abstracts wurden anschließend in einem Online-Fragebogen zu ihren Einstellungen zu ggS befragt.
Ergebnisse
In beiden Gruppen stimmten mehr als 80% der Aussage zu, dass ggS ein relevantes und aktuelles Thema darstellt. 86% der Befragten aus der DGPP empfanden es jedoch als Aufwand, ggS zu nutzen (30% FGG). 81% der analysierten Abstracts der DGPP enthielten keine ggS, sondern generische Maskulina. In 68% der Abstracts wurden Neutralformen genutzt. Vergleichbar häufig traten Neutralformen in den Abstracts der FGG auf (62%), 38% enthielten jedoch keine geschlechtsübergreifenden Personenbezeichnungen (11% DGPP).
Diskussion
Trotz eines zu erwartenden Bias bezüglich der Teilnahmebereitschaft bestätigen sich Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich des analysierten Gebrauchs und der angegebenen Einstellungen gegenüber ggS.
Fazit
Die Präzision von Sprache kann durch den Gebrauch von ggS gesteigert und die Aktivierung von Geschlechtsstereotypen in der Kommunikation vermieden werden. Sie birgt jedoch für viele Autor*innen Schwierigkeiten. Als überwiegende Kritikpunkte werden umständliche oder aufwendige Handhabung sowie Un(vor)lesbarkeit der einzelnen Formen genannt. Die Ergebnisse lassen jedoch vermuten, dass eine erhöhte Auseinandersetzung mit ggS zu einer höheren Akzeptanz führt.