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36. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

19.09. - 22.09.2019, Göttingen

Prädiktive Validität des 3-Ounce Wasserschlucktests von Suiter und Leder bei akutem Schlaganfall für Aspiration, Oralisierungseinschränkung und therapierelevante Schluckstörung

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Jenny Hötzel - Universitätsklinikum Marburg, Abt. Phoniatrie und Pädaudiologie, Marburg, Deutschland
  • author Laura Wermter - Universitätsklinikum Marburg, Abt. Phoniatrie und Pädaudiologie, Marburg, Deutschland
  • author Miriam Mayer - Universitätsklinikum Marburg, Abt. Phoniatrie und Pädaudiologie, Marburg, Deutschland
  • author Eugen Zaretsky - Universitätsklinikum Marburg, Abt. Phoniatrie und Pädaudiologie, Marburg, Deutschland
  • author Christiane Hey - Universitätsklinikum Marburg, Abt. Phoniatrie und Pädaudiologie, Marburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 36. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Göttingen, 19.-22.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocV41

doi: 10.3205/19dgpp61, urn:nbn:de:0183-19dgpp616

Veröffentlicht: 13. September 2019

© 2019 Hötzel et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Gemäß AWMF-Leitlinie Neurogene Dysphagien (2008) wird bei akuten Stroke-Patienten der 3-Ounce Wasserschlucktest von Suiter/Leder als Screening-Verfahren zur Prädiktion einer Aspiration empfohlen. Ziel der vorliegenden Studie ist die Untersuchung der prädiktiven Validität dieses Tests nicht nur für Aspiration, sondern auch für Oralisierungseinschränkung und das Vorliegen einer therapierelevanten Schluckstörung (TRS).

Material und Methoden: Hundert akute Stroke-Patienten (61% männlich; Altersspanne 31–94, Median 74; 85% Ischämie, 12% Blutung, 3% beides) erhielten sowohl das Screening als auch eine FEES®-Diagnostik als Referenzstandard. Mittels FEES® wurden erhoben: (1) Aspiration, graduiert mit der 8-Punkte-Penetrations-Aspirations-Skala (PAS) nach Rosenbek; (2) Grad der Oralisierungseinschränkung nach der 7-Punkte-Functional Oral Intake Scale (FOIS) nach Crary; (3) TRS basierend auf PAS und FOIS.

Es wurden die Sensitivität (SE), Spezifität (SP) und die positive Likelihood-Ratio (LR+) für PAS, FOIS und TRS bestimmt. Dafür wurden dichotome Ergebnisse dieser Skalen mit dem Screening-Ergebnis kreuztabelliert. Mittels Regressionsanalyse wurde ermittelt, ob weitere Faktoren (Alter, Geschlecht, Stroke-Lokalisation) PAS, FOIS und TRS beeinflussen.

Ergebnisse: Insgesamt zeigten 84% der Patienten mind. eine Penetration, darunter 24% eine stille Aspiration, 25% eine therapierelevante Oralisierungseinschränkung und 46% eine TRS. Das Ergebnis des Suiter-Leder-Tests konnte PAS mit der SE 67,9%, SP 45,3% und LR+ 1,24 vorhersagen. Entsprechende Werte für FOIS lagen bei SE 73,3%, SP 43,9%, LR+ 1,31, für TRS bei SE 71,9%, SP 49,0%, LR+ 1,41. In allen drei binären logistischen Regressionen erwies sich nur das Suiter-Leder-Ergebnis für die Vorhersage des PAS-, FOIS- bzw TRS-Ergebnisses als signifikant (ps<0,05). Dabei wurden nur 10–14% der Varianz erklärt.

Diskussion: Bei der hier untersuchten Patientenpopulation erwiesen sich Güteindizes Sensitivität, Spezifität und positive Likelihood Ratio als unzureichend. Allerdings ist die inkludierte Patientenanzahl zu gering, um eine Generalisierung dieses Ergebnisses zu erlauben. Die erklärte Varianz erwies sich mit 10–14% als sehr niedrig, was bedeutet, dass PAS, FOIS und TRS von weiteren Faktoren, die hier keine Berücksichtigung fanden, beeinflusst werden.

Fazit: Auch wenn die Patientenzahl sehr klein ist, scheint Suiter-Leder als Screeningtest für PAS, FOIS und TRS bei akuten Stroke-Patienten kaum geeignet.


Text

Hintergrund

Gemäß AWMF-Leitlinie Neurogene Dysphagien (2008) wird bei akuten Stroke-Patienten der 3-Ounce Wasserschlucktest von Suiter/Leder als Screening-Verfahren zur Prädiktion einer Aspiration empfohlen.

Dieser Test wurde ursprünglich an insgesamt 3000 Patienten mit vielfältigen Diagnosen und weitreichender Altersspanne entwickelt und die Screening-Güteindizes gegen FEES als Goldstandard ermittelt [1].

Da eine oropharyngeale Dysphagie nicht allein in einer Aspiration begründet ist, sondern sich auch durch eine Oralisierungseinschränkung auszeichnet, ist das Ziel der vorliegenden Studie die Untersuchung der prädiktiven Validität dieses Tests nicht nur für Aspiration, sondern auch für Oralisierungseinschränkung und das Vorliegen einer therapierelevanten Schluckstörung (TRS).

Methoden und Vorgehen

Hundert akute Stroke-Patienten (61% männlich; Altersspanne 31–94, Median 74; 85% Ischämie, 12% Blutung, 3% beides) erhielten sowohl den 3-Ounce Wasserschlucktest von Suiter/Leder als auch eine FEES®-Diagnostik nach Langmore-Standard [2] als Referenz. Auf Basis der FEES®-Diagnostik wurde der Schweregrad der jeweils vorliegenden oropharyngealen Dysphagie erhoben. Dafür wurden die folgenden Faktoren verwendet: (1) Aspiration, graduiert mit der 8-Punkte-Penetrations-Aspirations-Skala (PAS) nach Rosenbek [3]; (2) Grad der Oralisierungseinschränkung nach der 7-Punkte-Functional Oral Intake Scale (FOIS) nach Crary [4]; (3) TRS basierend auf PAS und FOIS.

Dabei wurde entsprechend der PA-Skala von Rosenbek eine Aspiration definiert mit einem PAS ≥6. Eine therapierelevante Oralisierungseinschränkung wurde definiert entsprechend der FOIS nach Crary ab einem Wert von 4, d.h. der Patient kann lediglich eine Konsistenz zu sich nehmen oder benötigt sogar eine zusätzliche Ernährung via Sonde. Eine therapierelevante Schluckstörung wurde definiert, wenn mindestens eine Penetration Grad 4 nach PAS und/oder aber FOIS Wert ≥4 vorlag.

An Screening-Güteindizes wurden die Sensitivität, die Spezifität und die positive Likelihood-Ratio sowohl für PAS als auch für FOIS und für TRS errechnet. Dafür wurden dichotome Ergebnisse dieser Skalen mit dem Screening-Ergebnis kreuztabelliert. Mittels Regressionsanalyse wurde ermittelt, ob weitere Faktoren, nämlich Alter, Geschlecht und auch die Lokalisation eines Schlaganfallereignisses, PAS, FOIS und TRS beeinflussen.

Ergebnisse

Insgesamt zeigten 84% der Patienten mindestens eine Penetration, darunter 24% eine stille Aspiration, 25% eine therapierelevante Oralisierungseinschränkung und 46% eine TRS. Das Ergebnis des Suiter-Leder-Tests konnte PAS mit der SE 67,9%, SP 45,3% und LR+ 1,24 vorhersagen. Entsprechende Werte für FOIS lagen bei SE 73,3%, SP 43,9%, LR+ 1,31, für TRS bei SE 71,9%, SP 49,0%, LR+ 1,41. In allen drei binären logistischen Regressionen erwies sich nur das Suiter-Leder-Ergebnis für die Vorhersage des PAS-, FOIS- bzw. TRS-Ergebnisses als signifikant. Dabei wurden nur 10–14% der Varianz erklärt, siehe Tabelle 1 [Tab. 1].

Diskussion

Bei der hier untersuchten Patientenpopulation erwiesen sich die Screening-Güteindizes Sensitivität, Spezifität und positive Likelihood Ratio des 3-Ounce Wasserschlucktests von Suiter/Leder als unzureichend. Allerdings ist die inkludierte Patientenanzahl zu gering, um eine Generalisierung dieses Ergebnisses zu erlauben. Die erklärte Varianz erwies sich mit 10–14% als sehr niedrig, was bedeutet, dass PAS, FOIS und TRS von weiteren Faktoren, die hier keine Berücksichtigung fanden, beeinflusst werden.

Schlussfolgerung

Auch wenn die Patientenzahl sehr klein ist, scheint Suiter-Leder als Screeningtest für PAS, FOIS und TRS bei akuten Stroke-Patienten kaum geeignet. Der Einsatz eines Screening-Verfahrens bleibt davon unbestritten, schärft er doch die Sensibilität für eine potentielle Dysphagieproblematik.


Literatur

1.
Suiter DM, Leder SB. Clinical utility of the 3-ounce water swallow test. Dysphagia. 2008;23(3):244-50.
2.
Hey C, Pluschinski P, et al. A documentation system to save time and ensure proper application of the fiberoptic endoscopic evaluation of swallowing (FEES®). Folia Phoniatr Logop. 2011;63(4):201-8. DOI: 10.1159/000316314. Externer Link
3.
Hey C, Pluschinski P, Zaretsky Y, Almahameed A, Hirth D, Vaerst B, Wagenblast J, Stöver T. Penetration-Aspiration Scale according to Rosenbek. Validation of the German version for endoscopic dysphagia diagnostics. HNO. 2014;62(4):276-81.
4.
Crary MA, Carnaby-Mann GD, Groher ME. Initial psychometric assessment of a functional oral intake scale for dysphagia in stroke patients. Arch Phys Med Rehabil. 2005;86:1516-20.