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36. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

19.09. - 22.09.2019, Göttingen

Klinische und pädaudiologische Befunde bei Kindern nach konnataler Cytomegalievirus-Infektion

Poster

  • corresponding author presenting/speaker Miriam Bürklein - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, plastische und ästhetische Operationen, Universität Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • author Désirée Ehrmann-Müller - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, plastische und ästhetische Operationen, Universität Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • Johannes G. Liese - Kinderklinik und Poliklinik, Universitätsklinik Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • Eric Frieauff - Kinderklinik und Poliklinik, Universitätsklinik Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • author Rudolf Hagen - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, plastische und ästhetische Operationen, Universität Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • author Wafaa Shehata-Dieler - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, plastische und ästhetische Operationen, Universität Würzburg, Würzburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 36. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Göttingen, 19.-22.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocP3

doi: 10.3205/19dgpp10, urn:nbn:de:0183-19dgpp101

Veröffentlicht: 13. September 2019

© 2019 Bürklein et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Das Zytomegalievirus (CMV) ist weltweit verbreitet, gehört zu den humanen Herpesviren und gilt als häufigster viraler Erreger einer kongenitalen Infektion. Als Folgeerscheinungen einer Infektion treten bei den betroffenen Kindern häufig Entwicklungsverzögerungen und Hörminderungen mit progredientem Verlauf bis hin zur Ertaubung auf. Schätzungsweise sind 10–15% aller behandlungsbedürftigen kindlichen Hörstörungen durch eine konnatale CMV-Infektion verursacht. Ziel der Erhebung war es, relevante pädaudiologische Befunde der Kinder nach konnataler CMV-Infektion anhand der Aktenlage zu ermitteln.

Material und Methoden: Erhoben wurden Daten von Kindern des Comprehensive Hearing Centers Würzburg mit einer nachgewiesenen konnatalen CMV-Infektion. Gegenstand der Untersuchung waren die Ergebnisse des Neugeborenen-Hörscreenings, die Art der Versorgung mit Hörhilfen und die audiologischen Ergebnisse im Rahmen des Nachbeobachtungszeitraums.

Ergebnisse: Bei den insgesamt 14 Kindern mit nachgewiesener konnataler CMV-Infektion konnte bei 4 Kindern ein normales Hörvermögen beidseits festgestellt werden. 3 Kinder wiesen ein einseitig normales Hörvermögen und eine Hörminderung der Gegenseite auf, welche bei 2 Kindern aufgrund einer hochgradigen Hörminderung mit einem Cochlea-Implantat versorgt wurde und bei einem Kind mit einem konventionellen Hörgerät. Bei weiteren 5 Kindern erfolgte die Versorgung mit Cochlea-Implantaten beidseits, teilweise auch aufgrund einer Progredienz der Hörminderung. Die anderen beiden Kinder sind mit Hörgeräten beidseits versorgt.

Diskussion: Die konnatale CMV-Infektion ist mit einer anzunehmenden Inzidenz von 0,2–0,5% die häufigste angeborene Infektion und stellt damit eine relevante Ursache für eine angeborene Hörstörung dar. Da jedoch ein hoher Anteil der Kinder mit konnataler CMV-Infektion bei Geburt klinisch asymptomatisch ist, werden viele Fälle nicht diagnostiziert.

Fazit: Es ergibt sich daher die Konsequenz, dass bei angeborener Hörminderung eine zeitnahe Diagnostik hinsichtlich einer konnatalen CMV-Infektion initiiert werden sollte.


Text

Hintergrund

Das Cytomegalievirus (CMV) gehört zu den humanen Herpesviren (Humanes Herpesvirus 5) und gilt als häufigster viraler Erreger einer konnatalen Infektion. Bis zu 15% aller behandlungsbedürftigen kindlichen Hörstörungen sind durch eine konnatale CMV-Infektion verursacht [1]. Eine Primärinfektion in der Schwangerschaft mit dem humanen Cytomegalievirus erfolgt in 0,5–4% und führt in 30–50% zur meist asymptomatischen Infektion des Fetus [2], [3], [4]. Auch aufgrund einer Reaktivierung einer latenten Infektion kann es bei bereits immunen Schwangeren zur intrauterinen Infektion kommen. Eine fetale CMV-Infektion vor allem im ersten und zweiten Trimenon kann in etwa 3–4% zu komplexen cerebralen Beeinträchtigungen führen sowie zu Entwicklungsverzögerungen und Hörminderung [1]. Bei rechtzeitiger Diagnose und dem Vorliegen einer Symptomatik des zentralen und peripheren Nervensystems kann eine antivirale Therapie mit Ganciclovir parenteral oder Valganciclovir enteral angeboten werden. Ziel der Erhebung war es, audiologische Befunde und die Art der Versorgung mit Hörhilfen sowie Befunde der Sprachentwicklung und allgemeinen Entwicklung inklusive radiologischer Ergebnisse von Kindern mit konnataler CMV-Infektion darzustellen und die Ergebnisse nach antiviraler Therapie mit zu erfassen.

Material und Methoden

Erhoben wurden die Daten von insgesamt 14 Kindern im Zeitraum von 2004 bis 2019 mit einer nachgewiesenen CMV-Infektion. Von diesen insgesamt 14 Kindern wurde bei 10 Kindern eine konnatale Infektion bestätigt und bei 4 Kindern mit positiver CMV-Serologie konnte der Infektionszeitpunkt abschließend nicht sicher geklärt werden. Die Diagnose einer gesicherten konnatalen Infektion erfolgte bei 3 Kindern mittels Guthrie-Karte und bei einem Kind anhand des positiven Urinbefundes innerhalb von 14 Tagen nach Geburt. In 2 Fällen war die mütterliche Infektion bereits während der Schwangerschaft bekannt und bei 4 Kindern erfolgte die Diagnosestellung auswärtig. Begleiterkrankungen, unabhängig von der CMV-Infektion, wiesen 4 der 14 Kinder auf. Diese waren zum einem eine Hexa- und Syndaktylie, eine Glykogenose (Morbus Cori), ein Long-QT-Syndrom sowie eine fokale Epilepsie bei Zustand nach intracerebraler Hämorrhagie nach Frühgeburtlichkeit.

Ergebnisse

Bei 4 der 14 Kinder fand sich ein normales Hörvermögen beidseits, wobei bei allen 4 Kindern eine konnatale CMV-Infektion nachgewiesen worden wurde. Die Vorstellung dieser Kinder erfolgte einmal aufgrund eines inital auffälligen Neugeborenen-hörscreenings und bei 3 Kindern aufgrund der bekannten mütterlichen Infektion während der Schwangerschaft. 2 dieser Kinder mit beidseitigem normalem Hörvermögen erhielten eine antivirale Therapie. In beiden Fällen war die mütterliche Infektion während der Schwangerschaft bekannt und eines der beiden Kinder wies cerebrale Veränderungen auf. Insgesamt erfolgte die antivirale Therapie bei weiteren 4 Kindern mit nachgewiesener konnataler CMV-Infektion. Hiervon wurde die Indikation zur Therapie in 2 Fällen auswärts gestellt, bei 1 Kind lag eine Sepsis bei Frühgeburtlichkeit vor und in einem weiteren Fall fanden sich im cMRT schwerwiegende cerebrale Veränderungen. Die Behandlung erfolgte bei 5 Kindern initial mit Ganciclovir intravenös, bei einem Kind war das antivirale Medikament den Eltern nicht bekannt. Bei 2 Kindern ist nach intravenöser Therapie die orale Therapie mit Valganciclovir erfolgt. Bildgebende Verfahren wie Schädelsonographie oder cranielle MRT zeigten insgesamt bei 7 der 14 Kinder Auffälligkeiten, wie erweiterte Liquorräume, bitemporale Zysten, Entmarkungsherde oder Kalzifizierungen. Eine Chorioretinitis wurde nicht nachgewiesen. Bei den Kindern ohne antivirale Therapie war entweder der Diagnosezeitpunkt der Infektion zu spät, oder es lag keine schwerwiegende CMV-Infektion vor. Die audiologischen Befunde der 10 Kinder mit nachgewiesener Hörminderung zeigten in einem Fall eine direkt nach der Geburt diagnostizierte an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beidseits und in 3 weiteren Fällen mittel- bis hochgradige Hörminderungen, welche im Verlauf progredient waren. Nach initialer Hörgeräteversorgung erhielten diese 4 Patienten eine beidseitige Cochleaimplantatversorgung. Weitere 3 Kinder wurden aufgrund einer gering- bis hochgradigen Hörminderung mit Hörgeräten beidseits versorgt. Bei 3 weiteren Patienten wurde eine einseitige an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit diagnostiziert und nach initialer Hörgeräteversorgung die Cochleaimplantatversorgung durchgeführt, wobei in einem Fall die Gegenseite normalhörend war, in dem zweiten Fall eine mittel- bis hochgradige Hörminderung vorlag und beim dritten Kind eine Cochleaimplantation empfohlen worden ist. Bei 4 von 7 Kindern stellte sich die Hörminderung im Verlauf progredient dar. Bei den 6 Kindern, welche eine antivirale Therapie erhalten haben, fanden sich in 3 Fällen stabile Hörbefunde. Bei nahezu allen Kindern zeigte sich im Beobachtungszeitraum eine lautsprachliche Entwicklung unter der Versorgung mit Hörhilfen, wobei 2 der Kinder zusätzlich Gebärden verwenden. Eine allgemeine Entwicklungsverzögerung fand sich bei 5 von 10 Kindern mit diagnostizierter Hörminderung.

Diskussion

Die konnatale CMV-Infektion ist mit einer anzunehmenden Inzidenz von 0,2–0,5% die häufigste angeborene Infektion und stellt damit eine relevante Ursache für eine angeborene Hörstörung dar. Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder mit einer CMV-assoziierten Hörminderung von den Hörhilfen profitieren. Aufgrund der Progredienz der Hörminderung, die sich in unserem Kollektiv in mehr als der Hälfte zeigte, war eine engmaschige regelmäßige Kontrolle und teilweise ein Wechsel der Hörhilfe von einem konventionellen Hörgerät auf ein Cochleaimplantat notwendig.

Schlussfolgerung

Da die konnatale CMV-Infektion innerhalb der ersten zwei, maximal drei Lebenswochen diagnostiziert werden muss, um eine Abgrenzung zur postnatalen CMV-Infektion zu ermöglichen, ergibt sich die Konsequenz, dass bei einem auffälligen Neugeborenenhörscreening eine zeitnahe Diagnostik hinsichtlich einer konnatalen CMV-Infektion initiiert werden sollte. Jedoch ist ein hoher Anteil der Kinder mit konnataler CMV-Infektion bei Geburt klinisch asymptomatisch, wodurch viele Patienten nicht oder zu spät diagnostiziert werden. Die CMV-assoziierte Hörminderung stellte sich in unserem Kollektiv in mehr als der Hälfte der Fälle progredient dar, jedoch fanden sich bei 3 Kindern nach antiviraler Therapie stabile Hörbefunde. Weiterhin sind regelmäßige Kontrollen des Hörvermögens bei Kindern mit konnataler CMV-Infektion empfohlen.


Literatur

1.
Buxmann H, Hamprecht K, Meyer-Wittkopf M, Friese K. Zytomegalievirus-Primärinfektion in der Schwangerschaft. Dtsch Arztebl Int. 2017;114(4):45-52.
2.
Enders G, Daiminger A, Bäder U, Exler S, Enders M. Intrauterine transmission and clinical outcome of 248 pregnancies with primary cytomegalovirus infection in relation to gestational age. J Clin Virol. 2011;52:244-6.
3.
Voigt S, Brune W; Robert Koch Institut. Die konnatale Cytomegalie: Ein unterschätztes Gesundheitsrisiko. 2008. Verfügbar unter: https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/die_konnatale_cytomegalie_ein_unterschaetztes_gesundheitsrisiko.pdf Externer Link
4.
Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten; Gesellschaft für Virologie, et al. Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen – S2k-Leitlinie AWMF Registernummer 0093/001; 2014. Verfügbar unter: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/093-001.html Externer Link