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Ist die klinische Schluckuntersuchung gemäß Daniels-Kriterien bei akutem Schlaganfall zur Vorhersage von Aspiration, Oralisierungseinschränkung und therapierelevanter Schluckstörung geeignet?
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Veröffentlicht: | 13. September 2019 |
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Gliederung
Zusammenfassung
Hintergrund: Die klinische Untersuchung schluckrelevanter oraler und laryngopharyngealer Teilfunktion ist gängige Praxis im klinischen Alltag. In Bezug auf akute Stroke-Patienten werden gemäß AWMF-Leitlinie „Neurogene Dysphagien“ z.B. die sechs Daniels-Kriterien als Screeningverfahren zur frühzeitigen Detektion von Aspiration empfohlen. Ziel der vorliegenden Studie ist die Analyse der Vorhersagekraft einer klinischen Schluckuntersuchung nach Daniels-Kriterien in Bezug auf Penetration/Aspiration, Oralisierungseinschränkung und therapierelevante Schluckstörung.
Material und Methoden: Am Universitätsklinikum Marburg wurden 2018 bei 100 inkludierten Patienten mit einem akuten Stroke (61% männlich; Altersspanne 31–94, Median 74; 85% Ischämie, 12% Blutung, 3% beides) die Daniels-Kriterien erfasst: Dysarthrie, Dysphonie, Hustenstoß, Würgereflex, Husten nach Schluck und feuchter Stimmklang. Mittels FEES® als Referenzstandard wurden (1) Penetration bzw. Aspiration (PAS) nach Rosenbek, (2) Grad der Oralisierungseinschränkung (FOIS) nach Crary sowie (3) therapierelevante Schluckstörung (TRS) basierend auf PAS und FOIS erhoben. Sowohl für einzelne Daniels-Kriterien als auch für ihr dichotomisiertes Ergebnis wurden Sensitivität (SE), Spezifität (SP) und positive Likelihood Ratio (LR+) berechnet. Dafür wurden diese mit den o.g. dichotomisierten Skalen (PAS, FOIS, TRS) kreuztabelliert.
Ergebnisse: Die SE der einzelnen Daniels-Kriterien bei der Vorhersage von PAS bewegte sich zwischen 28,2% und 84,6%, die SP zwischen 39,3% und 85,3%, LR+ zwischen 0,93 und 2,43. Entsprechende Werte für FOIS lagen bei SE 36,0–88,0%, SP 36,0–85,3%, LR+ 1,22–3,27. Entsprechende Werte für TRS betrugen bei SE 30,4–84,8%, SP 42,6–90,7%, LR+ 1,1–4,23. Nur bei Daniels-Gesamtergebnis erreichte die SE Werte ≥85%, bei einer SP unter 40% und einer LR+ von ≥1,4.
Diskussion: Eine klinische Schluckuntersuchung basierend auf Daniels weist für die einzelnen Daniels-Kriterien unterschiedliche Sensitivitäten und Spezifitäten im Hinblick auf PAS, FOIS und TRS auf. Lediglich das Daniels-Gesamtergebnis zeigte eine akzeptable Sensitivität bei jedoch unzureichender Spezifität und indiskutabler LR+ auf.
Fazit: Eine klinische Schluckuntersuchung ist nur bedingt zur Vorhersage von PAS, FOIS und TRS geeignet.
Text
Hintergrund
Die klinische Untersuchung schluckrelevanter oraler und laryngopharyngealer Teilfunktion ist gängige Praxis im klinischen Alltag. In Bezug auf akute Stroke-Patienten werden gemäß AWMF-Leitlinie „Neurogene Dysphagien“ unter anderem die sechs Daniels-Kriterien [1] als Screeningverfahren zur frühzeitigen Detektion von Aspiration empfohlen. Ziel der vorliegenden Studie ist die Analyse der Vorhersagekraft einer klinischen Schluckuntersuchung nach Daniels-Kriterien in Bezug auf Penetration/Aspiration, Oralisierungseinschränkung und therapierelevante Schluckstörung.
Methoden
Am Universitätsklinikum Marburg wurden 2018 bei 100 inkludierten Patienten mit einem akuten Stroke (61% männlich; Altersspanne 31–94, Median 74; 85% Ischämie, 12% Blutung, 3% beides) die Daniels-Kriterien erfasst: Dysarthrie, Dysphonie, Hustenstoß, Würgereflex, Husten nach Schluck und feuchter Stimmklang. Mittels FEES® als Referenzstandard wurden (1) Penetration bzw. Aspiration (PAS) nach Rosenbek [2], (2) Grad der Oralisierungseinschränkung (FOIS) nach Crary [3] sowie (3) therapierelevante Schluckstörung (TRS) basierend auf PAS und FOIS erhoben. Sowohl für einzelne Daniels-Kriterien als auch für ihr dichotomisiertes Ergebnis wurden Sensitivität (SE), Spezifität (SP) und positive Likelihood Ratio (LR+) berechnet. Dafür wurden diese mit den o.g. dichotomisierten Skalen (PAS, FOIS, TRS) kreuztabelliert.
Ergebnisse
Die Screening-Güteindizes der einzelnen Daniels-Kriterien sowie ihrer Summe bei der Vorhersage der PAS-, FOIS- und TRS-Werte sind Tabelle 1 [Tab. 1] zu entnehmen.
Diskussion
Eine klinische Schluckuntersuchung basierend auf Daniels weist für die einzelnen Daniels-Kriterien unterschiedliche Sensitivitäten und Spezifitäten im Hinblick auf PAS, FOIS und TRS auf. Lediglich das Daniels-Gesamtergebnis zeigte eine akzeptable Sensitivität bei jedoch unzureichender Spezifität und indiskutabler LR+ auf.
Schlussfolgerung
Eine klinische Schluckuntersuchung ist nur bedingt zur Vorhersage von PAS, FOIS und TRS geeignet.
Literatur
- 1.
- Daniels SK, Brailey K, Priestly DH, et al. Aspiration in patients with acute stroke. Arch Phys Med Rehabil. 1998;79(1):14-9.
- 2.
- Rosenbek JC, Robbins JA, Roecker EB, Coyle JL, Wood JL. A penetration-aspiration scale. Dysphagia. 1996;11(2):93-8.
- 3.
- Crary MA, Carnaby-Mann GD, Groher ME. Initial psychometric assessment of a functional oral intake scale for dysphagia in stroke patients. Arch Phys Med Rehabil. 2005;86:1516-20.