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4. Dreiländertagung D-A-CH
35. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 23.09.2018, Innsbruck, Österreich

Sensorineurale Schwerhörigkeit als Komplikation eines Kawasaki-Syndroms

Poster

  • corresponding author presenting/speaker Franziska Maria Kißlinger - Universitätsklinikum Erlangen, HNO-Klinik, Erlangen, Deutschland
  • Anne Schützenberger - Universitätsklinikum Erlangen, HNO-Klinik, Erlangen, Deutschland
  • Ulrich Hoppe - Universitätsklinikum Erlangen, HNO-Klinik, Erlangen, Deutschland
  • Heinrich Iro - Universitätsklinikum Erlangen, HNO-Klinik, Erlangen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Sektion Phoniatrie der Österreichischen Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie. Schweizerische Gesellschaft für Phoniatrie. 4. Dreiländertagung D-A-CH, 35. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Innsbruck, Österreich, 20.-23.09.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocP14

doi: 10.3205/18dgpp42, urn:nbn:de:0183-18dgpp424

Veröffentlicht: 14. September 2018

© 2018 Kißlinger et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Mit dem Kawasaki-Syndrom (mukokutanes Lymphknotensyndrom), wird die akute fieberhafte Vaskulitis der kleinen und mittleren Arterien unklarer Ursache im Kindesalter bezeichnet. In Deutschland liegt die jährliche Inzidenz bei 9/100.000 Kindern unter 5 Jahren.

Die Diagnose wird anhand klinischer Kriterien gestellt: Antibiotika-resistentes Fieber über mind. 5 Tage und 4 der folgenden 5 Kriterien:

  • bilat. Konjunktivitis,
  • Lacklippen/ Erdbeerzunge,
  • Hautschuppung an den Fingerkuppen beginnend o. Ödeme,
  • polymorphes Erythem am Stamm,
  • cervikale Lymphadenopathie.

Material und Methoden: 11/2015 erkrankte der damals 3,6-jährige Junge an einem oligosymptomatischen Kawasaki-Syndrom. Zunächst wurde eine symptomatische Therapie mit Analgesie und tgl. 50 mg ASS eingeleitet.

10 Tage nach Erkrankungsbeginn äußerte der Patient, dass er nichts mehr höre und er reagierte nicht auf Ansprache.

Nach Übernahme in das Universitätsklinikum Erlangen wurde mit einer Ig-Gabe begonnen, ergänzend eine Prednisolonstoßtherapie. Die ASS-Dosis wurde auf 100 mg erhöht.

Ergebnisse: In der Click-BERA zeigte sich eine hochgradige sensorineurale Schwerhörigkeit rechts (Potentialschwelle bei 80 dB) und eine mittelgradige links (Potentialschwelle bei 60 dB) bei unauffälligem otoskopischem Befund. Es erfolgte die Hörgeräteversorgung bds.

Trotz guter Aufblähkurve (35–45 dB) bestand weiterhin rechtsseitig ein eingeschränktes Sprachverstehen mit 0% bei 50 dB und 60% bei 80 dB im Sprachaudiogramm.

Aufgrund des schlechten Sprachverstehens erfolgte nach 14 Monaten die CI-Versorgung rechts, nach erneuter intraoperativer BERA-Kontrolle.

In der Rehabilitation wird mittlerweile ein Einsilberverstehen von rechts 70% und links 75% (Freiburger Test) erreicht.

Diskussion: Die sensorineurale Schwerhörigkeit bei Kawasaki-Syndrom wurde bisher in der Literatur selten beschrieben. Die Inzidenz in der akuten Erkrankungsphase wird bei ca. 30%–36% angegeben, mit einer Persistenz bei 14%. Damit scheint diese Komplikation bisher entweder zu wenig diagnostiziert zu werden, oder die Spontanerholungsrate ist höher. Evtl. liegt dies auch am jungen Alter der Patienten, die ihre Beschwerden nicht adäquat äußern können. Außerdem werden die Patienten häufig nicht standardmäßig einer Hördiagnostik zugeführt. Dies ist bisher auch nicht in der Leitlinie gefordert.

Fazit: Kinder mit Kawasaki-Syndrom sollten generell pädaudiologisch und HNO-ärztlich untersucht werden z.A. einer Hörminderung.

Bei eingeschränktem Sprachverstehen trotz optimal angepasster Hörgeräte, stellt die Cochlea-Implantat-Versorgung eine gute Alternative dar.


Text

Hintergrund

Mit dem „ Kawasaki-Syndrom“, auch mukokutanes Lymphknotensyndrom genannt, wird eine akute fieberhafte Vaskulitis der kleinen und mittleren Arterien unklarer Ursache im Kindesalter bezeichnet. In Deutschland liegt die jährliche Inzidenz bei 9/100.000 Kindern unter 5 Jahren [1].

Die Diagnose wird anhand klinischer Kriterien gestellt: antibiotikaresistentes Fieber >39 Grad über mindestens 5 Tage und 4 der folgenden 5 Kriterien [2]:

  • bilaterale konjunktivale Injektion,
  • Lacklippen und Erdbeerzunge,
  • Hautschuppungen, an den Fingerkuppen beginnend oder Ödeme/Erythem der Extremitäten,
  • polypmorphes Erythem am Stamm,
  • cervikale Lymphadenopathie.

Die persistierende sensorineurale Schwerhörigkeit aufgrund eines Kawasaki-Syndroms wurde bisher in der Literatur selten beschrieben. In den wenigen größeren Kohortenstudien wurde jedoch eine sensorineurale Schwerhörigkeit bei ca 30-36% in der akuten Erkrankungsphase angegeben, mit einer Persistenz bei rund 14% [3], [4]. Damit scheint diese häufige Komplikation des Kawasaki-Syndroms bisher wenig diagnostiziert worden zu sein.

Material und Methodik

11/2015 erkrankte der damals 3,6-jährige Junge an einem oligosymptomatischen Kawasaki-Syndrom (Lackzunge/-lippen, Konjunktivitis und therapieresistentes Fieber über 10 Tage bis 40 Grad). Zunächst wurde eine symptomatische Therapie eingeleitet und eine tägliche Gabe von ASS 50 mg begonnen, bei unauffälligem EEG und EKG.

10 Tage nach Erkrankungsbeginn fiel den Eltern auf, dass der kleine Patient immer wieder äußerte, dass er nichts mehr höre und auf laute Geräusche und Ansprache keine Reaktion zeigte.

Nach Übernahme in das Universitätsklinikum Erlangen wurde mit einer Immunglobulingabe (30 g Gamunex) begonnen, ergänzend eine Prednisolonstoßtherapie über drei Tage, und die ASS-Dosis wurde auf 100 mg erhöht.

Ergebnisse

In der Click-BERA-Untersuchung in wachem Zustand, 18 Tage nach Erkrankungsbeginn, zeigte sich eine hochgradige sensorineurale Schwerhörigkeit rechts (Potentialschwelle bei 80 dB) und eine mittelgradige sensorineurale Schwerhörigkeit links (Potentialschwelle bei 60 dB), bei unauffälligem otoskopischem Befund. Deshalb wurden zeitnah beidseits Hörgeräte angepasst.

Trotz guter Aufblähkurve mit Hörgerät im Tonaudiogramm (35–45 dB), bestand weiterhin rechtsseitig ein sehr eingeschränktes Sprachverstehen von 0% bei 50 dB und 60% bei 80 dB im Göttinger Test Teil 2 (gemessen mit Hörgerät). Mit beiden Hörgeräten erreichte das Kind im Störgeräusch (60 dB) bei 65 dB ein Sprachverstehen von 60% im Göttinger Test (Teil 2).

Aufgrund des schlechten Sprachverstehens erfolgte 14 Monate nach Erkrankungsbeginn die Cochlea-Implant-Versorgung auf der rechten Seite, nach ausführlicher Aufklärung der Eltern.

Intraoperativ wurde nochmals eine Click-BERA-Untersuchung durchgeführt. Es zeigte sich eine geringgradige Innenohrschwerhörigkeit links und weiterhin eine hochgradige Innenohrschwerhörigkeit rechts, bei 70–75 dB Potentialschwelle.

Nach nun erfolgter Rehabilitation seit 04/2017 und Anpassung des Sprachprozessors, wird mittlerweile rechts ein Sprachverstehen von 70% bei 65 dB und links von 75% bei 65 dB im Freiburger-Test erreicht. In der bimodalen Versorgung erreicht der Patient im Göttinger Test (Teil 2) 90%. Im Oldenburger Satztest, gemessen im Freifeld in Ruhe, erreicht der Patient in der bimodalen Versorgung 75% bei 65 dB.

Der Patient zeigt in der logopädischen Testung eine altersentsprechende Sprachentwicklung und wurde außerdem an das zuständige Zentrum für Hörgeschädigte in Nürnberg zur Hörfrühförderung angebunden und erhält heimatnah logopädische und ergotherapeutische Therapie. Nach dem Besuch eines Förderkindergartens ist nun die Regelbeschulung geplant.

Diskussion

Die persistierende sensorineurale Schwerhörigkeit aufgrund eines Kawasaki-Syndroms wurde bisher in der Literatur selten beschrieben. In den wenigen größeren Kohortenstudien wurde eine sensorineurale Schwerhörigkeit bei ca 30–36% in der akuten Erkrankungsphase angegeben, mit einer Persistenz bei rund 14%. Damit scheint diese häufige Komplikation des Kawasaki-Syndroms bisher wenig diagnostiziert worden zu sein. Evtl. liegt dies unter anderem am jungen Alter der Patienten, die ihre Beschwerden teils nicht adäquat äußern können. Die Eltern sind für die rechtzeitige Therapieeinleitung und Zuführung zur Diagnostik ein wichtiger Faktor. Außerdem werden die Patienten mit Kawasaki-Syndrom lt. Literatur häufig nicht standardmäßig einem Phoniater zur Hördiagnostik vorgestellt. Auch in der abgelaufenen AWMF-Leitlinie wurde keine audiometrische Untersuchung der Patienten gefordert.

Fazit/Schlussfolgerung

  • Bei einem Kawasaki-Syndrom kann eine persistierende Hörminderung auftreten, welche im vorliegenden Fall nicht durch eine hochdosierte ASS-Gabe erklärt werden kann. Kinder mit Kawasaki-Syndrom oder anderen Erkrankungen, bei denen eine sensorineurale Schwerhörigkeit als Komplikation auftreten kann, sollten generell audiologisch und HNO-ärztlich untersucht werden.
  • Bei eingeschränktem Sprachverstehen bei hochgradiger Schwerhörigkeit trotz optimal angepasster Hörgeräte, stellt ggf. die Cochlea-Implantat-Versorgung mit entsprechender Rehabilitation eine gute Alternative dar, um ein Sprachverstehen zu ermöglichen.

Literatur

1.
Cremer H. Kawasaki-Syndrom. In: Dieter Adam, Doerr HW, Link H, Lode H (Hrsg.): Die Infektiologie. Berlin: Springer; 2004. p. 1208.
2.
Newburger JW, Takahashi M, Gerber MA, Gewitz MH, Tani LY, Burns JC, et al. Diagnosis, treatment, and long-term management of Kawasaki disease: a statement for health professionals from the Committee on Rheumatic Fever, Endocarditis and Kawasaki Disease, Council on Cardiovascular Disease in the Young, American Heart Association. Circulation. 2004;110:2747-71.
3.
Knott PD, Orloff LA, Harris JP, Novak RE, Burns JC; Kawasaki Disease Multicenter Hearing Loss Study Group. Sensorineural hearing loss and Kawasaki disease: a prospective study. Am J Otolaryngol. 2001;22:343-8.
4.
Silva CH, Roscoe IC, Fernandes KP, Novaes RM, Lazari CS. Sensorineural hearing loss associated to Kawasaki Disease. J Pediatr (Rio J). 2002;78:71-4.