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36. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

19.09. - 22.09.2019, Göttingen

Entwicklung einer teletherapeutischen Hörplattform für erwachsene Cochlea-Implantat-Träger

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Christiane Völter - Cochlea-Implantat-Zentrum Ruhrgebiet, Klinik für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie, Ruhruniversität Bochum, Bochum, Deutschland
  • Christiane Schirmer - Kampmann Hörsysteme GmbH, Bochum, Deutschland
  • Dorothee Hinsen - Hochschule für Gesundheit, Bochum, Deutschland
  • Marieke Röber - Hochschule für Gesundheit, Bochum, Deutschland
  • Kerstin Bilda - Hochschule für Gesundheit, Bochum, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 36. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Göttingen, 19.-22.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocV10

doi: 10.3205/19dgpp14, urn:nbn:de:0183-19dgpp149

Veröffentlicht: 13. September 2019

© 2019 Völter et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Nach einer Cochlea-Implantation ist ein Hörtraining zum Wiedererwerb des Sprachverstehens erforderlich. Bislang erfolgt die Hörrehabilitation entweder ambulant oder stationär im direkten Kontakt mit einem Therapeuten. Bedingt durch technische Weiterentwicklungen, aber vor allem durch die zunehmende Nutzung digitaler Medien durch die Verbraucher und dem Wunsch nach Mobilität und Selbständigkeit steigt der Bedarf an digitalen Trainingsprogrammen im Rahmen der CI-Rehabilitation. Ziel des vom Land NRW und der EU geförderten Forschungsprojektes „Train2Hear“ ist die Entwicklung einer computerbasierten teletherapeutischen Übungsplattform für Cochlea-Implantat-Träger mit Mitarbeitern aus den Bereichen Medizin, der Hörtherapie und der Softwareentwicklung.

Material und Methoden: Nach einer intensiven Literaturrecherche sowie einer Bedarfsanalyse erfolgten eine Beschreibung der Nutzergruppe sowie die Festlegung der Kerninhalte. In einem zweiten Schritt wurden diese dann in einem ersten Prototyp umgesetzt, der bereits während der Entwicklung im Rahmen von Workshops von den Nutzern selbst, aber auch von den in der Hörtherapie tätigen Rehabilitationsexperten evaluiert wurde.

Ergebnisse: Die bisher verfügbaren deutschsprachigen Hörtrainings sind nicht auf den individuellen Nutzer und seine Hörleistung abgestimmt. Ergebnisse der Bedarfsanalyse zeigten jedoch, dass sich potentielle Nutzer vom Schwierigkeitsgrad her angepasste Übungen und Feedback zu den Leistungen wünschen.

Basierend auf den gängigen Hör-Sprach-Modellen und angelehnt an die Face-to-Face-Therapie vor Ort erfolgt die interdisziplinäre Entwicklung einer teletherapeutischen Hörplattform. Kernbereiche dieser sind, neben einer an die ICF angelehnten Eingangsanalyse, ein individueller, adaptiver Trainingsplan unter Berücksichtigung von Motivationskonzepten sowie ein teletherapeutisches Videotool zum Austausch/Kontakt mit dem Therapeuten vor Ort. Thematisch wurden die Übungen in eine Europareise eingebettet. Darüber hinaus gibt es einen freien Trainingsbereich sowie einen Statistikbereich für den User und den Therapeuten.

Diskussion: Digitale Module zur Hörrehabilitation können in Zukunft die klassischen Rehabilitationskonzepte ergänzen. Vorgestellt werden sollen der aktuelle Prototyp sowie erste Ergebnisse einer Evaluation der teletherapeutischen Hörplattform durch erwachsene CI-Träger und CI-Rehabilitationstherapeuten.


Text

Einleitung

Nach einer Cochleaimplantation ist ein Hörtraining zum Erwerb des Sprachverstehens erforderlich [1], [2]. Bislang erfolgt die Hörrehabilitation entweder ambulant oder stationär im direkten Kontakt mit einem Therapeuten. Bedingt durch technische Weiterentwicklungen, aber vor allem durch die zunehmende Nutzung digitaler Medien durch die Verbraucher und dem Wunsch nach Mobilität und Selbständigkeit steigt der Bedarf an digitalen Trainingsprogrammen auch im Rahmen der CI-Rehabilitation, wie auch eine eigene Bedarfsanalyse an potentiellen Nutzern bestätigte (Bilda, unpublished data). Ziel des vom Land NRW geförderten Forschungsprojektes „Train2Hear“ (EFRE) war daher die Entwicklung einer computerbasierten teletherapeutischen Übungsplattform für Cochlea-Implantat-Träger mit Mitarbeitern aus den Bereichen der Medizin, der Hörtherapie und der Softwareentwicklung.

Material und Methoden

Nach einer intensiven Literaturrecherche in den Datenbanken PubMed, Livivo und Google Scholar sowie einer Bedarfsanalyse vor Ort und online erfolgte eine Beschreibung der Nutzergruppe sowie die Festlegung der zentralen Kerninhalte. Basierend auf den gängigen Hör-Sprachmodellen und angelehnt an die Face-to-Face-Therapie vor Ort erfolgte interdisziplinär die Entwicklung einer teletherapeutischen Hörplattform (Völter, in press). In einem zweiten Schritt wurde diese dann in einen ersten Prototyp umgesetzt, der bereits während der Entwicklung im Rahmen von Workshops von 18 CI-Nutzern, aber auch von 10 in der Hörtherapie tätigen Rehabilitationsexperten evaluiert wurde. Zum Einsatz kamen hierbei neben einem eigens hierfür entwickelten Bochumer Fragebogen verschiedene Fragebögen zur Usability (SUS) und zur Motivation.

Ergebnisse

Derzeit steht eine Vielzahl an englischsprachigen computerbasierten Hörtrainingsprogrammen zur Verfügung. Diese weisen nicht nur interaktive und adaptive Trainingsmodule auf, sondern sind zum Teil bereits an kleineren Patientengruppen evaluiert worden [3]. Demgegenüber finden sich bislang nur 8 computerbasierte Trainingsmodule für deutschsprachige CI-Träger (Sensoton®, Online Hörtraining Verheyen®, Asklepios Hörtraining, Listen up! (Med-El), Sound Success (Advanced Bionics), OLCIT, Hörtraining DHZ, Schallquelle). Viele dieser Programme sind als begleitendes Übungsmaterial zur Standardtherapie gedacht und rein patientengeführt. Nur wenige Trainingsprogramme wie Sensoton® und das Online-Hörtraining Verheyen® weisen ein strukturiertes 14-tägiges Programm auf. Auch wenn eine Vielzahl an möglichen Übungen zur Verfügung steht, findet keine Anpassung der Trainingsinhalte an den individuellen Nutzer und seine Hörleistung statt. Ebenso fehlt es den Programmen an komplexen Höraufgaben im Störlärm.

Kernbereiche der „Train2hear“ Hörplattform sind neben einer an die ICF angelehnten Eingangsanalyse ein individueller, adaptiver Trainingsplan unter Berücksichtigung von Motivationskonzepten sowie ein teletherapeutisches Videotool zum Austausch mit dem Therapeuten vor Ort. Thematisch wurden die Übungen in eine Europareise eingebettet. Darüber hinaus gibt es einen freien Trainingsbereich sowie einen Statistikbereich für den User und den Therapeuten.

Eine erste Evaluierung der train2hear-Trainingsplattform im Rahmen eines Anwenderworkshops unterstrich die gute Akzeptanz des computerbasierten Hörtrainings. Die Usability der zu entwickelnden Trainingsplattform wurde durch insgesamt 18 CI-Träger mit einer hohen Nutzerfreundlichkeit (Score von 85,3) bewertet. Auch von den Rehabilitationsexperten wurde die teletherapeutische Übungsplattform durchweg positiv beurteilt.

Diskussion/Fazit

Digitale Module zur Hörrehabilitation könnten in Zukunft die klassischen Rehabilitationskonzepte ergänzen oder gar ersetzen. Hierdurch lässt sich nicht nur eine ressourcensparende sowie zeit- und ortsunabhängige Therapie anbieten, sondern auch die Intensität derselben steigern. Langfristig könnte die computerbasierte Hörtherapie die Hör- und Sprachtherapie grundlegend verändern, auch wenn derzeit noch viele Fragen offen sind und größere Studien zur Effektivität dieser Therapieform ausstehen.

Die Autoren danken allen Mitarbeitern des interdisziplinären Projekts „train2hear“ (q2web Düsseldorf, Kampmann Hörsysteme Bochum, Hochschule für Gesundheit Bochum, St. Elisabeth-Hospital der Ruhruniversität Bochum) sowie auch allen an der Studie teilnehmenden Patienten und Therapeuten des St. Elisabeth-Krankenhauses Bochum.


Literatur

1.
Fu QJ, Galvin III JJ. Maximizing cochlear implant patient’s performance with advanced speech training procedures. Hear Res. 2008;242:198-208.
2.
Chisolm T, Arnold M. Evidence about the effectiveness of aural rehabilitation programs for adults. In: Wong L, Hickson L, editors. Evidence-based practice in audiology. Evaluation interventions for children and adults with hearing impairment. San Diego: Plural Publishing Inc; 2012.
3.
Stacey PC, Raine CH, O’Donoghue GM, Tapper L, Twomey T, Summerfield AQ. Effectiveness of computer-based auditory training for adult users of cochlear implants. Int J Audiol. 2010;49(5):347-56.