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36. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

19.09. - 22.09.2019, Göttingen

Stimmrehabilitation nach Laryngektomie durch mikrovaskuläre Kehlkopfrekonstruktion

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Fabian Kraus - Pädaudiologie und Phoniatrie, Universitätsklinik Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • author Stephan Hackenberg - HNO, Universitätsklinik Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • author Wafaa Shehata-Dieler - Pädaudiologie und Phoniatrie, Universitätsklinik Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • author Rudolf Hagen - HNO, Universitätsklinik Würzburg, Würzburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 36. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Göttingen, 19.-22.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocV27

doi: 10.3205/19dgpp43, urn:nbn:de:0183-19dgpp438

Veröffentlicht: 13. September 2019

© 2019 Kraus et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Die Stimmrehabilitation nach Laryngektomie (LE) spielt eine entscheidende Rolle für die Lebensqualität. Durch ein tracheoösophageales Ventil kann Schleimhaut in Schwingungen gebracht werden. Allerdings sind die Patienten dadurch nicht nur von einem weiteren Hilfsmittel, sondern auch von einem HNO-Arzt abhängig. Mit Hilfe eines mikroanastomosierten Radialislappentransplantates kann eine Laryngoplastik geformt und somit über einen tracheopharyngealen Shunt eine Stimmrehabilitation hergestellt werden.

Material und Methoden: 30 Jahre nach Erstveröffentlichung wurden die Patientendaten mit zwischen 2006 und 2015 durchgeführten LE und LP ausgewertet. In diesem Zeitraum haben 39 Patienten, 35 männliche und 4 weibliche eine entsprechende Rekonstruktion erhalten. Betrachtet wurden die funktionellen Langzeitergebnisse und Komplikationen.

Ergebnisse: 33 Patienten konnten über den gesamten Beobachtungszeitraum suffizient phonieren. Fingerfreies Sprechen mit einem Ventil auf der Trachealkanüle war dauerhaft in 62% der Fälle möglich. Bei 24 Patienten gab es im Langzeitverlauf keine Folgeoperationen am Hals. Mit 7 betroffenen Patienten war die Hauptlangzeitkomplikation die postoperative bzw. postradiogene Fibrosierung der LP. In 2 Fällen konnte das Lumen der LP durch wiederholte Bougierungen wieder dauerhaft eröffnet werden, so dass die betroffenen Patienten wieder über das Transplantat suffizient phonieren konnten.

Diskussion: Im Vergleich zu Daten aus der Literatur ist die Rate erfolgreich stimmrehabilitierter Patienten annähernd gleichwertig zur Versorgung mit einem Stimmventil, allerdings mit qualitativ besseren Ergebnissen. Die Patienten sind nicht auf ein zusätzliches Hilfsmittel und dessen Wechsel durch einen HNO-Arzt angewiesen.

Fazit: Bei korrekter Indikationsstellung ist die LP eine suffiziente Methode zur Stimmrehabilitation nach Laryngektomie. Die lebenslange Notwendigkeit zum regelmäßigen Stimmventilwechsel entfällt. Schwerwiegende Komplikationen im Langzeitverlauf traten im Kollektiv nicht auf, können allerdings nach tracheoösophagealer Punktion und Einsatz eines Stimmventils in seltenen Fällen durchaus vorkommen.


Text

Einleitung

Die Stimmrehabilitation nach Laryngektomie spielt eine entscheidende Rolle für die Lebensqualität. Eine suffiziente Stimmgebung beeinflusst wesentlich die psychische Verfassung der Patienten. Neben der permanenten Tracheotomie ist der Verlust der eigenen Stimme für die Patienten einer der präoperativ am schwierigsten zu beurteilenden Faktoren bei der Entscheidung für eine Laryngektomie bei entsprechender Indikationsstellung [1].

Die Stimmrehabilitation mit Hilfe einer Stimmshuntfistel ist die Methode der Wahl nach Laryngektomie. Durch das tracheoösophageale Ventil kann Schleimhaut im pharyngoösophagealen Element in Schwingungen gebracht werden. Allerdings sind die Patienten dadurch nicht nur von einem weiteren Hilfsmittel, sondern auch von einem HNO-Arzt/Phoniater abhängig, der die Nachsorge und den Wechsel des Stimmshuntventils vornimmt. Die Larnygoplastik nach Hagen [1], [2], [3] bietet die Option mit Hilfe eines mikrovaskulären Radialislappentransplantates einen tracheopharyngealen Shunt zur Stimmrehabilitation herzustellen.

Patienten und Methoden

30 Jahre nach Erstveröffentlichung wurden die Patientendaten mit zwischen 2006 und 2015 durchgeführten Laryngektomie und Laryngoplastik ausgewertet. In diesem Zeitraum haben 39 Patienten, 35 männliche und 4 weibliche eine entsprechende Rekonstruktion erhalten. Das Durchschnittsalter der Patienten zum Operationszeitpunkt lag bei 62 Jahren (minimal 32 bis maximal 88 Jahre). Das durchschnittliche Nachsorge Follow-up nach der Operation im Rahmen der Tumornachsorge und der Phoniatrie betrug 36 Monate (minimal 2 bis maximal 103 Monate). Bei 17 der 39 Patienten gab es in der Vorgeschichte kein Malignom des Larynx. Alle anderen erhielten die Laryngektomie als Salvage-Chirurgie nach transoralen Kehlkopfteilresektionen oder offenen Teilresektionen.

Ergebnisse

33 Patienten konnten über den gesamten Beobachtungszeitraum suffizient phonieren (85%). Die Anzahl an Patienten, die dauerhaft über die Laryngoplastik phonieren konnten, lag bei 30 (77%). Fingerfreies Sprechen mit einem Ventil auf der Trachealkanüle war dauerhaft in 62% der Fälle möglich. Bei 24 Patienten gab es im Langzeitverlauf keine Folgeoperationen am Hals. Mit 7 betroffenen Patienten war die Hauptlangzeitkomplikation die postoperative bzw. postradiogene Fibrosierung der Laryngoplastik. Diese stellte sich durch eine postoperativ gute Stimmfunktion mit einer langsam progredienten postradiogenen einsetzenden Erhöhung des Anblasedruckes mit Verschlechterung der Stimmqualität dar. In 2 Fällen konnte das Lumen der Laryngoplastik durch wiederholte Bougierungen dauerhaft eröffnet werden, so dass die betroffenen Patienten erneut über das Transplantat suffizient phonieren konnten. Bei den übrigen 5 Patienten musste eine sekundäre tracheoösophageale Fistel mit Stimmventileinlage durchgeführt werden.

Bei einem Patienten war die Phonation aufgrund einer vom Tumor unabhängigen neurologischen Erkrankung nicht mehr möglich. Ein weiterer Patient musste sich aufgrund eines Rezidivtumors Folgeeingriffen unterziehen. Bei 2 Patienten konnte die Ursache der Dysfunktion nicht gefunden werden.

In 2 Fällen kann es zu einer Atrophie der Neoepiglottis mit folgender Aspiration, welche durch eine Augmentation mit nicht resorbierbaren Füllmaterialien in einem Fall behoben werden konnte. Die andere Laryngoplastik musste verschlossen werden.

Diskussion

Im Vergleich zu Daten aus der Literatur ist die Rate erfolgreich stimmrehabilitierter Patienten annähernd gleichwertig zur Versorgung mit einem Stimmventil (77%). Allerdings wird von den Patienten die Stimmqualität und der Vorteil eines „autologen Stimmshunts“ als deutlicher Vorteil gewertet [2]. Durch einen niedrigeren Druck bei der Exspiration ist häufig ein natürlicherer Stimmklang bei Laryngoplastik-Patienten möglich. Die Patienten sind nicht auf ein zusätzliches Hilfsmittel und dessen Wechsel durch einen HNO-Arzt oder Phoniater angewiesen. Als Komplikationen der Stimmrehabilitation sind die Fibrosierung als auch die Aspiration nach Schrumpfung der Neoepiglottis anzusehen. Durch Bougierungen bzw. Augmentationen ist dies in den meisten Fällen beherrschbar. Wenn die Bougierung nicht zum Erfolg führt, ist prinzipiell auch eine sekundäre tracheoösophageale Punktion mit Stimmshuntventileinlage möglich.

Fazit

Bei korrekter Indikationsstellung ist die Laryngoplastik eine suffiziente Methode zur Stimmrehabilitation nach Laryngektomie. Es ist anzumerken, dass die Indikation zur Laryngoplastik gehäuft bei Patienten gestellt wird, bei denen keine ausgedehnten Pharynxresektionen notwendig sind. Die lebenslange Notwendigkeit zum regelmäßigen Stimmventilwechsel entfällt. Schwerwiegende Komplikationen im Langzeitverlauf traten im Kollektiv nicht auf, können allerdings nach tracheoösophagealer Punktion und Einsatz eines Stimmventils in seltenen Fällen durchaus vorkommen.


Literatur

1.
Hagen R. Laryngoplasty with a radialis pedicle flap from the forearm: a surgical procedure for voice rehabilitation after total laryngectomy. Am J Otolaryngol. 1990;11(2):85-9.
2.
Hagen R. Chirurgische Stimmrehabilitation nach Laryngektomie. HNO. 2005;53(7):602-11.
3.
Hackenberg, et al. Mikrovaskuläre Kehlkopfrekonstruktion nach totaler Laryngektomie. Laryngo-Rhino-Otol. 2018;97(02):100-9. DOI: 10.1055/s-0043-122746 Externer Link