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4. Dreiländertagung D-A-CH
35. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 23.09.2018, Innsbruck, Österreich

Systematisches Review und Metaanalyse zur konservativen Behandlung von funktionellen Stimmstörungen

Vortrag

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Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Sektion Phoniatrie der Österreichischen Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie. Schweizerische Gesellschaft für Phoniatrie. 4. Dreiländertagung D-A-CH, 35. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Innsbruck, Österreich, 20.-23.09.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocV22

doi: 10.3205/18dgpp14, urn:nbn:de:0183-18dgpp145

Veröffentlicht: 14. September 2018

© 2018 Jung et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Die Prävalenz an einer Stimmstörung zu erkranken liegt schätzungsweise bei 6,6% und die Lebenszeitprävalenz bei 29,9%. Funktionelle Stimmstörungen gehören mit 30% zu der am häufigsten laryngealen Pathologie im Erwachsenenalter. Stimmstörungen haben einen negativen Einfluss auf die Lebensqualität, führen zu Arbeitsausfällen sind ein relevanter gesundheitsökonomischer Faktor. Im Jahre 2015 wurden in Deutschland 636 Millionen Euro zur Therapie dieser Störungen ausgegeben. Zur Optimierung des Einsatzes dieser erheblichen finanziellen Ressourcen erscheint es wichtig zu untersuchen, inwieweit welche Therapieform als evidenzbasiert gelten kann.

Material und Methoden: Es wurde eine systematische Literaturrecherche unter der Verwendung der Datenbanken MEDLINE, Cochrane Liberary und PsycINFO durchgeführt. Relevante Parameter stellte die Messung der stimmbezogenen Lebensqualität in Form des Vocal Hanicap Index (VHI), die Art der Therapie und die Dauer der Therapie dar. Mit Hilfe der Metaanalyse, unter Verwendung des Modells für zufällige Effekte, wurden standardisierte Mittelwertdifferenzen (SMD) und das 95%-Konfidenzintervall (KI) berechnet, um die Heterogenität der Studien zu berücksichtigen. Zusätzlich wurde eine Metaregression durchgeführt, um die Heterogenität der Ergebnisse aufzudecken.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 25 Studien in die qualitative und 21 Studien in die quantitative Analyse eingeschlossen. Die Ergebnisse der Metaanalyse zeigen, dass die insgesamt fünf inkludierten Methoden konservativer Stimmtherapien den VHI-Punktewert bei Patienten mit funktionellen Stimmstörungen durchschnittlich signifikant um -7,66 (95% KI; -10,14; -5,18) senken. Die Methode der Vocal Function Exercises (VFE) stellte sich als effektivste und einzige Methode heraus, welche die Lebensqualität klinisch relevant erhöht (SMD = -11,17; 95% KI = -14,17; -8,17). Programme zur vokalen Hygiene alleine erzielten keinen signifikanten Effekt (SMD = -1,39; 95% KI: -4,17; 1,38). Das Alter, der Ausgangswert und die Therapiedauer hatten keinen signifikanten Einfluss auf den Therapieerfolg.

Fazit: Die Untersuchung zeigt, dass konservative Formen der Stimmtherapie, hier insbesondere die im angloamerikanischen Sprachraum gebräuchlichen und mit in Deutschland angewandten Formen der Stimmtherapie häufig deckungsgleichen „Vocal Function Exercices“, als evidenzbasierte Therapie von Stimmstörungen angesehen werden können. Die Ergebnisse anderer Therapieformen werden diskutiert.


Text

Hintergrund

Die Prävalenz an einer Stimmstörung zu erkranken liegt schätzungsweise bei 6,6% und die Lebenszeitprävalenz bei 29,9%. Funktionelle Stimmstörungen gehören mit 30% zu der häufigsten laryngealen Pathologie im Erwachsenenalter. Stimmstörungen haben einen negativen Einfluss auf die Lebensqualität, führen zu Arbeitsausfällen und stellen einen relevanten gesundheitsökonomischen Faktor dar. Im Jahre 2015 wurden in Deutschland 636 Millionen Euro zur Therapie dieser Störungen ausgegeben. Mit dem Ziel des sinnvollen Einsatzes dieser erheblichen finanziellen Resourcen erscheint es wichtig zu wissen, inwieweit häufig angewandte Formen der Behandlung dieser Störungen als evidenzbasiert angesehen werden können.

Ziel der Untersuchung

Ziel der Unterschung war es die Effektivität häufig verwendeter und in der Literatur bearbeiteter therapeutischer Interventionen bei funktionellen Stimmstörungen in einer Metaanalyse zu untersuchen.

Methode

Zur Einteilung der vielen in der Literatur beschriebenen Arten von therapeutischen Interventionen bei funktionellen Stimmstörungen wurde die Taxonomie von Van Stan et al. verwendet [1]. Diese Taxonomie unterteilte die Stimmtherapien zunächst in indirekte und direkte Therapien. Weiter wurde in der Arbeit von Van Stan et al. eine Einteilung in sieben etablierte Stimmtherapien vorgenommen, die als Grundlage für die in der vorliegenden Untersuchung verwendete Einteilung der Stimmtherpien diente. Dazu gehören das „Lee Silverman Voice Treatment“ (LSVT, [2]), „Vocal Function Exercises“ (VFE, [3]), „Manual Circumlaryngeal Therapy (MCT, [4])“, „Larnygeal Manual Therapy (LMT, [5])“, Resonanztherapie (RVT, [6]), Akzentmethode (AM, [7]), „Confidential Voice Therapy“ (CVT, [8]) und die apparative Stimmverstärkung. Aufgrund der limitierten Zahl an Studien hohen Evidenzgrades wurde nur ein Teil dieser Interventionen in die Metaanalyse einbezogen.

Die indirekten Stimmtherapien wurden hingegen nicht weiter aufgeteilt, da diese Therapiemethoden sich nicht signifikant voneinander unterscheiden.

Die in dieser Studie angewandte Einteilung der Therapien beinhaltet nicht nur eine Aufspaltung in indirekte und direkte Methoden, sondern berücksichtigt eine weiter differenzierte und wissenschaftlich hergeleitete Einteilung der direkten Therapieansätze. Auf Basis dieser Einteilung war es möglich, Stimmtherapien sinnvoll zusammenzufassen und so eine Metaanalyse unterschiedlicher Formen der Stimmtherapie durchzuführen.

Es wurde eine systematische Literaturrecherche unter der Verwendung der Datenbanken MEDLINE, Cochrane Liberary und PsycINFO durchgeführt. Der für diese Arbeit verwendete Parameter zur Messung der Stimmmfunktion stellte die Messung der stimmbezogenen Lebensqualität in Form des Vocal Handicap Index (VHI) dar. Wurden in den analysierten Arbeiten andere Fragebögen verwendet, so erfolgte eine Umrechung in den jeweiligen Punktwert des VHI. Mit Hilfe einer Metaanalyse, unter Verwendung des Modells für zufällige Effekte, wurden standardisierte Mittelwertdifferenzen (SMD) und das 95%-Konfidenzintervall (KI) berechnet, um die Heterogenität der Studien zu berücksichtigen. Zusätzlich wurde eine Metaaregression durchgeführt, um die Heterogenität der Ergebnisse aufzudecken.

Ergebnisse & Schlussfolgerung

Insgesamt wurden 25 Studien in die qualitative und 21 Studien in die quantitative Analyse (Abbildung 1 [Abb. 1]) eingeschlossen. Die Ergebnisse der Metaanalyse zeigen, dass die inkludierten Methoden konservativer Stimmtherapie den VHI-Punktewert bei Patienten mit funktionellen Stimmstörungen durchschnittlich signifikant um -7,66 (95% KI; -10,14; -5,18) Punkte im Voice Handicap Index senken. Die Methode der Vocal Function Exercises (VFE) stellte sich als effektivste und einzige Methode heraus, welche die Lebensqualität klinisch relevant erhöht (SMD= -11,17; 95% KI = -14,17; -8,17) (Abbildung 2 [Abb. 2]). Ähnliche Ergebnisse erzielte diese Art der Therapie bei der Behandlung der Altersstimme (SMD= -14,77; 95% KI: -23,80; -5,74). Programme zur vokalen Hygiene alleine erzielten keinen signifikanten Effekt (SMD = -1,39; 95% KI: -4,17; 1,38). Eine Metaregression ergab, dass die angewandte Methode der wesentliche signifikante Faktor für den Therapieerfolg ist. Das Alter, der Ausgangswert im VHI und die Therapiedauer hingegen hatten keinen singifikanten Einfluss.


Literatur

1.
Van Stan JH, Roy N, Awan S, Stemple J, Hillman RE. A taxonomy of voice therapy. Am J Speech Lang Pathol. 2015;24(2):101-25. DOI: 10.1044/2015_AJSLP-14-0030 Externer Link
2.
Ramig LO, Sapir S, Fox C, Countryman S. Changes in vocal loudness following intensive voice treatment (LSVT) in individuals with Parkinson’s disease: a comparison with untreated patients and normal age-matched controls. Mov Disord. 2001;16(1):79-83.
3.
Roy N, Gray SD, Simon M, Dove H, Corbin-Lewis K, Stemple JC. An evaluation of the effects of two treatment approaches for teachers with voice disorders: a prospective randomized clinical trial. J Speech Lang Hear Res. 2001;44(2):286-96.
4.
Dromey C, Nissen SL, Roy N, Merrill RM. Articulatory changes following treatment of muscle tension dysphonia: preliminary acoustic evidence. J Speech Lang Hear Res. 2008;51(1):196-208. DOI: 10.1044/1092-4388(2008/015) Externer Link
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Mathieson L. The evidence for laryngeal manual therapies in the treatment of muscle tension dysphonia. Curr Opin Otolaryngol Head Neck Surg. 2011;19(3):171-6. DOI: 10.1097/MOO.0b013e3283448f6c Externer Link
6.
Verdolini-Marston K, Burke MK, Lessac A, Glaze L, Caldwell E. Preliminary study of two methods of treatment for laryngeal nodules. J Voice. 1995;9(1):74-85.
7.
Fex B, Fex S, Shiromoto O, Hirano M. Acoustic analysis of functional dysphonia: before and after voice therapy (accent method). J Voice. 1994;8(2):163-7.
8.
Casper JK, Murry T. Voice therapy methods in dysphonia. Otolaryngol Clin North Am. 2000;33(5):983-1002.