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4. Dreiländertagung D-A-CH
35. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 23.09.2018, Innsbruck, Österreich

Untersuchung der Regulation des subglottischen Drucks durch die Atmungsorgane bei Phonation von Tonsprüngen mittels dynamischer Magnetresonanztomographie

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Louisa Traser - Abteilung für Phoniatrie, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie, Inselspital, Universitätsklinik Bern, Universität Bern, Bern, Schweiz; Institut für Musikermedizin, Universitätsklinikum und Hochschule für Musik Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • Fabian Burk - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie, Kiel, Deutschland; Institut für Musikermedizin, Universitätsklinikum und Hochschule für Musik Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • Ali Özen - Klinik für Radiologie, Abteilung für medizinische Physik, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • Michael Burdumy - Klinik für Radiologie, Abteilung für medizinische Physik, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • Michael Bock - Klinik für Radiologie, Abteilung für medizinische Physik, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • Daniela Blaser - Abteilung für Phoniatrie, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie, Inselspital, Universitätsklinik Bern, Universität Bern, Bern, Schweiz
  • Eberhard Seifert - Abteilung für Phoniatrie, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie, Inselspital, Universitätsklinik Bern, Universität Bern, Bern, Schweiz
  • Bernhard Richter - Institut für Musikermedizin, Universitätsklinikum und Hochschule für Musik Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • Matthias Echternach - Institut für Musikermedizin, Universitätsklinikum und Hochschule für Musik Freiburg, Freiburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Sektion Phoniatrie der Österreichischen Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie. Schweizerische Gesellschaft für Phoniatrie. 4. Dreiländertagung D-A-CH, 35. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Innsbruck, Österreich, 20.-23.09.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocV9

doi: 10.3205/18dgpp10, urn:nbn:de:0183-18dgpp105

Veröffentlicht: 14. September 2018

© 2018 Traser et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Für die Regulation der Grundfrequenz (ƒo) ist neben der Steifigkeit der Stimmlippen auch der durch die Atmungsorgane produzierte subglottische Druck (psub) verantwortlich. Wie der Atemmuskulatur jedoch diese Regulation gelingt, ist bisher nicht im Detail bekannt, da die dynamische Bildgebung der Lunge zur Darstellung von Phonationsatembewegungen aufgrund von technischen oder ethischen Limitationen bisher nur begrenzt möglich war. Durch die technische Weiterentwicklung der Magnetresonanztomographie (MRT) der letzten Jahre konnte ein Verfahren etabliert werden, welches die dynamische Darstellung der Atmungsorgane während der phonatorischen Atmungsabläufe ermöglicht.

Material und Methoden: In der vorliegenden Studie wurden die Atembewegung von Thorax und Zwerchfell während der Phonation von Tonsprüngen bei 7 professionellen Sängern mittels eines 1.5T MRT (Tim Symphony, Siemens, Erlangen, Germany) in sagittaler und coronarer Schnittbildgebung mit 3 Bildern/Sek. analysiert. Die Sänger wurden gebeten, verschiedene Tonsprünge zu phonieren. Parallel erfolgte die elektroglottographische Kontrolle von Grundfrequenz und Kontaktquotient sowie in einem separaten Schritt die Bestimmung des psub. In jedem Bild wurden Distanzen zwischen anatomischen Landmarken vermessen, um die Dimensionen der Lunge zu charakterisieren.

Ergebnisse: Während Tonsprünge aufwärts ein mehrheitlich kontinuierliches Bewegungsmuster von Zwerchfell und Brustkorb aufwiesen, konnte für Abwärtssprünge eine plötzliche Abflachung oder sogar Umkehr der Bewegung v.a. des posterioren Zwerchfellanteils nachgewiesen werden. Der anteriore Zwerchfellanteil und der Brustkorb waren von dieser kurzfristigen Änderung kaum betroffen. Das Ausmaß dieser Bewegung korrelierte mit der Differenz des psub.

Diskussion: Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die notwendige Reduktion des psub für Tonsprünge abwärts durch eine Kontraktion des Zwerchfells (= Einatmungsbewegung), welche sich v.a. in posterioren Zwerchfellanteilen auswirkt, erfolgt, während der Brustkorb und der dort ansetzende anteriore Zwerchfellanteil weiterhin die Ausatmungsbewegung fortsetzen.

Fazit: Ob diese Regulationsmechanismen durch die sängerische Ausbildung trainiert oder intuitiv erfolgen könnte Gegenstand zukünftiger Untersuchungen sein.


Text

Hintergrund

Für die Regulation der Grundfrequenz (ƒₒ) während der Phonation ist neben der Steifigkeit der Stimmlippen auch der durch die Atmungsorgane produzierte subglottische Druck (psub) verantwortlich. Dieser korreliert mit ƒₒ, da steifere Stimmlippen einen höheren Anblase-Druck benötigen [1]. Unabhängig davon führt zusätzlich auch die Erhöhung des psub zu einem Anstieg von ƒₒ [2]. Die genaue Regulation von psub ist also elementar für die Produktion einer definierten ƒₒ. Wie der Atemmuskulatur jedoch diese Regulation gelingt, ist bisher nicht im Detail bekannt, da die dynamische Bildgebung der Lunge zur Darstellung von Phonationsatembewegungen aufgrund von technischen oder ethischen Limitationen bisher nur begrenzt möglich war. Durch die technische Weiterentwicklung der Magnetresonanztomographie (MRT) der letzten Jahre konnte nun ein Verfahren etabliert werden, welches die dynamische Darstellung der Atmungsorgane während der phonatorischen Atmungsabläufe ermöglicht. In der vorliegenden Arbeit wurde die Regulation des subglottischen Drucks während der Phonation von Tonsprüngen mithilfe dynamischer Bildgebung untersucht.

Material und Methoden

Die Atembewegung von Thorax und Zwerchfell wurden während der Phonation von Tonsprüngen bei 7 professionellen Sängern (3 Frauen und 4 Männer) mittels eines 1.5T MRT (Tim Symphony, Siemens, Erlangen, Germany) in sagittaler und coronarer Schnittbilddarstellung mit 3 Bildern/Sek. analysiert. Die Sänger wurden gebeten, eine Reihe von Legato-Tonsprüngen zu phonieren. Dafür wurden Tonhöhen im hohen (H), mittleren (M) und tiefen (L) Bereich des Tonumfangs des jeweiligen Sängers ausgewählt. In jedem MRT-Schnittbild wurden die Distanzen zwischen anatomischen Landmarken vermessen, um die Dimensionen der Lunge zu charakterisieren (Abbildung 1 [Abb. 1]). Parallel erfolgte die elektroglottographische Kontrolle von ƒₒ und dem Kontaktquotienten. In einer separaten Untersuchung wurde am selben Tag in Analogie zur MRT-Untersuchung der psub nach Baken und Orlikoff [3] mittels Phonation von /papapa/ durch einen intraoralen Drucksensor bestimmt (Glottal Enterprises 162, New York, USA) und mittels Aeroview (ver. 1.4.5, Glottal enterprises, 2010, Syracuse, USA) analysiert. Durch Normalisierung von Zeit und Amplitude wurden Mittelwerte zur Analyse der Tonsprungfenster gebildet – dazu wurden jeweils 4 Bilder vor und nach dem Sprung in einem Tonsprungfenster zusammengefasst. In diesem Bereich wurde die Steigung der Kurven um den Tonsprung in insg. 8 Zeitschritten ermittelt.

Ergebnisse

Während Tonsprünge aufwärts ein mehrheitlich kontinuierliches Bewegungsmuster von Zwerchfell und Brustkorb aufwiesen, konnte für Abwärtssprünge eine plötzliche Abflachung oder sogar Umkehr der Bewegung v.a. des posterioren Zwerchfellanteils nachgewiesen werden (Abbildung 2 [Abb. 2]). Der anteriore Zwerchfell-Anteil und der Brustkorb waren von dieser kurzfristigen Änderung kaum betroffen. Der Verlauf der Steigung in den analysierten Sprungfenstern unterschied sich signifikant zwischen Auf- und Abwärtssprüngen (p < 0,001).

Die Bewegungsänderung des Zwerchfells war für Abwärtssprünge im oberen Bereich des Stimmumfangs ausgeprägter als im unteren und korrelierte mit der Differenz des psub. Obwohl sich die Steigung während der Sprünge nicht signifikant zwischen männlichen und weiblichen Probanden unterschied, zeigte sich insgesamt während der Phonation ein signifikant größerer Bewegungsradius des Zwerchfells bei Frauen im Vergleich zu Männern. Dieser Geschlechtsunterschied wurde für den Bewegungsradius des Brustkorbs nicht beobachtet.

Diskussion

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Reduktion des psub für Tonsprünge abwärts durch eine Kontraktion des Zwerchfells (= Einatmungsbewegung) v.a. im mittleren und posterioren Zwerchfell-Anteil erfolgt, während der Brustkorb und der dort ansetzende anteriore Zwerchfell-Anteil die Ausatmungsbewegung fortsetzen. Es scheint sich dabei also um getrennte funktionelle Einheiten zu handeln. Solche getrennten funktionellen Einheiten wurden bereits auch bei der Steuerung kontinuierlicher Atembewegungen beschrieben [4]. Das Ausmaß der Zwerchfell-Kontraktion korrelierte auch mit der Größe der psub-Differenz. Die unterschiedlichen Bewegungsradien von Frauen und Männern weisen möglicherweise auf unterschiedliche Regulationsstrategien hin (wie z.B. von Sundberg et al. als entspanntes Zwerchfell vs. Zwerchfell Co-Kontraktion bei Phonation beschrieben [5]). Ein geschlechtsspezifischer Unterschied in der Atemregulation wurde aufgrund von Fragebogenstudien vermutet, da Frauen die Phonationsatmung subjektiv weiter kaudal steuern [6].

Fazit/Schlussfolgerung

Die Regulation des psub für Tonsprünge abwärts erfolgt unabhängig vom Geschlecht v.a. durch eine Kontraktion des hinteren Zwerchfells, wobei der Brustkorb und das vordere Zwerchfell als getrennte funktionelle Einheit die Ausatembewegung fortsetzen. Ein unterschiedliches Bewegungsausmaß zwischen Männern und Frauen weißt auf geschlechtsspezifische Unterschiede in der Atemregulation hin. Ob diese Regulationsmechanismen durch die Gesangsausbildung trainiert werden oder intuitiv erfolgen, könnte Gegenstand zukünftiger Untersuchungen sein.


Literatur

1.
Titze IR. On the relation between subglottal pressure and fundamental frequency in phonation. J Acoust Soc Am. 1989 Feb;85(2):901-6. DOI: 10.1121/1.397562 Externer Link
2.
Hunter EJ, Alipour F, Titze IR. Sensitivity of elastic properties to measurement uncertainties in laryngeal muscles with implications for voice fundamental frequency prediction. J Voice. 2007;21:641–50. DOI: 10.1016/j.jvoice.2006.06.004 Externer Link
3.
Baken RJ, Orlikoff RF. Clinical measurement of speech and voice. San Diego: Singular Publishing Group; 2000.
4.
Traser L, Özen AC, Burk F, et al. Respiratory dynamics in phonation and breathing — A real-time MRI study. Respir Physiol Neurobiol. 2017;236:69-77. DOI: 10.1016/j.resp.2016.11.007 Externer Link
5.
Leanderson R, Sundberg J, von Euler C. Role of diaphragmatic activity during singing: a study of transdiaphragmatic pressures. J Appl Physiol. 1987 Jan;62(1):259-70. DOI: 10.1152/jappl.1987.62.1.259 Externer Link
6.
McCoy S. Breath management: gender-based differences in classical singers. Folia Phoniatr Logop. 2005;57:246–54. DOI: 10.1159/000087078 Externer Link