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Progrediente Schallleitungsschwerhörigkeit im Kindesalter bei kraniometaphysärer Dysplasie
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Veröffentlicht: | 13. September 2019 |
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Gliederung
Zusammenfassung
Hintergrund: Schallleitungsschwerhörigkeiten im Kindesalter sind häufig, oft Infekt assoziiert (Paukenergüsse), durch Gehörgangsstenosen/-atresien, Mittelohrfehlbildungen oder Cholesteatom. Treten zusätzlich weitere Deformitäten auf, so muss auch an seltenere Ursachen gedacht und frühzeitig eine Hörgeräteversorgung eingeleitet werden.
Material und Methoden: Case Report über einen 8-jährigen Jungen türkisch-österreichischer Abstammung. Nach einer konnatalen Fazialisparese rechts fiel zwischen der U6 und U7 neben einer Sprachentwicklungsverzögerung (SEV) ein sprunghaftes Kopfwachstum mit Entstehung eines Makrozephalus auf. Eine Stoffwechselkrankheit sowie eine intrakranielle Raumforderung konnten mittels MRT bei guter motorischer Entwicklung ausgeschlossen werden. Da bei SEV eine chronische Tubenbelüftungsstörung mit Schallleitungsschwerhörigkeit bds. festgestellt wurde, erfolgte eine Adenotomie mit Paukendrainageneinlage bds. und im Verlauf bis zum 4. Lebensjahr Re-Paukendrainagen sowie T-Tube-Einlagen mit Re-Adenotomie. Da sich die Sprachentwicklung kaum besserte, erfolgte die erstmalige pädaudiologische Abklärung mit 5 Jahren. Es bestätigte sich eine hochgradige Schallleitungsschwerhörigkeit rechts und an Taubheit grenzende Schallleitsschwerhörigkeit links bei Paukenergüssen bds. und beginnendem Adhäsivprozess links sowie eine höhergradige Sprachentwicklungsstörung. Zur Abklärung einer Mittelohrfehlbildung und Einschätzung von Therapiemöglichkeiten wurde ein CT u.a. des Felsenbein durchgeführt und eine Osteopetrose mit weiteren skelettalen Deformitäten an Wirbelsäule, Femur und Hüftgelenk klinisch vermutet. Es erfolgte die HdO-Hörgeräteversorgung bds. sowie die weitere humangenetische Abklärung.
Ergebnisse: In der genetischen Diagnostik bestätigte jedoch nicht eine Osteopetrosis sondern eine kraniometaphysäre Dysplasie mit heterozygoter Mutation im Gen ANKH c.1123_1125delCCT; p.(Ser375del), die mit einer Prävalenz von <1 zu 1.000.000 ein seltene autosomal dominant oder autosomal rezessiv vererbte Erkrankung (OMIM #269300, ICD-10: Q78.8). Bislang wurden etwa 70 Patienten beschrieben. Die Hauptkriterien sind eine kraniale Hyperostose und Entwicklungsstörungen der Metaphysen. Das Syndrom wurde 1954 durch W. P. U. Jackson und Mitarbeiter vom Pyle-Syndrom abgegrenzt.
Fazit: Bei Schallleitungsschwerhörigkeiten mit unklaren knöchernen Deformitäten sollte mittels bildgebender Verfahren und humangenetischer Untersuchung Differenzialdiagnosen wie die Osteopetrose und kraniometaphysäre Dysplasie abgeklärt werden.
Text
Hintergrund
Schallleitungsschwerhörigkeiten im Kindesalter sind häufig. Dabei werden sie durch Infekte (Paukenergüsse), Gehörgangsstenosen/-atresien, Mittelohrfehlbildungen oder Cholesteatom verursacht. Treten zusätzlich weitere skelettale Deformitäten auf, so muss auch an seltenere Ursachen wie einer Knochenerkrankung gedacht und frühzeitig eine Hörgeräteversorgung eingeleitet werden.
Fallpräsentation
Bei einem 8-jährigen Jungen türkisch-österreichischer Abstammung, fiel nach einer konnatalen Fazialisparese rechts zwischen der U6 und U7 neben einer Sprachentwicklungsverzögerung (SEV) ein sprunghaftes Kopfwachstum mit Entstehung eines Makrozephalus und einer Schädelasymmetrie auf. Eine Stoffwechselkrankheit sowie eine intrakranielle Raumforderung konnten ausgeschlossen werden. Es zeigte sich eine gute motorische Entwicklung. Da bei SEV eine chronische Tubenbelüftungsstörung mit Schallleitungsschwerhörigkeit bds. festgestellt wurde, erfolgte eine Adenotomie mit Paukendrainageneinlage bds. und im Verlauf bis zum 4. Lebensjahr Re-Paukendrainagen sowie T-Tube-Einlagen mit Re-Adenotomie. Da sich die Sprachentwicklung kaum besserte, erfolgte die erstmalige pädaudiologische Abklärung mit 5 Jahren. Es bestätigte sich eine hochgradige Schallleitungsschwerhörigkeit rechts und an Taubheit grenzende Schallleitungsschwerhörigkeit links bei Paukenergüssen bds. (Abbildung 1 [Abb. 1]) und beginnendem Adhäsivprozess links sowie eine Sprachentwicklungsstörung höheren Grades. Zur Abklärung einer Mittelohrfehlbildung und Einschätzung von Therapiemöglichkeiten wurde ein CT u.a. des Felsenbeins (Abbildung 2 [Abb. 2]) durchgeführt und eine Osteopetrose mit weiteren skelettalen Deformitäten an Wirbelsäule, Femur und Hüftgelenk klinisch diagnostiziert. Es erfolgte die HdO-Hörgeräteversorgung bds. sowie die weitere humangenetische Abklärung.
In der genetischen Diagnostik bestätigte sich jedoch nicht eine Osteopetrose, sondern eine autosomal dominante kraniometaphysäre Dysplasie (AD-CMD) mit heterozygoter Mutation im Gen ANKH c.1123_1125delCCT; p.(Ser375del), die eine sehr seltene autosomal dominant oder autosomal rezessiv vererbte Erkrankung (OMIM #269300, ICD-10: Q78.8) darstellt. Bislang wurden etwa 70 Patienten beschrieben. Die Hauptkriterien sind eine kraniale Hyperostose und Entwicklungsstörungen der Metaphysen. Das Syndrom wurde 1954 durch W. P. U. Jackson und Mitarbeiter vom Pyle-Syndrom abgegrenzt.
Diskussion
Bei der AD-CMD kommt es durch einen Defekt eines Transmembran-Proteins, welches durch das ANKH-Gen codiert wird, zu einer Störung der Knochenmineralisierung [1]. Die CMD kann in eine häufigere, relativ milde, autosomale, dominante Form (OMIM #123000) und in eine seltene, schwerwiegende, autosomal-rezessive Form (OMIM # 218400) eingeteilt werden [1], [2].
Die autosomal dominante Form wird durch eine ANKH-Genmutation auf Chromosom 5p15.2-p14.1 verursacht, welches ein Pyorphosphat-Transport-Membranprotein kodiert [1]. Die autosomal-rezessive Form wird durch eine GJA1-Genmutation auf Chromosom 6q22.31, welches das Connexin 43 kodiert, verursacht [3].
Bei der AD-CMD kommt es zu einer progressiven diffusen Hyperostose und Sklerosierung des kraniofaszialen Knochens und abnormaler Modellierung der Metaphysen. Die Sklerosierung des Schädels kann zu Schädelasymmetrien und Einengung der Hirnnervenkanäle mit deren Kompression und konsekutivem Hörverlust oder Fazialisparese führen [4].
Fazit
Bei Schallleitungsschwerhörigkeiten mit unklaren knöchernen Deformitäten sollten, ergänzend zur pädaudiologischen Diagnostik und Einleitung einer Therapie u.a. mittels Hörgeräteversorgung, bildgebende Verfahren und eine humangenetische Untersuchung durchgeführt werden, um Differenzialdiagnosen wie die Osteopetrose und kraniometaphysäre Dysplasien, bzw. Osteochondrodysplasien im Allgemeinen abzuklären.
Literatur
- 1.
- Reichenberger E, Tiziani V, Watanabe S, Park L, Ueki Y, Santanna C. Autosomal dominant craniometaphyseal dysplasia is caused by mutations in the transmembrane protein ANK. Am J Hum Genet. 2001;68(6):1321-6.
- 2.
- McKusick VA, et al. Craniometaphyseal dysplasia, autosomal recessive, CMDR – Phenotype-Gene Relationships. OMIM - Online Mendelian Inheritance in Man. 1986:218400. [last updated 2016 May 7]. Available from: https://www.omim.org/entry/218400
- 3.
- Hu Y, Chen IP, de Almeida S, Tiziani V, Do Amaral CMR, et al. A Novel Autosomal Recessive GJA1 Missense Mutation Linked to Craniometaphyseal Dysplasia. PLoS One. 2013;8(8):e73576. DOI: 10.1371/journal.pone.0073576
- 4.
- Reichenberger E, Chen IP. Craniometaphyseal Dysplasia, Autosomal Dominant. In: Adam MP, Ardinger HH, Pagon RA, et al, editors. GeneReviews. Seattle: University of Washington; 2007. Verfügbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK1461/
- 5.
- Thomeer HGXM, Morava E, Verbist BM, Cremers CWRJ. Otological aspects and surgical outcome in a consanguineous family with a novel ANKH gene mutation. Int J Pediatr Otorhinolaryngol. 2013;77(7):1152-7. DOI: 10.1016/j.ijporl.2013.04.028
- 6.
- Singh S, Qin C, Medarametla S, Hegde SV. Craniometaphyseal dysplasia in a 14-month old: a case report and review of imaging differential diagnosis. Radiol Case Rep. 2016;11(3):260-5. DOI: 10.1016/j.radcr.2016.04.006
- 7.
- Lamazza L, Messina A, D’Ambrosio F, Spink M, De Biase A. Craniometaphyseal dysplasia: a case report. Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endod. 2009;107(5):e23-7. DOI: 10.1016/j.tripleo.2009.01.049