gms | German Medical Science

34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)
Dreiländertagung D-A-CH

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Bern, 14.09. - 17.09.2017

Sprachentwicklung von prälingual ertaubten Kindern mit Cochlea-Implantaten: Langzeitresultate im Alter von 6–10 Jahren

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Stephanie Diehl - Universitätsspital, Zürich, Schweiz
  • Alexandra De Silvestro - Universitätsspital, Zürich, Schweiz
  • Rainer Truninger - Kinderspital, Zürich, Schweiz
  • author Dorothe Veraguth - Universitätsspital, Zürich, Schweiz

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP), Dreiländertagung D-A-CH. Bern, Schweiz, 14.-17.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV28

doi: 10.3205/17dgpp43, urn:nbn:de:0183-17dgpp430

Veröffentlicht: 30. August 2017

© 2017 Diehl et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Kinder mit CI haben ein erhöhtes Risiko für eine Sprachentwicklungsstörung. Es existieren bisher kaum Studien, die den Sprachentwicklungsverlauf im späten Kindheitsalter untersuchen. Das Ziel der aktuellen Studie ist die Analyse des Sprachentwicklungsverlaufs vom 6. bis zum 10. Lebensjahr.

Material und Methoden: In einer prospektiven Longitudinalstudie wurden 27 prälingual ertaubte Kinder untersucht, die im Alter von 8–49 Monaten mit CI versorgt wurden (Durchschnittsalter 20 Monate). Sie wurden im Alter von 6 und 10 Jahren mit standardisierten logopädischen Tests untersucht. Anhand von 9 Kindern konnte bislang der Sprachverlauf ermittelt und mit dem T-Test für abhängige Stichproben auf Signifikanz geprüft werden.

Ergebnisse: Im Alter von 6 Jahren befindet sich der Großteil der mit CI versorgten Kinder in allen Sprachbereichen und im auditiven Arbeitsgedächtnis mehr als eine Standardabweichung unter dem Normwert normalhörender Kinder. Im Alter von 10 Jahren zeigt sich dieser Rückstand nur noch im Bereich des auditiven Arbeitsgedächtnisses. Ein Anteil von 53% der 6-jährigen Kinder und nur 41% der 10-jährigen Kinder zeigen ein auditives Arbeitsgedächtnis im Normbereich. Die rezeptiven Fähigkeiten liegen bei 42% der Kinder mit 6 Jahren und 59% der Kinder mit 10 Jahren im Normbereich. In verschiedenen Subtests zeigt sich eine normal entwickelte expressive Sprache bei 53–63% der 6-jährigen Kinder und 65–76% der 10-jährigen Kinder. Die bislang untersuchten Kinder konnten sich zwischen dem 6. und 10. Lebensjahr in der rezeptiven und expressiven Sprachentwicklung signifikant an die Normpopulation annähern.

Diskussion: Die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass die Entwicklung der expressiven und rezeptiven Sprache und des auditiven Arbeitsgedächtnisses im Alter von 6 bis 10 Jahren sehr unterschiedlich verläuft. Der Anteil an Kindern, die im oder über dem Normbereich liegen, variiert zwischen 41% und 76%.

Fazit: Auch im Schulalter bleibt eine große Variabilität der sprachlichen Fähigkeiten bei den mit CI versorgten Kindern vorhanden. Die Möglichkeit, sprachliche Rückstände aufzuholen, ist für einen großen Teil der Kinder jedoch realistisch. Mit anhaltenden Schwierigkeiten im auditiven Arbeitsgedächtnis muss im Schulalter jedoch gerechnet werden.


Text

Hintergrund

Kinder mit CI haben ein erhöhtes Risiko für eine Sprachentwicklungsstörung. Trotz früher Diagnose und Therapieeinleitung gibt es immer noch große Unterschiede in der Entwicklung der Kinder. Es existieren bisher kaum Studien, die den Sprachentwicklungsverlauf im späten Kindheitsalter untersuchen. Das Ziel der aktuellen Studie ist es herauszufinden, wie sich Kinder mit Verzögerungen im Bereich der expressiven und rezeptiven Sprachentwicklung und der auditiven Merkspanne, im Alter von 6 bis 10 entwickeln.

Material und Methoden

In einer prospektiven Longitudinalstudie wurden 27 prälingual ertaubte Kinder untersucht, die im Alter von 8–49 Monaten mit CI versorgt wurden (Durchschnittsalter 20 Monate). 85% der Kinder wurden bilateral implantiert. Alle Kinder erreichten einen guten Hörgewinn im gesamten Frequenzbereich. Sie wurden im Alter von 6 und 10 Jahren mit standardisierten logopädischen Tests untersucht. Anhand von 9 Kindern konnte bislang der Sprachverlauf ermittelt und mit dem T-Test für abhängige Stichproben auf Signifikanz geprüft werden.

Ergebnisse

Gesamthaft liegen mit 10 Jahren mehr als die Hälfte der mit CI versorgten Kinder in allen Sprachtests im Normbereich, während im Alter von 6 Jahren sich der Großteil der Kinder in allen Sprachbereichen und im auditiven Arbeitsgedächtnis mehr als eine Standardabweichung unter dem Normwert normalhörender Kinder befindet. Im Alter von 10 Jahren zeigt sich dieser Rückstand nur noch im Bereich des auditiven Arbeitsgedächtnisses. Ein Anteil von 53% der 6-jährigen Kinder und nur 41% der 10-jährigen Kinder zeigen ein auditives Arbeitsgedächtnis im Normbereich. Die rezeptiven Fähigkeiten liegen bei 42% der Kinder mit 6 Jahren und 59% der Kinder mit 10 Jahren im Normbereich. In verschiedenen Subtests zeigt sich eine normal entwickelte expressive Sprache bei 53–63% der 6-jährigen Kinder und 65–76% der 10-jährigen Kinder. Die meisten der 10 -jährigen Kinder besuchten zum Untersuchungszeitpunkt die Regelschule. 53% waren in der Schule vollständig integriert, 12% besuchten eine Teilintegrationsklasse und 35% besuchten eine Schule für hörbehinderte Kinder, teilweise unter Verwendung der Gebärdensprache. In der Studienpopulation beobachten wir im Alter von 10 Jahren einen signifikanten Einfluss der Mehrsprachigkeit auf die rezeptiven sprachlichen Fähigkeiten (p-Wert< 0.05), nicht aber auf die expressiven Sprachfähigkeiten und die auditive Merkfähigkeit.

Diskussion

Die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass die Entwicklung der expressiven und rezeptiven Sprache und des auditiven Arbeitsgedächtnisses im Alter von 6 bis 10 Jahren sehr unterschiedlich verläuft. Der Anteil an Kindern, die im oder über dem Normbereich liegen, variiert zwischen 41% und 76%.

Fazit/Schlussfolgerung

Auch im Schulalter bleibt eine große Variabilität der sprachlichen Fähigkeiten bei den mit CI versorgten Kindern vorhanden. Die Möglichkeit, sprachliche Rückstände aufzuholen, ist für einen großen Teil der Kinder jedoch realistisch. Mit anhaltenden Schwierigkeiten im auditiven Arbeitsgedächtnis muss im Schulalter jedoch gerechnet werden.


Literatur

1.
Castellanos I, Kronenberger WG, Beer J, Henning SC, Colson BG, Pisoni DB. Preschool speech intelligibility and vocabulary skills predict long-term speech and language outcomes following cochlear implantation in early childhood. Cochlear Implants Int. 2014 Jul;15(4):200-10. DOI: 10.1179/1754762813Y.0000000043 Externer Link
2.
Dickhaus S, Riedmuüller S, Truninger R, Veraguth D, Bohlender J, Jenni O. Entwicklung von Kindern nach Cochlea-Implantation. Kinderärztliche Praxis. 2013; 84:296–301.
3.
Contrera KJ, Choi JS, Blake CR, Betz JF, Niparko JK, Lin FR. Rates of long-term cochlear implant use in children. Otol Neurotol. 2014 Mar;35(3):426-30. DOI: 10.1097/MAO.0000000000000243 Externer Link
4.
van Wieringen A, Wouters J. What can we expect of normally-developing children implanted at a young age with respect to their auditory, linguistic and cognitive skills? Hear Res. 2015 Apr;322:171-9. DOI: 10.1016/j.heares.2014.09.002 Externer Link
5.
Veraguth D. Cochlea-Implantation bei Kindern: Erfolge bei früher Implantation. Paediatrica. 2/2015;26:23-26.
6.
Yoon PJ. Pediatric cochlear implantation. Curr Opin Pediatr. 2011 Jun;23(3):346-50. DOI: 10.1097/MOP.0b013e32834618ec Externer Link