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36. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

19.09. - 22.09.2019, Göttingen

Aufbau eines bildleiterbasierten Stereo-Laryngoskops für das anatomiegerechte Routine-Screening der Latenz des laryngealen Adduktionsreflexes nach Auslösung durch Tropfenbeschuss

Vortrag

  • corresponding author Jacob Friedemann Fast - Institut für Mechatronische Systeme, Leibniz Universität Hannover, Hannover, Deutschland
  • presenting/speaker Maurice Krauth - Institut für Mechatronische Systeme, Leibniz Universität Hannover, Hannover, Deutschland
  • Tobias Ortmaier - Institut für Mechatronische Systeme, Leibniz Universität Hannover, Hannover, Deutschland
  • Martin Ptok - Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Lüder Alexander Kahrs - Institut für Mechatronische Systeme, Leibniz Universität Hannover, Hannover, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 36. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Göttingen, 19.-22.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocV18

doi: 10.3205/19dgpp27, urn:nbn:de:0183-19dgpp279

Veröffentlicht: 13. September 2019

© 2019 Fast et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Zum Routine-Screening und zur weiteren Charakterisierung des laryngealen Adduktionsreflexes (LAR) wurde eine Reflexauslösung durch den Abschuss von Mikrotropfen und die zeitsynchrone Aufzeichnung einer Hochgeschwindigkeits-Endoskopiesequenz vorgeschlagen. Dieses sogenannte Microdroplet Impulse Testing of the LAR (MIT-LAR) wurde durch den Aufbau eines stereoskopischen, stablinsenbasierten Laryngoskops um eine Funktion zur Stimulationsort-Vorhersage erweitert. Dies ermöglicht, die Stimulationsort-Abhängigkeit der Reflexantwort zu erforschen und ultimativ die Patientensicherheit beim LAR-Screening zu erhöhen. In diesem Beitrag wird nun ein alternativer Ansatz mittels bildleiterbasierter Stereobildaufnahme vorgestellt, der insbesondere die pharyngealen anatomischen Verhältnisse berücksichtigt.

Material und Methoden: Zwei Bildleiterbündel (XION GmbH, Berlin) werden in einem gekrümmten, mittels 3D-Druck (Stratasys, Ltd., Eden Prairie, USA) gefertigten Schaft angeordnet und bilden über eine Relaisoptik (Thorlabs, Newton, USA) auf dem Sensor einer Highspeed-Kamera (Os7, Imaging Solutions GmbH, Eningen u. A.) ab. Computergestützte Bildverarbeitung ermöglicht eine räumliche Rekonstruktion des Stimulations-Zielgebiets. Darauf aufbauend wird der voraussichtliche Zielpunkt eines Tropfens auf der endolaryngealen Schleimhaut berechnet. Der beschriebene Aufbau wird hinsichtlich der Zielpunktvorhersage-Genauigkeit experimentell mit einem stablinsenbasierten Aufbau verglichen.

Ergebnisse: Durch die faserbasierte Bildübertragung reduziert sich die zur Verfügung stehende Auflösung des Stereo-Bilds. Für die weitere klinische Anwendung ist jedoch zu erwarten, dass die anatomiegerechte Ausformung des Jet-Laryngoskopschaftes hilfreich ist, um die laryngopharyngeale Reflexaktivität (Würgreiz) und damit a priori die Artefaktrate zu verringern.

Diskussion: Beide Laryngoskop-Designs scheinen zum aktuellen Zeitpunkt für ein um Stereo-Bildgebung und somit die Möglichkeit einer Zielpunktvorhersage erweitertes MIT-LAR-Verfahren geeignet. Der höheren Lichtstärke und Auflösung einer Stablinsenoptik stehen eine fehlende Flexibilität und erhöhte Bauraumanforderungen entgegen.

Fazit: Diese Arbeit leistet einen Beitrag zur Optimierung des Laryngoskop-Designs für die gezielte, reproduzierbare Auslösung des LAR. Mit dem Ziel einer weiteren Reduktion der laryngopharyngealen Reflexaktivität wird in zukünftigen Arbeiten die Möglichkeit des transnasalen Zugangs für MIT-LAR untersucht.

Gefördert durch die DFG (Förderkennziffern PT 2/5-1 und KA 2975/6-1).


Text

Hintergrund

Krankhafte Veränderungen laryngealer Reflexe können zu einer Dysphagie führen, die das Risiko erhöht, an einer lebensbedrohlichen Pneumonie zu erkranken [1]. Zum Routine-Screening und zur weiteren Charakterisierung des laryngealen Adduktionsreflexes (LAR) wurde eine Reflexauslösung durch den Abschuss von Mikrotropfen und die zeitsynchrone Aufzeichnung einer Hochgeschwindigkeits-Endoskopiesequenz vorgeschlagen [2]. Dieses Microdroplet Impulse Testing of the LAR, kurz MIT-LAR, wurde durch den Aufbau eines stereoskopischen, stablinsenbasierten Laryngoskops um eine Funktion zur Stimulationsort-Vorhersage erweitert [3]. Diese Funktion ermöglicht die Erforschung der Stimulationsort-Abhängigkeit der Reflexantwort und ultimativ die Steigerung der Patientensicherheit bei der Durchführung des MIT-LAR-Verfahrens. Um die pharyngealen anatomischen Verhältnisse besser zu berücksichtigen und so das Risiko zu minimieren, durch eine unbeabsichtigte Tangierung des hinteren Rachenraums den Würgreflex auszulösen, wird ein alternativer Ansatz mittels bildleiterbasierter Stereobildaufnahme untersucht. Ziel dieser Untersuchung ist der Nachweis, dass Bildleiterbündel als Übertragungseinheit für ein stereoskopisches MIT-LAR-Verfahren grundsätzlich ebenfalls geeignet sind.

Material und Methoden

Zwei Bildleiterbündel (XION GmbH, Berlin) mit jeweils ca. 18.000 Einzelfasern (Herstellerangabe) werden unter Berücksichtigung des Mindestkrümmungsradius in einem distal 90° gekrümmten, zweiteiligen Laryngoskopschaft fixiert (Abbildung 1 [Abb. 1]). Der Schaft wird mittels Rapid Prototyping aus einem festen Photopolymer (VeroBlackPlus, Stratasys, Ltd., Eden Prairie, USA) gefertigt und über eine Relaisoptik (Thorlabs, Newton, USA) mit einer Vergrößerung von 1,33:1 an eine Hochgeschwindigkeits-Kamera (Os7-V3-S1, IDT, Inc., Pasadena, USA) angebunden. Die Hälften des Laryngoskopschaftes werden mittels mehrerer Nut-Feder-Verbindungen formschlüssig verbunden. Zur späteren Integration einer Hochleistungs-LED und einer Vorrichtung zur Ableitung der entstehenden thermischen Energie sind entsprechende Hohlräume vorbereitet. Die optischen Komponenten können mit einer transparenten Abschlusskappe geschützt werden. Das Auflösungsvermögen des Stereoaufbaus wird mit dem bekannten USAF-Chart [4], der im Abstand von 45 mm senkrecht zur Blickrichtung des Aufbaus positioniert ist, evaluiert. Das verwendete Testbild hat eine Höhe von 48 mm und eine Breite von 49 mm.

Ergebnisse

Die Auswertung einer Probeaufnahme des USAF-Testbildes (Abbildung 2 [Abb. 2]) ergibt ein Auflösungsvermögen des aufgebauten Prototyps von 0,7 lp/mm (Linienpaaren pro Millimeter) bei einem Arbeitsabstand von 45 mm. Durch die faserbasierte Bildübertragung ist die theoretisch zur Verfügung stehende Auflösung des Stereobildes auf die Zahl der Einzelfasern begrenzt, da jede Faser einen einzelnen Bildpunkt erzeugt. Die Bildleitfasern weisen rechnerisch einen Durchmesser von ca. 8 µm auf, der einer Pixelkantenlänge von 9,12 µm auf dem CMOS-Sensor der verwendeten Kamera (Herstellerangabe) gegenübersteht. Mit einem optischen Öffnungswinkel von 80° (Herstellerangabe) der Bildleiterbündel wird die geschätzte Mindestüberlagerung der Einzelbilder von 30 mm in lateraler Richtung zur vollständigen, stereoskopischen Abbildung des Zielgebietes rechnerisch ab einem Arbeitsabstand von 28,6 mm erreicht.

Diskussion

Das aufgebaute, gekrümmte Laryngoskop scheint zum aktuellen Zeitpunkt für ein MIT-LAR-System geeignet, das um Stereobildgebung und somit die Möglichkeit einer Zielpunktvorhersage erweitert ist. Die Zielpunktvorhersage-Genauigkeit des bildleiterbasierten Laryngoskops wird zeitnah experimentell evaluiert. Für die klinische Anwendung ist zu erwarten, dass die anatomiegerechte Ausformung des Jet-Laryngoskopschaftes hilfreich ist, um die laryngopharyngeale Reflexaktivität und damit a priori die Artefaktrate zu verringern.

Fazit

Flexible Bildleiter scheinen ein adäquates Mittel darzustellen, um ein anatomiegerechteres Stereolaryngoskop für das MIT-LAR-Verfahren zu erhalten. In der Zukunft wird ein semirigider Aufbau sowie die Integration einer Beleuchtungsvorrichtung und eines Tropfenapplikators in den Endoskopschaft untersucht.

Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unter den Förderkennziffern PT 2/5-1 und KA 2975/6-1.


Literatur

1.
Manabe T, Teramoto S, Tamiya N, Okochi J, Hizawa N. Risk factors for aspiration pneumonia in older adults. PLoS One. 2015;10(10):e0140060. DOI: 10.1371/journal.pone.0140060 Externer Link
2.
Ptok M, Schroeter S. Gezielte Auslösung des laryngealen Adduktionsreflexes per Mikrotröpfchenabgabe: Entwicklung einer Vorrichtung [Deliberate release of the laryngeal adductor reflex via microdroplet impulses: Development of a device]. 2016;64(3):149-55. DOI: 10.1007/s00106-016-0130-1 Externer Link
3.
Fast JF, Ruppel AK, Barhold C, Jungheim M, Ortmaier T, Ptok M, Kahrs LA. Endoscopic guidance system for stimulation of the laryngeal adductor reflex by droplet impact. In: Fei B, Linte CA, editors. Proc. SPIE 10951, Medical Imaging 2019: Image-Guided Procedures, Robotic Interventions, and Modeling, 109510M, 2019 Feb 16-21, San Diego, CA. p. 21-31. DOI: 10.1117/12.2512852 Externer Link
4.
JimDoty.com. USAF High Resolution Lens Testing Chart. [last updated 2000 Nov 20, cited 2019 Jul 11]. Available from: https://jimdoty.com/learn/lenses/usaf_test/usaf_chart/usaf_chart.html Externer Link