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4. Dreiländertagung D-A-CH
35. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 23.09.2018, Innsbruck, Österreich

Entwicklung des Schluckvermögens im Verlauf einer Radio(chemo)therapie bei Kopf-Hals-Tumor-Patienten

Vortrag

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Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Sektion Phoniatrie der Österreichischen Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie. Schweizerische Gesellschaft für Phoniatrie. 4. Dreiländertagung D-A-CH, 35. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Innsbruck, Österreich, 20.-23.09.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocV15

doi: 10.3205/18dgpp24, urn:nbn:de:0183-18dgpp242

Veröffentlicht: 14. September 2018

© 2018 Pluschinski et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Schluckstörungen sind eine häufige Folge bei Kopf-Hals-Tumor-Erkrankung. Bislang gibt es jedoch kaum Untersuchungen über die Entwicklung des Schluckvermögens im Verlauf einer Radio(chemo)therapie.

Ziel der folgenden Studie ist daher die Evaluation der Penetration/Aspiration bzw. des Grads der Oralisierungseinschränkung, inklusive eines möglichen Interventionsbedarfs, im Verlauf einer Radio(chemo)therapie.

Material und Methoden: Von 2015–2017 wurden 67 Kopf-Hals-Tumor-Patienten (25% weiblich, Median 63 Jahre, UICC-Stadium I-IV), inkludiert. Vor, 4 und 12 Wochen nach Beginn der Radio(chemo)therapie erhielten die Patienten eine FEES®-Diagnostik zur Beurteilung des Schluckvermögens. Die Bestimmung der Penetration/Aspiration (PAS) erfolgte nach Rosenbek, der Grad der Oralisierungseinschränkung (FOIS) nach Crary, ein möglicher Interventionsbedarf (IB) auf Basis der beiden erstgenannten Skalen.

Signifikante Änderungen in den PAS-, FOIS- und IB-Graden zwischen allen drei Testzeitpunkten wurden mittels Friedman-Tests geprüft, paarweise Vergleiche zwischen den Testzeitpunkten mittels Wilcoxon-Tests.

Ergebnisse: Zum 1. Testzeitpunkt zeigten bereits 36% der inkludierten Patienten eine interventionsbedürftige Schluckstörung, 14% aspirierten, 8% davon still. 22% zeigten eine Oralisierungseinschränkung. Die Graduierungen aller drei Skalen verschlechterten sich deutlich nach dem Therapiebeginn, erreichten aber zum 3. Testzeitpunkt fast die Ausgangswerte. Die Änderungen zwischen drei Testzeitpunkten erwiesen sich in allen drei Kriterien – PAS, FOIS, IB – als statistisch signifikant (ps<0,05). Die paarweisen Vergleiche zeigten allerdings, dass bei FOIS und TRS Änderungen zwischen dem 1. und 2. sowie dem 2. und 3. Testzeitpunkt das Signifikanzniveau erreichten, z.T. marginal; bei PAS nur die zwischen dem 1. und 2. Testzeitpunkt.

Diskussion: Bereits während einer Radio(chemo)therapie zeigen sich deutliche Veränderungen des Schluckvermögens eines Kopf-Hals-Tumor-Patienten hinsichtlich Aspiration, Grad der Oralisierung und Interventionsbedarf.

Fazit: Die Evaluation des Schluckvermögens eines Kopf-Hals-Tumor-Patienten mittels apparativer Dysphagiediagnostik (z.B. FEES®) muss daher konsequent als integrativer Bestandteil einer erfolgreichen onkologischen Therapie etabliert werden.


Text

Hintergrund

Schluckstörungen sind eine häufige Folge bei Kopf-Hals-Tumor-Erkrankung. Bisher vorliegende Studien, die über die Entwicklung des Schluckvermögens in Folge einer Radio(chemo)therapie berichten, fokussieren häufig auf das Entstehen von Xerostomie als Spätfolge der therapeutischen Intervention oder auf Aspekte der Lebensqualität [1], [2]. Die Veränderungen spezifischer Aspekte des Schluckvermögens unter Anwendung internationaler Standards in der Graduierung der Schwergrade einer Dysphagie im Verlauf einer Radio(chemo-)therapie werden kaum verfolgt.

Ziel der folgenden Studie ist daher die Evaluation der Penetration/Aspiration bzw. des Grads der Oralisierungseinschränkung, inklusive einer Therapierelevanz bei möglicher Schluckstörung (TRS), im zeitlichen Verlauf einer Radio(chemo)therapie.

Material und Methoden

Von 2015 bis 2017 wurden 67 Kopf-Hals-Tumor-Patienten (75% männlich, Altersmedian 63 Jahre, UICC-Stadium II - IV) inkludiert. Die Patienten erhielten vor bzw. vier und zwölf Wochen nach Beginn der Radio(chemo)therapie eine FEES®-Diagnostik zur Beurteilung des Schluckvermögens. Die Stichprobe reduzierte sich auf N = 43 zum 2. Testzeitpunkt und auf N = 36 zum 3. Testzeitpunkt.

Die Bestimmung der Penetration/Aspiration (PAS) erfolgte nach Rosenbek [3], der Grad der Oralisierungseinschränkung (FOIS) nach Crary, die der Therapierelevanz (TRS) auf Basis der beiden erstgenannten Skalen.

Signifikante Änderungen der PAS, FOIS und TRS zwischen allen drei Testzeitpunkten wurden mittels Friedman-Tests geprüft, paarweise Vergleiche zwischen den Testzeitpunkten mittels Wilcoxon-Tests.

Ergebnisse

Zum 1. Testzeitpunkt zeigten bereits 36% der inkludierten Patienten eine therapierelevante Schluckstörung, 14% aspirierten, 8% davon still. 22% zeigten eine Oralisierungseinschränkung einschließlich Versorgung mit einer Nasogastral- oder PEG-Sonde. Die Graduierungen aller drei Skalen verschlechterten sich deutlich nach dem Therapiebeginn, erreichten aber zum 3. Testzeitpunkt fast die Ausgangswerte, siehe Tabelle 1 [Tab. 1].

Die Änderungen zwischen drei Testzeitpunkten erwiesen sich laut Friedman-Test in allen drei Kriterien – PAS (χ2(2) = 9,73, p = 0,008), FOIS (χ2(2) = 8,48, p = 0,014) und TRS (χ2(2) = 6,53, p = 0,038) – als statistisch signifikant. Die paarweisen Vergleiche zeigten allerdings, dass bei FOIS und TRS Änderungen zwischen dem 1. und 2. sowie dem 2. und 3. Testzeitpunkt das Signifikanzniveau erreichten, z.T. marginal; bei PAS nur die zwischen dem 2. und 3. Testzeitpunkt, siehe Tabelle 2 [Tab. 2].

Diskussion

Bereits während einer Radio(chemo)therapie zeigen sich deutliche Veränderungen des Schluckvermögens eines Kopf-Hals-Tumor-Patienten hinsichtlich Aspiration, Grad der Oralisierungseinschränkung und Therapierelevanz. Insbesondere finden sich Veränderungen in der vierten Woche nach Beginn der Radio(-chemo)therapie, die sowohl funktioneller Art sind als auch die Lebensqualität betreffen.

Schlussfolgerungen

Die Evaluation des Schluckvermögens eines Kopf-Hals-Tumor-Patienten mittels apparativer Dysphagiediagnostik (z.B. FEES®) muss daher konsequent als integrativer Bestandteil einer erfolgreichen onkologischen Therapie etabliert werden.


Literatur

1.
Duprez F, De Witte L, Nuyts S, Deheneffe S, Van Gestel D, Voordeckers M, Thierens H, De Neve W, De Ruyck K. PO-0605: Factors associated with late dysphagia and xerostomia in (chemo) radiation for head and neck cancer. Radiotherapy and Oncology. 2017;123(PO-0605):315–6.
2.
Quon H, Hui X, Cheng Z, Peng L C, Robertson S P, Moore J, Bowers MR, Page BR, Kiess AP, Maclean J, Szczesniak M, Gourin CG, Cook IJ, McNutt TR. Complementary Role of Sydney Swallow Questionnaire (SSQ) and MD Anderson Dysphagia Inventory (MDADI) in Developing a Comprehensive Multidimensional Patient-Reported Outcome (PRO) Evaluation of Head and Neck Cancer (HNC) Treatment-Related Outcomes. International Journal of Radiation Oncology Biology Physics, 2016; 96(2): E537-E538.
3.
Hey C, Pluschinski P, Zaretsky Y, Almahameed A, Hirth D, Vaerst B,J, Wagenblast J, Stöver T. Penetrations-Aspirations-Skala nach Rosenbek. HNO. 2014;62(4):276-81.