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36. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

19.09. - 22.09.2019, Göttingen

Göttinger Dichotischer Zweisilbertest (GÖDZ)

Vortrag

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Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 36. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Göttingen, 19.-22.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocV3

doi: 10.3205/19dgpp03, urn:nbn:de:0183-19dgpp038

Veröffentlicht: 13. September 2019

© 2019 Gabriel.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Die Überprüfung des dichotischen Hörvermögens geschieht im Erwachsenenalter überwiegend durch den Feldmann-Test (Feldmann 1965) und im Kindesalter durch den Uttenweiler-Test (Uttenweiler 1980). Die fehlende Interpretationsobjektivität dieser Instrumente, z.B. einseitiger Ausfall des Hörverstehens, wie von Feldmann beschrieben, waren Anlass, einen „Dichotischen Zweisilbertest“ zur auditiven Parallelverarbeitung zu entwickeln.

Ergebnisse: Das Neue an diesem dichotischen Test ist, dass die Wortpaare im virtuellen Freifeld in einem spitzen Winkel von vorn präsentiert werden – im Extremfall genau von vorn als Multimix. Ein und dasselbe Wortpaar wird nun schrittweise mit stumpferem Winkel wiederholt, bis die Testperson die korrekte Antwort gibt. Auf diese Weise werden die wiedergegebenen Wortpaare nicht nur gezählt, sondern deren Wiedergabe gewichtet.

Fazit: Dadurch ist es gelungen, extreme Altersunterschiede im Kindes-, Jugend-, Erwachsenen- und hohen Lebensalter überhaupt erst festzustellen und vergleichbare Anforderungen für jede Altersstufe zu schaffen. Die Testergebnisse werden als T-Werte ausgegeben.


Text

Hintergrund

Die Überprüfung des dichotischen Hörvermögens geschieht im Erwachsenenalter überwiegend durch den Feldmann-Test [1] und im Kindesalter durch den Uttenweiler-Test [2]. Die fehlende Interpretationsobjektivität dieser Instrumente, z.B. einseitiger Ausfall des Hörverstehens, wie von Feldmann beschrieben, waren Anlass, einen „Dichotischen Zweisilbertest“ zur auditiven Parallelverarbeitung zu entwickeln.

Material und Methode

1.
Im Test kommen ausschließlich Substantivkomposita zur Anwendung. Damit sind alle Silben Semanteme – also linguistisch gesehen gleichwertig.
2.
An Stelle eines Artikels wurde ein Tonburst als Aufmerksamkeits-Signal eingeführt.
3.
Beim Test werden die Wortpaare im virtuellen Raum – nach Kunstkopfaufnahme – über Kopfhörer aus verschiedenen spitzen Winkeln (0°/360°; 2°/358°; 3°/357°; 5°/355°, 8°/352°; 12°/348°; 18°/342°; 27°/333°; 40°/320°; 60°/300°; 90°/270°) von vorn präsentiert (im Extremfall als Mono-Signal (0°/360°)). Ein und dasselbe Wortpaar wird nun schrittweise mit stumpferem Winkel wiederholt, bis die korrekte Antwort kommt. Diese Art der Untersuchung führt zu einer Gewichtung der Antwort: je spitzer der Winkel, desto wertvoller die Wiedergabe.
4.
Charakteristisch für die Leistung einer Person ist der Winkel, bei dem 50% der Wortpaare wiedergeben wurden – die dichotische Trennschärfe.
5.
Aufgrund der relativen Häufigkeit und der Schwierigkeitsanalyse wurde die endgültige Version mit 2 Aufgabengruppen erstellt:
a) Gruppe I mit 23 Item für 6- bis 12-Jährige und
b) Gruppe II mit 25 Item für 11- bis 85-Jährige
6.
Die T-Werte wurden im Bereich des Winkels der alterstypischen dichotischen Trennschärfe bestimmt.

Ergebnisse

Die dichotische Trennschärfe hat sich als alterstypisch herausgestellt:

  • Test-Gruppe I: 6-Jährige: 60°/300°, 7-Jährige: 12°/348°, 8-Jährige: 8°/352°, 9-Jährige: 5°/355°, 10-Jährige: 3°/357°, 11- und 12-Jährige: 2°/358°.
  • Test-Gruppe II: 11- und 12-Jährige: 5°/355°, 13-Jährige: 3°/357°, 14- bis 50-Jährige: 2°/358°, 51- bis 75-Jährige: 3°/357°, 76- bis 80-Jährige: 8°/352°, 81- bis 85-Jährige: 12°/348°.

Zusammenhangsmaße mit Korrelationen

1.
FELDMANN-Test (11- bis 12-Jährige (N: 131, m: 65, w: 66)): 0,762
2.
Wortschatztest1 (11- bis 12-Jährige (N: 141, m:73, w: 68)): 0,534
3.
OLSA (10-Jährige (N: 42, m: 31, w: 11)): –0,442
4.
OLKISA (9-Jährige (N: 74, m: 59, w: 15)): –0,222
5.
CPM2 (9-Jährige (N: 76, m: 61, w: 15)): 0,008
6.
Audiogramm (51- bis 75-Jährige (N: 102, m: 36, w: 66))
a) 0,5 kHz: –0,37;
b) 2 kHz: –0,43;
c) 4 kHz: –0,48.

Zusammenfassung

Mit dem Göttinger Dichotischen Zweisilbertest (GÖDZ) wurde erstmalig ein Bezugssystem zur Einordnung individueller dichotischer Ergebnisse geschaffen.

Dank der fachspezifischen Anregung, Wegweisung und der Korrekturen von Christiane Kiese-Himmel3 erfolgten umfangreiche Studien zur Aufgabenanalyse und zu den Testgütekriterien der Reliabilität und Validität. Der GÖDZ hat sich in der phoniatrisch-pädaudiologischen Praxis als ein sehr empfindliches Instrument erwiesen, u.a. bei der Mitabklärung auditiver Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS).

Anmerkungen

Ausführliche Version: [3]
1 aus WS/ZF-R Form A Ergänzungstest zum CFT20-R
2 Die Progressiven Matrizen Tests von J. C. Raven
3 Prof. Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Christiane Kiese-Himmel, Leiterin Phoniatrisch/Pädaudiologische Psychologie, Universitätsmedizin Göttingen (UMG), http://www.phon-paed-psychologie.uni-goettingen.de


Literatur

1.
Feldmann H. Dichotischer Diskriminationstest, eine neue Methode zur Diagnostik zentraler Hörstörungen. Arch Ohren Nasen Kehlkopfheilkd. 1965;184:294-329.
2.
Uttenweiler V. Dichotischer Diskriminationstest für Kinder. Sprache – Stimme – Gehör. 1980;4:107-11
3.
Gabriel P. Manual: Göttinger Dichotischer Zweisilbertest (GÖDZ) – Zur Prüfung der auditiven Parallelverarbeitung. Wertingen: WESTRA Elektroakustik GmbH; 2018.
4.
Berger R, Demirakca T. Vergleich zwischen dem alten und neuen Auswertemodus im dichotischen Diskriminationstest. HNO. 2000;48:390-3.
5.
Cohen J. Statistical power analysis for the behavioral sciences. Hillsdale NJ: Erlbaum; 1988.
6.
Gabriel P, Gabriel A, Kiese-Himmel C. Konzeption eines Testes zur auditiven Parallelverarbeitung („Dichotischer Zweisilbertest“). Z Audiol. 2011;50(2):50-61.
7.
Gross M, Berger R, Schönweiler R, Nickisch A. Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen – Diagnostik. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. HNO. 2010;58:1124-8.
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Raven JC, Raven J, Court JH. Manual: Raven’s Progressive Matrices und Vocabulary Scales. Deutsche Bearbeitung und Normierung von S. Bulheller und H. Häcker. Frankfurt: Pearson Assessment & Information GmbH; 2010.
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Wagener K, Brand T, Kollmeier B. Entwicklung und Evaluation eines Satztests für die deutsche Sprache Teil II: Optimierung des Oldenburger Satztests. Z Audiol. 1999;38(2):44-56.
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Wagener K, Brand T, Kollmeier B. Entwicklung und Evaluation eines Satztests für die deutsche Sprache Teil III: Evaluation des Oldenburger Satztests. Z Audiol. 1999;38(3):86-95.
11.
Wagener K, Kühnei V, Kollmeier B. Entwicklung und Evaluation eines Satztests für die deutsche Sprache Teil I: Design des Oldenburger Satztests. Z Audiol. 1999;38(1):4-15.
12.
Weiß RH. WS/ZF-R Wortschatztest und Zahlenfolgetest – Revision – Ergänzungstests zum CFT20-R. Göttingen, Bern: Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG; 2007.