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4. Dreiländertagung D-A-CH
35. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 23.09.2018, Innsbruck, Österreich

Rechtsstreitigkeiten nach erfolgreicher Implantation von Cochlea-Implantaten

Poster

  • corresponding author presenting/speaker Anna Lottner - Cochlear-Implant-Centrum Erlangen, Hals-Nasen-Ohrenklinik, Kopf- und Halschirurgie, Universitätsklinikum Erlangen, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • author Heinrich Iro - Hals-Nasen-Ohrenklinik, Kopf- und Halschirurgie, Universitätsklinikum Erlangen, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • author Anne Schützenberger - Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie, Hals-Nasen-Ohrenklinik, Kopf- und Halschirurgie, Universitätsklinikum Erlangen, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • author Ulrich Hoppe - Cochlear-Implant-Centrum Erlangen, Hals-Nasen-Ohrenklinik, Kopf- und Halschirurgie, Universitätsklinikum Erlangen, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Sektion Phoniatrie der Österreichischen Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie. Schweizerische Gesellschaft für Phoniatrie. 4. Dreiländertagung D-A-CH, 35. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Innsbruck, Österreich, 20.-23.09.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocP7

doi: 10.3205/18dgpp17, urn:nbn:de:0183-18dgpp174

Veröffentlicht: 14. September 2018

© 2018 Lottner et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Momentan sind weltweit ca. 500.000 CI-Systeme implantiert. Laut Angaben der Geschäftsstelle der Deutschen Cochlear Implant Gesellschaft e.V. wurden in Deutschland bisher ca. 40.000 CIs implantiert. Grund für die immer weiter steigenden Zahlen ist, dass sich CIs innerhalb der letzten 30 Jahre zu Hightech-Prothesen für offenes Sprachverstehen entwickelt haben, die auch von Patienten mit erheblichem Restgehör genutzt werden können. Die Probleme der Patienten enden jedoch nicht mit der Operation. Danach stellt sich die Frage, welche Folgekosten durch die Krankenversicherung, die Sozialhilfeträger, die Rentenversicherung oder die Bundesagentur für Arbeit zu übernehmen sind. In der vorliegenden Studie wird untersucht, ob von CI-Trägern geführte Gerichtsprozesse dazu geführt haben, dass die Kostenträger Folgekosten übernehmen mussten. Es wurden hier nur Entscheidungen herangezogen, die von den Sozialgerichten getroffen wurden.

Material und Methoden: Nach Entscheidungen wurde in den beiden großen abonnementpflichtigen Rechtsportalen juris und beck-online recherchiert, außerdem wurden die von der Sozialgerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland im Internet veröffentlichten Urteile zu den Schlagwörtern „Cochlear“, „Cochlea“, „Implant“ und „Implantat“ herangezogen. Es wurden 13 veröffentlichte Urteile gefunden, die sich mit hier relevanten Fragen befassen.

Ergebnisse: In 54% der Fälle (7 von 13 untersuchten Urteilen) wurde zugunsten der Patienten entschieden.

Diskussion: Während die Patienten bei einer früheren Untersuchung von Fällen, die im Zusammenhang mit der Implantation eines CIs auftreten, sehr gute Chancen auf ein positives Ergebnis hatten, ist bei Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Folgekosten nach einer solchen Implantation keine einheitliche Linie der Gerichte erkennbar. Teilweise wird zugunsten, teilweise zulasten der Patienten entschieden. Dies liegt jeweils an den Details des einzelnen Falles.

Fazit: Die Patienten müssen darüber aufgeklärt werden, dass mit der CI-Implantation und der nachfolgenden Rehabilitation nicht alle Probleme beseitigt sind. Die berechtigten Forderungen der Patienten gegen den Widerstand der Kostenträger können nur durch die gerichtliche Geltendmachung realisiert werden. Es wird daher empfohlen, nach vorheriger gründlicher Informationssammlung – z.B. durch Rücksprache mit Ärzten, Therapeuten und Rechtsanwälten – die Ansprüche gerichtlich geltend zu machen.


Text

Hintergrund

Momentan sind weltweit ca. 500.000 Cochlea-Implantat (CI)-Systeme implantiert [1]. Laut Angaben der Geschäftsstelle der Deutschen Cochlear Implant Gesellschaft e.V. wurden in Deutschland bisher ca. 40.000 CIs implantiert. Grund für die immer weiter steigenden Zahlen ist, dass sich CIs innerhalb der letzten 30 Jahre zu Hightech-Prothesen für offenes Sprachverstehen entwickelt haben, die auch von Patienten mit erheblichem Restgehör genutzt werden können [2]. Die Probleme der Patienten enden jedoch nicht mit der Operation. Danach stellt sich die Frage, welche Folgekosten durch die Krankenversicherung, die Sozialhilfeträger, die Rentenversicherung oder die Bundesagentur für Arbeit zu übernehmen sind. Denn in den meisten Fällen benötigen Patienten mit einem oder zwei CIs nach der Operation Leistungen der Eingliederungshilfe. Es kann sich hier zum Beispiel um Leistungen der medizinischen Rehabilitation, Hilfen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft oder zu einer angemessenen Schulbildung und Ausbildung, zum Studium und zum Beruf handeln. In der vorliegenden Studie wird untersucht, ob von CI-Trägern geführte Gerichtsprozesse dazu geführt haben, dass die Kostenträger Folgekosten übernehmen mussten. Es wurden hier nur Entscheidungen herangezogen, die von den Sozialgerichten getroffen wurden.

Material und Methoden

Nach Entscheidungen wurde in den beiden großen abonnementpflichtigen Rechtsportalen juris [3] und beck-online [4] recherchiert, außerdem wurden die von der Sozialgerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland im Internet veröffentlichten Urteile zu den Schlagwörtern „Cochlear“, „Cochlea“, „Implant“ und „Implantat“ herangezogen [5]. Es wurden 13 veröffentlichte Urteile gefunden, die sich mit hier relevanten Fragen befassen.

Ergebnisse

In 54% der Fälle (7 von 13 untersuchten Urteilen) wurde zugunsten der Patienten entschieden. Bei den volljährigen Klägern beträgt die Erfolgsqoute in den vorliegenden Fällen 75%, bei den minderjährigen 40%. Die Verfahrensdauer variierte zwischen 0;2 und 6;11 Jahren.

Diskussion

Während die Patienten bei einer früheren Untersuchung von Rechtsstreitigkeiten, die im Zusammenhang mit der Implantation eines CIs auftraten, sehr gute Chancen auf ein positives Ergebnis hatten [6], ist bei Verfahren im Zusammenhang mit Folgekosten nach einer solchen Implantation keine einheitliche Linie der Gerichte erkennbar. Teilweise wird zugunsten, teilweise zulasten der Patienten entschieden. Dies liegt jeweils an den Details des einzelnen Falles.

Fazit

Die Patienten müssen darüber aufgeklärt werden, dass mit der CI-Implantation und der nachfolgenden Rehabilitation nicht alle Probleme beseitigt sind. Zum einen gibt es auch nach der Operation immer wieder Situationen, in denen zusätzliche Hilfsmittel erforderlich sind. Zum anderen ist es oft erforderlich, die zuständigen Stellen davon zu überzeugen, dass neuartige Hilfsmittel oder Therapien durch diese zu bezahlen sind. Die berechtigten Forderungen der Patienten können gegen den Widerstand der Kostenträger oft nur durch die gerichtliche Geltendmachung realisiert werden. Es wird daher empfohlen, nach vorheriger gründlicher Informationssammlung – z.B. durch Rücksprache mit Ärzten, Therapeuten und Rechtsanwälten – die Ansprüche gerichtlich geltend zu machen.

Danksagung

Die Arbeit ist Teil zur Erlangung des Dr. rer. biol. hum. an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg von Frau Anna Lottner. Unser besonderer Dank gilt Herrn Uwe Knüpfer, dem Chefredakteur der Schnecke, Frau Margit Gamberoni von der Selbsthilfegruppe OhrRing Bamberg, Herrn Dieter Schaal, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Hörbehinderten Selbsthilfe e. V., sowie den Rechtsanwälten Bernhard Kochs und Oliver Penninger aus München.


Literatur

1.
Lenarz T. Cochlear Implant – State of the Art. Laryngo-Rhino-Otol. 2017;96:123-51.
2.
Büchner A, Gärtner L. Technische Entwicklungen bei Cochleaimplantaten. HNO. 2017;65:276-89.
3.
Juris – Das Rechtsportal. [cited 15.04.2018]. Available from: https://www.juris.de/jportal/index.jsp Externer Link
4.
beck-online. [cited 15.04.2018]. Available from: https://beck-online.beck.de/Home Externer Link
5.
Sozialgerichtsbarkeit Bundesrepublik Deutschland. [cited 15.04.2018]. Available from: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/index.php Externer Link
6.
Lottner A, Iro H, Schützenberger A, et al. Das Cochleaimplantat in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung. HNO. 2018;66:135-43.