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36. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

19.09. - 22.09.2019, Göttingen

Das Kraniopharyngeom, eine seltene Ursache einer erworbenen einseitigen Schwerhörigkeit im Kindesalter

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  • corresponding author presenting/speaker Ruth Lang-Roth - Phoniatrie und Pädaudiologie, Klinik für HNO-Heilkunde, Kopf-, Halschirurgie, Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • author Antonia Nolte - Phoniatrie und Pädaudiologie, Klinik für HNO-Heilkunde, Kopf-, Halschirurgie, Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • author Gitta Pantel - Phoniatrie und Pädaudiologie, Klinik für HNO-Heilkunde, Kopf-, Halschirurgie, Uniklinik Köln, Köln, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 36. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Göttingen, 19.-22.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocP1

doi: 10.3205/19dgpp08, urn:nbn:de:0183-19dgpp088

Veröffentlicht: 13. September 2019

© 2019 Lang-Roth et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Die differenzierte pädaudiologische Diagnostik ist auch bei Hörstörungen im Jugendalter indiziert. Diffuse und scheinbar diskrepante Befunde können dazu führen, dass die Diagnosestellung verzögert wird.

Material und Methoden: Ein 11 Jahre altes Mädchen wurde vom niedergelassenen HNO-Arzt aufgrund eines unklaren Hörbefundes in die Pädaudiologie überwiesen. Der Allgemeinzustand war unauffällig. In der Anamnese wurde über Kopf- und Nackenschmerzen ohne Erbrechen seit 18–24 Monaten berichtet. Hinzu kamen linksseitige Ohrenschmerzen sowie eine Hörminderung links. Die Schmerzsymptomatik war unter Belastung und in Stresssituationen ausgeprägter als in den Ferien.

Die HNO-Spiegelbefunde waren inclusive Otoskopie beidseits unauffällig. Im Tonaudiogramm stellte sich eine medio-basocochleäre Schwerhörigkeit links mit erhaltenen otoakustischen Emissionen dar. Die Gegenseite war normalhörend. Das Sprachaudiogramm links war auffällig, trotz Lautstärkesteigerung trat kein adäquater Zuwachs im Zahlenverstehen ein. In der daraufhin durchgeführten BERA lagen die FAEP-Schwellen im Bereich 2-4 kHz rechts um 10 dB HL und links um 60 dB. Rechtsseitig war die absolute Latenz der Wellen II und V verzögert und links brach die Potenzialkette oberhalb der Welle I nahezu vollständig ab.

Ergebnisse: Im daraufhin durchgeführten MRT kam eine 6 mal 5,4 mal 5,9 cm große Raumforderung mit feiner Septierung in der hinteren Schädelgrube zur Darstellung. Die basalen Zisternen waren nahezu vollständig verlegt und es lagen Zeichen einer beginnenden Liquorzirkulationsstörung vor. Es erfolgte eine stereotaktische Biopsie, die jedoch keine eindeutige histologische Differenzierung ergab, jedoch in der Zusammenschau der Befunde ist das Vorliegen eines Kraniopharyngeoms anzunehmen.

Diskussion: Hirntumore sind im Kindesalter selten Ursache für eine progrediente, retrocochleäre oder zentrale Schwerhörigkeit. Das Kraniopharyngeom mit einer Prävalenz von 1.50 000 ist ein seltener, gutartiger Hirntumor, der etwa 6% der intrakraniellen Tumore im Kindesalter ausmacht. Typische Symptome sind Sehstörungen und Kopfschmerzen. Die Therapieoptionen umfassen komplette oder subtotale Resektion und Bestrahlung. Die potenziellen Nebenwirkungen mit hypothalamischen Funktionsstörungen, verändertem neuropsychologischem Profil und späteintretender Sehbehinderung sind gravierend.

Fazit: Progrediente, insbesondere einseitige Hörstörungen mit diskrepanten Befunden sollten zeitnah audiologisch und bildmorphologisch abgeklärt werden.


Text

Hintergrund

Die differenzierte pädaudiologische Diagnostik ist auch bei Hörstörungen im Jugendalter indiziert. Diffuse und scheinbar diskrepante Befunde können dazu führen, dass die Diagnostik in dieser Altersgruppe verzögert wird.

Material und Methoden

Ein 11 Jahre altes Mädchen wurde vom niedergelassenen HNO-Arzt aufgrund eines unklaren Hörbefundes in die Pädaudiologie überwiesen. Der Allgemeinzustand war unauffällig. In der Anamnese wurde über Kopf- und Nackenschmerzen ohne Erbrechen seit 18–24 Monaten berichtet. Hinzu kamen linksseitige Ohrenschmerzen sowie eine Hörminderung links. Die Schmerzsymptomatik war unter Belastung und in Stresssituationen ausgeprägter als in den Ferien.

Die HNO-Spiegelbefunde waren inclusive Otoskopie beidseits unauffällig. Im Tonaudiogramm (Abbildung 1 [Abb. 1]) stellte sich links eine medio-basocochleäre Schwerhörigkeit dar. Das Sprachverstehen für Zahlen und das Einsilberverstehen links waren auffällig und schwankend. Trotz Lautstärkesteigerung trat kein adäquater Zuwachs im Zahlenverstehen ein (Abbildung 1). Die Sprachaudiometrie rechts war unauffällig und die otoakustischen Emissionen (OAE) waren beidseits nachweisbar. Aufgrund der diskrepanten Befunde wurde eine BERA durchgeführt. Die FAEP-Schwellen im Bereich 2–4 kHz waren rechts ab 10 und links ab 60 dB HL nachweisbar. Rechtsseitig war die absolute Latenz der Welle III und V verzögert und links brach die Potenzialkette oberhalb der Welle I nahezu vollständig ab (Abbildung 2 [Abb. 2]).

Ergebnisse

Im MRT kam eine 6 mal 5,4 mal 5,9 cm große Raumforderung mit feiner Septierung in der hinteren Schädelgrube zur Darstellung. Die basalen Zisternen waren nahezu vollständig verlegt und es lagen Zeichen einer beginnenden Liquorzirkulationsstörung vor. Es erfolgte eine stereotaktische Biopsie, die keine eindeutige histologische Differenzierung ergab, jedoch in der Zusammenschau der Befunde ist das Vorliegen eines Kraniopharyngeoms anzunehmen.

Diskussion

Hirntumore sind im Kindesalter selten Ursache für eine progrediente, retrocochleäre oder zentrale Schwerhörigkeit. Das Kraniopharyngeom mit einer Prävalenz von 1.50 000 ist ein seltener, gutartiger Hirntumor, der etwa 6% der intrakraniellen Tumore im Kindesalter ausmacht. Typisch Symptome sind Sehstörungen und Kopfschmerzen. Die Therapieoptionen umfassen die komplette oder subtotale Resektion sowie die Bestrahlung. Die potenziellen Nebenwirkungen sind mit hypothalamischen Funktionsstörungen, verändertem neuropsychologischem Profil und späteintretender Sehbehinderung gravierend.

Fazit

Progrediente, insbesondere einseitige Hörstörungen mit diskrepanten Befunden sollten zeitnah durch objektive audiometrische Verfahren (ERA und OAE) sowie bildmorphologisch abgeklärt werden, um eventuell vorliegende Hirntumore frühzeitig zu diagnostizieren.


Literatur

1.
Hofman R, Rosingh HJ. Unilateral hearing loss as primary symptom of craniopharyngioma in a six-year-old girl. J Laryngol Otol. 2008;122(3):e10. DOI: 10.1017/S0022215107001491 Externer Link
2.
Buhl R, Lang EW, Barth H, Mehdorn HM. Giant cystic craniopharyngiomas with extension into the posterior fossa. Childs Nerv Syst. 2000;16(3):138-42.
3.
Zhou L, Luo L, Xu J, Li Q, Chen J, Jiang S, Cai B, You C. Craniopharyngiomas in the posterior fossa: a rare subgroup, diagnosis, management and outcomes. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2009;80(10):1150-4. DOI: 10.1136/jnnp.2008.149088 Externer Link